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EUGH: „Fack Ju Göhte“ kommt der Eintragung einen Schritt näher

Update Gewerblicher Rechtsschutz & Kartellrecht 06/2020

Juni 2020

Der Filmtitel „Fack Ju Göhte“ ist nicht nur aufgrund seiner Schreibweise originell und einprägsam. Obwohl er damit beste Voraussetzungen für eine Marke erfüllt, lehnten EUIPO und EuG die Eintragung als Marke ab. Sie hielten die Marke für vulgär, anstößig und daher sittenwidrig. Anders nun der EuGH. Im Gegensatz zu den Vorinstanzen sieht er keinen Verstoß gegen die guten Sitten. Es komme vielmehr darauf an, wie die angesprochenen Verkehrskreise die Marke wahrnehmen.

„Fack Ju Göhte“ steht für einen der erfolgreichsten deutschen Filme der letzten Jahre. Nachdem im Jahre 2013 etwa 5,6 Millionen Besucher den von der Rat Pack Filmproduktion gemeinsam mit Constantin Film produzierten und preisgekrönten Film im Kino gesehen hatten, folgten die Fortsetzungen „Fack Ju Göhte 2“ und „Fack Ju Göhte 3“. Auch diese waren ausgesprochen erfolgreich. Dem Kinobesucher blieb der prägnante Filmtitel im Gedächtnis. Die Constantin Film Produktion GmbH wollte die Popularität des Titels auch weitergehend nutzen und meldete die Bezeichnung „Fack Ju Göhte“ daher 2015 als Unionsmarke für verschiedenste Waren und Dienstleistungen an. 

EUIPO verweigert Eintragung der Marke

Die Anmeldung der Marke „Fack Ju Göhte“ scheiterte im September 2015 vor dem Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO). Das EUIPO verweigerte die Eintragung der Marke für sämtliche Waren und Dienstleistungen, da die Marke gegen die guten Sitten verstoße und daher von der Eintragung in das Register ausgeschlossen sei (Art. 7 Abs. 1 lit. f der Unionsmarkenverordnung, UMV). Einen Sittenverstoß sah das EUIPO vor allem darin, dass die deutschsprachigen Verbraucher den Wortbestandteil „Fack Ju“ als identisch mit dem englischen „Fuck you“ wahrnähmen. Dies sei anstößig und vulgär, was auch durch die Kombination mit dem Bestandteil „Göhte“ nicht abgemildert werde.

Hiergegen wandte sich die Constantin Film Produktion GmbH mit einer Beschwerde vor der fünften Beschwerdekammer des EUIPO. Als auch dieser Beschwerde nicht stattgegeben wurde, erhob sie Klage vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG). 

EuG bestätigt Entscheidung des EUIPO

Das EuG wies die Klage mit Urteil vom 24. Januar 2018 ab. Das EUIPO habe zu Recht festgestellt, dass die maßgeblichen deutschsprachigen Verkehrskreise den Wortbestandteil „Fack Ju“ als lautschriftliche Übersetzung des englischsprachigen Ausdrucks „Fuck you“ auffassen würden. Dieser Ausdruck sei von Vulgarität geprägt und es sei zu erwarten, dass er bei den maßgeblichen Verkehrskreisen Anstoß erregen werde. Auch wenn eine Marke allgemein als Ganzes betrachtet werde, sei die Hinzusetzung des Bestandteils „Göhte“ nicht geeignet, die Vulgarität des Ausdrucks „Fuck you“ abzumildern. Vielmehr werde der Schriftsteller Goethe damit zum möglichen Adressaten der Aussage „Fack Ju“. 

Es mache insofern auch keinen Unterschied, ob der Titel – insbesondere vor dem Hintergrund des bekannten Filmes – scherzhaft auf gelegentlichen Frust von Schülern Bezug nehme und dafür eine Wortkombination verwende, die jugendlichen Slang aufgreife. Da es sich bei den geschützten Waren und Dienstleistungen um solche des laufenden täglichen Verbrauchs handelt, sei nicht erwiesen, dass ein Verbraucher, der mit dem angemeldeten Zeichen konfrontiert wird, hierin den Titel eines erfolgreichen Films erkennen und das Zeichen als einen „Scherz“ auffassen würde. Die Vulgarität des Ausdrucks „Fuck you“ führe daher zum Ausschluss der Eintragungsfähigkeit der gesamten Marke. 

EuGH hebt Vorentscheidungen auf

Dies sieht der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem aktuellen Urteil vom 27. Februar 2020 (C-240/18) knapp fünf Jahre nach der Anmeldung anders. Als Reaktion auf das von der Constantin Film Produktion GmbH eingelegte Rechtsmittel hob der EuGH die Entscheidungen des EuG und des EUIPO auf und verwies die Sache zurück an das EUIPO.

Nach Auffassung des EuGH haben weder das EUIPO noch das EuG ausreichende Feststellungen zur tatsächlichen Auffassung der maßgeblichen Verkehrskreise getroffen. Der Begriff der „guten Sitten“ könne nämlich nicht abstrakt und losgelöst vom konkreten Fall ausgelegt werden. Maßgeblich seien hierfür stattdessen die „grundlegenden moralischen Werte und Normen, an denen eine bestimmte Gesellschaft im jeweiligen Zeitpunkt festhält“. Diese Werte und Normen entwickelten sich im Laufe der Zeit und könnten von Ort zu Ort unterschiedlich sein. Aus Sicht des EuGH tragen die Feststellungen der Vorinstanzen daher nicht das von ihnen gefällte Sittenwidrigkeitsurteil.

Der EuGH hebt insbesondere hervor, dass die Filme, die unter der Bezeichnung „Fack Ju Göhte“ veröffentlicht wurden, im deutschsprachigen Raum sehr erfolgreich waren, für Jugendliche freigegeben wurden und sogar vom Goethe-Institut zu Unterrichtszwecken genutzt werden. Obwohl die Bezeichnung als Filmtitel in der breiten deutschsprachigen Öffentlichkeit bekannt geworden sei, habe sie dennoch nicht zu Diskussionen über einen etwaigen anstößigen oder vulgären Charakter geführt. Dies spricht nach Auffassung des EuGH dafür, dass die Bezeichnung „Fack Ju Göhte“ von dem hier maßgeblichen deutschsprachigen Publikum nicht als moralisch verwerflich wahrgenommen wird.

Aus Sicht des EuGH hätten das EUIPO und das EuG diese Aspekte berücksichtigen müssen, um zu ermitteln, ob die Bezeichnung tatsächlich gegen die guten Sitten verstößt. Die vorgenommene Beurteilung, losgelöst von der konkreten Auffassung der maßgeblichen Verkehrskreise, reicht nach Auffassung des EuGH zur Ablehnung der Markeneintragung nicht aus. 

Das EUIPO muss nun erneut über die Markenanmeldung entscheiden. Die klaren Anmerkungen des EuGH lassen allerdings vermuten, dass die Eintragung der Marke „Fack Ju Göhte“ nicht erneut wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten abgelehnt werden wird.

Auswirkung des EuGH-Urteils auf die Eintragungsfähigkeit von Marken

Wird die (fehlende) Eintragungsfähigkeit einer Marke vor dem Hintergrund vermeintlicher Sittenverstöße beurteilt, ist das Verständnis der (potentiell) angesprochenen Verkehrskreise im Blick zu behalten. Dieses Ergebnis ist zu begrüßen. Was die angesprochenen Verkehrskreise nicht als vulgär und obszön empfinden, sollte auch von Markenämtern nicht als sittenwidrig bewertet werden.

Da Marken wie „Fack Ju Göhte“ oft sehr prägnant sind und den angesprochenen Verkehrskreisen meist nachhaltig im Gedächtnis bleiben, eignen sie sich besonders, um in einem stark marketinggeprägten Umfeld herauszustechen. Es überrascht daher nicht, dass in der Vergangenheit schon andere populäre Entscheidungen zu vermeintlichen Sittenverstößen durch Marken ergangen sind.

In Bezug auf Waren und Dienstleistungen im Getränke- und Gastronomiebereich haben etwa die Entscheidungen des Bundespatentgerichts (BPatG) und des EuG zur Zulässigkeit der Marke „Ficken Liquors“ im Jahre 2013 für Aufsehen gesorgt. Während das Bundespatentgericht die Marke für eintragungsfähig hielt (BPatG, Beschluss vom 28. September 2011 – 26 W (pat) 44/10), lehnte das EuG die Eintragungsfähigkeit der Marke wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten ab (EuG, Urteil vom 14. November 2013 – T–54/13). Bereits in den damaligen Entscheidungen war erkennbar, dass die mit dem Fall befassten Gerichte einen möglichen Sittenverstoß stark einzelfallbezogen anhand konkreter Moralvorstellungen der maßgeblichen Verkehrskreise beurteilten. 

Auch das EUIPO hatte es bereits ein Jahr vor der Entscheidung über die Marke „Fack Ju Göhte“ mit einem ähnlichen Fall zu tun. So lehnte das EUIPO im Oktober 2014 die Anmeldung des Roman- und Filmtitels „Die Wanderhure“ für zahlreiche Waren- und Dienstleistungen ebenfalls wegen Sittenwidrigkeit auf Grundlage von Art. 7 Abs. 1 lit. f der damals geltenden Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMV) zunächst ab. Anders als im Fall „Fack Ju Göhte“ kam sodann die vierte Beschwerdekammer des EUIPO indes zu der Auffassung, dass die Marke „Die Wanderhure“ nicht sittenwidrig sei (vgl. EUIPO, vierte Beschwerdekammer, Entscheidung vom 28. Mai 2015, R 2889/2014 4). Dies begründete die Beschwerdekammer u. a. damit, dass der breite Publikumserfolg des Buches und auch der Verfilmung belegt, dass die Öffentlichkeit an dem Inhalt des Buches – und erst recht an dessen Titel „Die Wanderhure“ – keinen Anstoß nimmt. Auch die Stadt Konstanz als Schauplatz des Romans hatte kein Problem damit, Wanderungen mit dem Titel „Auf den Spuren der Wanderhure“ anzubieten. Die Beschwerdekammer stellte folglich fest, dass maßgeblich für die Frage der Sittenwidrigkeit einer Marke das objektive Verständnis des Anmeldezeichens nach dem Empfängerhorizont sei. 

In seiner zutreffenden Entscheidung zu „Fack Ju Göhte“ argumentiert nun der EuGH sehr ähnlich. Diese Entscheidung führt einmal mehr vor Augen, dass die Eintragung von Marken nicht per se ausgeschlossen sein muss, wenn sie Bestandteile beinhalten, die auf den ersten Blick anstößig erscheinen. Eine Markeneintragung kann nämlich nur auf Basis einer fundierten rechtlichen Begründung in Einzelfall zurückgewiesen werden und nicht auf Grundlage abstrakter Sittenwidrigkeitserwägungen. Auch Grundfreiheiten wie das Recht der freien Meinungsäußerung spielen für die Beurteilung eine maßgebliche Rolle.

Auch wenn sich mit einer zunehmenden Liberalisierung der Wertvorstellungen der maßgeblichen Verkehrskreise die Entscheidungen mehren, die die Eintragungsfähigkeit vermeintlich anstößiger Marken anerkennen, ist noch kein genereller Dammbruch für möglicherweise anstößige Marken zu erwarten. Die Bewertung der Eintragungsfähigkeit der Marke „Fack Ju Göhte“ ist letztlich nur ein weiterer Einzelfall, in dem konkrete Gründe für die Eintragungsfähigkeit einer objektiv vermeintlich anstößigen Bezeichnung sprachen. In den meisten Fällen wird ein Markenanmelder deutlich weniger Material für die Argumentation haben, ein Begriff werde von den angesprochenen Verkehrskreisen tatsächlich nicht als anstößig empfunden. Denn nur wenigen Markenanmeldungen geht ein solch großer Publikumserfolg voraus wie im Fall der „Fack Ju Göhte“-Filme.

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Autoren

Dr. Heike Freund, LL.M., Maître en droit
Sven Krause, LL.M. (Maastricht University)