Home / Veröffentlichungen / Der Staat als Aktionär, Gesellschafter und Inves...

Der Staat als Aktionär, Gesellschafter und Investor

Update Gesellschaftsrechtliche Gestaltung 10/2020

Oktober 2020

Corona hat die deutsche Wirtschaft ausgebremst. Knapp 10 % betrug das Minus beim Bruttoinlandsprodukt in den Monaten April bis Juni 2020 im Vergleich zum Vorquartal. Da dieser Einbruch nicht ganz unerwartet kam, haben Bund und Länder milliardenschwere Hilfsprogramme zur Stabilisierung der deutschen Wirtschaft und des Arbeitsmarktes auf den Weg gebracht. Neben Corona-Sofortprogrammen, Ausweitung des Kurzarbeitergeldes, Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und der Mehrwertsteuersenkung gehören auch mächtige Beteiligungsfonds wie der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) und der BayernFonds zu den staatlichen Unterstützungsprogrammen. 

Arbeitsplätze sichern und Produktionsketten stabilisieren

Diese Fonds sollen Arbeitsplätze sichern und Produktionsketten stabilisieren, indem sie bestehende Liquiditätsengpässe beseitigen und die Eigenkapitalbasis von Corona-geschädigten Unternehmen stärken. Im Fokus stehen Unternehmen der Realwirtschaft, deren Bestandsgefährdung erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft, die technologische Souveränität, Versorgungssicherheit, kritische Infrastrukturen oder den Arbeitsmarkt hätte. Während der Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes großen Unternehmen hilft, wollen die Länderfonds – quasi als kleine Brüder des WSF – (überwiegend) mittleren Unternehmen finanziell unter die Arme greifen. Auch Start-ups sind teilweise antragsberechtigt.  

Der Staat wird zum Aktionär, Gesellschafter und Investor

Die staatliche Hilfe erfolgt in der Regel in Form von Garantien (Bürgschaften zur Absicherung von Verbindlichkeiten des Unternehmens) und sogenannten Rekapitalisierungen. Dabei handelt es sich um nachrangige Schuldtitel, Hybridanleihen, Genussrechte, stille Beteiligungen, Wandelanleihen, partiarische Darlehen und Unternehmensanteile. Der Staat wird damit zum Aktionär, Gesellschafter und Investor. Er greift also unweigerlich in den freien Wettbewerb ein. Dabei sind ihm natürlich Grenzen gesetzt. So gelten etwa der Grundsatz der Erforderlichkeit sowie Befristungen für die Gewährung der Förderungen. Rekapitalisierungen sind zudem nur zulässig, wenn ein wichtiges Interesse des Bundes oder des jeweiligen Bundeslandes an der Stabilisierung der Unternehmen vorliegt und kein milderes Mittel zur Verfügung steht. Das heißt auf gut Deutsch: Die Rekapitalisierung muss alternativlos sein.

Weitreichende Auflagen und Bedingungen als Steuerungsinstrument

Wer Kapital bereitstellt, will wissen und kontrollieren, was damit passiert. Dieses Grundbedürfnis hat nicht nur der private Kapitalgeber, sondern auch der Staat, wenn er sich als Aktionär, Gesellschafter und Investor engagiert. Daher verwundert es kaum, wenn die Stabilisierungsmaßnahmen nur unter Auflagen und Bedingungen gewährt werden dürfen. Dazu gehören etwa Anforderungen an:

  • die Verwendung der aufgenommenen Mittel,
  • die Vergütung der Unternehmensorgane,
  • die Ausschüttung von Dividenden, 
  • den Zeitraum, innerhalb dessen diese Anforderungen zu erfüllen sind,
  • Maßnahmen zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen sowie
  • branchenspezifische Restrukturierungsmaßnahmen.

Das kann zum Beispiel konkret bedeuten, dass für die Dauer der Rekapitalisierung Vorstände und Geschäftsführer keine Boni erhalten, Dividenden nur oder vorrangig an den Fonds ausgezahlt und Konkurrenten nicht übernommen werden dürfen. Die Fonds können zudem den Einsatz von Eigenmitteln und das Aussetzen von Tilgungsleistungen für bereits bestehende Bankkredite verlangen. Anforderungen können auch an die Überprüfung der Geschäftspolitik und deren wirtschaftliche Nachhaltigkeit gestellt werden. Insgesamt müssen Auflagen verhältnismäßig sein. Sie sind vor allem an der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens sowie an der Art, Höhe und Dauer der Stabilisierungsmaßnahme auszurichten. Sie können in einem Stabilisierungsvertrag, per Verwaltungsakt oder Selbstverpflichtung des Unternehmens und ggf. seiner Organe geregelt werden.

Zudem will und muss die öffentliche Hand auf ihr politisches Image achten. Sie kann es sich kaum erlauben, Unternehmen zu fördern, die zum Beispiel Steuern hinterziehen, Umweltgesetze verletzen, Scheinselbständige beschäftigen oder sich nicht um Compliance kümmern. Daher müssen Unternehmen, die staatliche Hilfe erhalten wollen, auch die Gewähr für eine solide und umsichtige Geschäftspolitik bieten. Börsennotierte Unternehmen müssen zudem in aller Regel den Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex folgen.

Praxistipp: Information und Dialog mit dem Staat für angemessene Lösungen

Wer also den Staat um Unterstützung fragt, muss ihm – wie jedem anderen Kapitalgeber auch – bestimmte vertragliche Informations- und Kontrollrechte einräumen. Je nach Umfang der Stabilisierungsmaßnahme kann das auch bedeuten, Plätze in Aufsichts- und Beiräten zu gewähren sowie ganz generell Mitsprache, Kontrolle und Vorgaben bei unternehmenspolitischen Entscheidungen mit übergeordneter Tragweite zu akzeptieren. Das fällt nicht immer leicht und macht die unternehmensinterne Willensbildung auch nicht gerade einfacher. Aber wer sich vor Antragstellung über die Instrumente, Auflagen und Bedingungen der Fonds sachkundig informiert und mit dem Staat in einen gemeinsamen Dialog eintritt, wird auch die Chance bekommen, angemessene Lösungen zu finden.

Dieser Artikel ist Teil des Update Gesellschaftsrechtliche Gestaltung, das Sie hier abonnieren können. 


Aktuelle Informationen zu COVID-19 finden Sie in unserem Corona Center. Wenn Sie Fragen zum Umgang mit der aktuellen Lage und den Auswirkungen für Ihr Unternehmen haben, sprechen Sie Ihren Ansprechpartner bei CMS oder unser CMS Response Team jederzeit gerne an.


Autoren

Foto vonThomas Mühl
Dr. Thomas Mühl
Principal Counsel
München