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Grenzüberschreitende Umwandlungen neu geregelt

Update Gesellschaftsrechtliche Gestaltung 04/2023

April 2023

Die Gesetze zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie sind endlich in Kraft getreten. Damit werden grenzüberschreitende Umwandlungsmaßnahmen auf eine neue Grundlage gestellt und neue Gestaltungsmöglichkeiten geschaffen.

Grenzüberschreitende Umwandlungen sind nach unserer Erfahrung oftmals das Mittel der Wahl, wenn es etwa um Verschlankung einer internationalen Konzernstruktur, um Vorbereitung der gewünschten Struktur im Vorfeld einer M&A-Transaktion oder eines Joint Ventures, um Gestaltung der Mitbestimmung oder um Optimierung des regulatorischen Umfelds geht. Bislang gab es allerdings nur für grenzüberschreitende Verschmelzungen gesetzliche Regelungen. Grenzüberschreitende Formwechsel konnten zwar aufgrund der Niederlassungsfreiheit und der EuGH-Rechtsprechung durchgeführt werden, die Umsetzung war jedoch mangels einer gesetzlichen Grundlage äußerst unsicher und aufwendig.

Nun sind die Gesetze zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie am 31. Januar und am 1. März 2023 in Kraft getreten. Damit werden grenzüberschreitende Umwandlungsmaßnahmen auf eine neue Grundlage gestellt und neue Gestaltungsmöglichkeiten geschaffen. Neben den bereits geregelten grenzüberschreitenden Verschmelzungen gibt es nun erstmals gesetzliche Regelungen für grenzüberschreitende Spaltungen und Formwechsel. Durch die flankierenden mitbestimmungsrechtlichen Regelungen wird die Rechtssicherheit auch hinsichtlich der Unternehmensmitbestimmung im Rahmen grenzüberschreitender Umwandlungen erhöht. Nachfolgend haben wir die wichtigsten Neuerungen für Sie zusammengefasst.

Änderungen im Umwandlungsgesetz

Die Bestimmungen zur Umsetzung grenzüberschreitender Verschmelzungen dienten als Regelungsvorbild für die neuen Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Spaltungen und Formwechsel. Doch auch das Verfahren zur grenzüberschreitenden Verschmelzung hat mit dem Gesetz zur Umsetzung der umwandlungsrechtlichen Regelungen der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG) Änderungen erfahren. Zentrale Punkte der neuen Regelungen für grenzüberschreitende Umwandlungsmaßnahmen betreffen den Schutz von Gläubigern und Anteilseignern. Zudem stehen den Registergerichten neue Kontrollmöglichkeiten zu. Hervorzuheben sind insbesondere folgende Aspekte:

  • Durch die Schaffung von Regelungen für grenzüberschreitende Spaltungen und Formwechsel können diese nun rechtssicher umgesetzt werden. Weiterhin bleiben allerdings alle grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahmen grundsätzlich Kapitalgesellschaften vorbehalten.
  • Der deutsche Gesetzgeber ist über die Regelungen der Umwandlungsrichtlinie hinausgegangen und erlaubt neben der grenzüberschreitenden Spaltung zur Neugründung auch eine grenzüberschreitende Spaltung zur Aufnahme. Diese ist jedoch zum Schutz der Mitbestimmung an bestimmte Bedingungen geknüpft. Es bleibt zudem abzuwarten, ob diese Möglichkeit auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt oder jedenfalls anerkannt wird.
  • Gläubiger der umzuwandelnden Gesellschaft müssen ihren Anspruch auf Sicherheitsleistung zukünftig innerhalb der gesetzlichen Frist gerichtlich geltend machen. Die bloße Geltendmachung gegenüber der Gesellschaft selbst genügt nicht mehr.
  • Mit den Änderungen geht auch eine Verlängerung der Umsetzungsdauer grenzüberschreitender Umwandlungsmaßnahmen einher, die bei der Planung solcher Vorhaben zu berücksichtigen ist:
    • Die Frist, innerhalb derer Gläubiger der Gesellschaft einen Anspruch auf Sicherheitsleistung geltend machen können, beträgt zukünftig drei Monate ab Bekanntmachung des Vorhabens im Register. Vor Ablauf dieser Frist darf die Maßnahme nicht im Register eingetragen werden.
    • Solange ein Verfahren über die Geltendmachung von Sicherheitsleistungen nicht abgeschlossen ist, besteht ebenfalls eine Registersperre.
  • Im Rahmen der Nachbesserung des Umtauschverhältnisses, die zukünftig durch die Anteilsinhaber aller beteiligten Rechtsträger allein im Spruchverfahren geltend zu machen ist, können statt barer Zuzahlungen nun auch zusätzliche Aktien gewährt werden. Dadurch kann ein Liquiditätsabfluss vermieden werden. Diese neuen Vorschriften gelten zukünftig auch für nationale Umwandlungsmaßnahmen.
  • Zu begrüßen ist, dass der Umwandlungsbericht im Falle von Gesellschaften ohne Arbeitnehmer bei Verzicht der Anteilsinhaber entbehrlich ist; das Verfahren wird damit in einfachen Fallgestaltungen verschlankt.
  • Durch die letzten Beratungen im Rechtsausschuss neu eingeführt wurde eine Konkretisierung der Missbrauchskontrolle. So soll das zuständige Registergericht vor Erstellung der notwendigen Bescheinigung über das Vorliegen der Voraussetzungen für die grenzüberschreitende Umwandlung (Formwechsel, Verschmelzung und Spaltung) prüfen, ob die grenzüberschreitende Umwandlung zu missbräuchlichen oder betrügerischen Zwecken, die dazu führen oder führen sollen, sich Unionsrecht oder nationalem Recht zu entziehen oder es zu umgehen, oder zu kriminellen Zwecken vorgenommen werden soll. Neu eingefügt wurde folgender Absatz: „Anhaltspunkte im Sinne von Satz 1 [also für die Rechtsmissbräuchlichkeit] liegen insbesondere vor, wenn (2.) die Zahl der Arbeitnehmer mindestens vier Fünftel des für die Unternehmensmitbestimmung maßgeblichen Schwellenwerts beträgt, im Zielland keine Wertschöpfung erbracht wird und der Verwaltungssitz in Deutschland verbleibt […].“ Diese Regelung dürfte bei ähnlich gelagerten Fällen zu Unsicherheiten und Verzögerungen in der Praxis führen.

Mitbestimmungsrechtliche Regelungen

Die mitbestimmungsrechtlichen Regelungen der Umwandlungsrichtlinie zum grenzüberschreitenden Formwechsel und zur grenzüberschreitenden Spaltung von Kapitalgesellschaften sind in einem neuen Stammgesetz enthalten. Dieses Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und bei grenzüberschreitender Spaltung (MgFSG) orientiert sich am Recht der SE und der grenzüberschreitenden Verschmelzung. Daneben erfordern die Regelungen der Umwandlungsrichtlinie zu grenzüberschreitenden Verschmelzungen auch punktuelle Änderungen des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG). Zentrale Regelungselemente sind die folgenden:

  • Nach den unionsrechtlichen Vorgaben gilt das MgFSG in erster Linie für die Ausgestaltung der Mitbestimmung in Gesellschaften deutscher Rechtsform, die aus einem grenzüberschreitenden Formwechsel oder einer grenzüberschreitenden Spaltung hervorgehen („Herein-Umwandlung“). Soweit jedoch bei einer „Heraus-Umwandlung“ Arbeitnehmer aus Deutschland zu beteiligen sind, finden bestimmte Vorschriften des Gesetzes ebenfalls Anwendung.
  • Sowohl für den grenzüberschreitenden Formwechsel und die grenzüberschreitende Spaltung als auch für die grenzüberschreitende Verschmelzung werden Verhandlungen über die Mitbestimmung in einer hervorgehenden Gesellschaft bereits dann erforderlich, wenn eine beteiligte Gesellschaft eine Zahl von Arbeitnehmern beschäftigt, die mindestens vier Fünfteln des Schwellenwerts entspricht, der die Unternehmensmitbestimmung im Wegzugsmitgliedsstaat auslöst („Vier-Fünftel-Regelung“). Bisher war ein Beteiligungsverfahren im Rahmen einer grenzüberschreitenden Umwandlung nur dann erforderlich, wenn die umzuwandelnde Gesellschaft bzw. eine der zu verschmelzenden Gesellschaften bereits mitbestimmt war.
  • Das Vorgehen bei nachfolgenden Umwandlungen wird für grenzüberschreitenden Formwechsel, grenzüberschreitende Spaltung und grenzüberschreitende Verschmelzung einheitlich neu geregelt. Bei innerstaatlichen Umwandlungsmaßnahmen, die innerhalb von vier Jahren nach der grenzüberschreitenden Umwandlung stattfinden, sind die für die vorherige grenzüberschreitende Umwandlung angewendeten Regelungen entsprechend anwendbar; für grenzüberschreitende Nachfolgeumwandlungen gilt dies zeitlich unbeschränkt.

Die Einhaltung der mitbestimmungsrechtlichen Vorgaben wird in der Praxis eine Herausforderung darstellen, die in zeitlicher und organisatorischer Hinsicht nicht zu unterschätzen ist. Insgesamt werden durch die neuen Regelungen die Rechte der Arbeitnehmer im Rahmen von grenzüberschreitenden Umwandlungen deutlich gestärkt.

Praxistipp:

Die Gesetze zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie bringen mehr Rechtssicherheit für grenzüberschreitende Umwandlungen, die jedoch trotzdem ein komplexes Unterfangen bleiben. Aktuell ist bei der Planung noch besonders zu berücksichtigen, dass zahlreiche Mitgliedsstaaten, darunter etwa Österreich und die Niederlande, mit der Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie in Verzug sind. 

Zusätzlich zu den umwandlungsrechtlichen Voraussetzungen sind im Regelfall auch die steuerlichen Implikationen der Umwandlung im Ausgangs- und Zielstaat zu prüfen sowie ggf. in weiteren Staaten, in denen sich Betriebsstätten, Grundstücke oder Tochtergesellschaften befinden. Insoweit bringt die Umwandlungsrichtlinie aber keine Neuerungen.

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Artur Baron
Counsel
Düsseldorf
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Petra Stoeckle
Principal Counsel
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