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Das Lieferkettengesetz – neue Pflichten für Unternehmen

09/12/2020

Das aus der Bundesregierung angekündigte Lieferkettengesetz ist in aller Munde und beinahe täglich in den Medien, obwohl formell noch nicht einmal das Gesetzgebungsverfahren begonnen hat. 

Tatsächlich laufen derzeit sogar zwei Gesetzesvorhaben parallel: Nicht nur in Deutschland, sondern auch auf EU-Ebene gibt es Pläne für ein Lieferkettengesetz. Noch ist unklar, in welchem Verhältnis die Bestimmungen zueinander stehen werden, sollten beide wie geplant in Kraft treten. Inhaltlich überschneiden sich die aktuellen Entwürfe allerdings in weiten Teilen. 

Gegenstand der Diskussion in Deutschland ist das inoffizielle Eckpunktepapier des Bundesarbeitsministeriums und des Bundesentwicklungsministeriums für ein „Bundesgesetz über die Stärkung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in globalen Wertschöpfungsketten (Sorgfaltspflichtengesetz)“ vom 10. März 2020. Ein offizieller Gesetzesentwurf liegt wegen Uneinigkeit in der Bundesregierung noch nicht vor.

Auf EU-Ebene hat der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments im September 2020 einen Berichtsentwurf mit Empfehlungen an die Europäische Kommission veröffentlicht, u. a. mit dem möglichen Text einer „Richtlinie über die Sorgfaltspflicht und Rechenschaftspflicht von Unternehmen“. Die Kommission hat für 2021 konkrete Gesetzesvorschläge zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen in globalen Lieferketten angekündigt.

Betroffene Unternehmen 

Das deutsche Eckpunktepapier sieht vor, dass das Gesetz nur für in Deutschland ansässige Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten gelten soll. Der europäische Berichtsentwurf nennt keine konkreten Zahlen, sondern will es den Mitgliedstaaten überlassen, Kleinstunternehmen von der Anwendung auszunehmen.

Pflichten

Nach den aktuellen Entwürfen müssen sich Unternehmen auf erweiterte Compliance-Pflichten in Bezug auf die eigenen Lieferketten einstellen. Im Vordergrund steht dabei die fortlaufende Analyse von Risiken für Menschenrechtsverletzungen im eigenen Unternehmen und bei Lieferanten. Die Risikoanalyse soll sich auch auf Umweltschutz, Korruptionsbekämpfung und – nach dem europäischen Entwurf – auf verantwortungsvolle Unternehmensführung (good corporate governance) erstrecken. 

Zudem sollen die Unternehmen Präventions- und Abhilfemaßnahmen im Hinblick auf diese Risiken einführen und regelmäßig öffentlich über diese Maßnahmen berichten. Geschuldet sind nur angemessene Maßnahmen – ein für die Praxis bedeutsamer Aspekt, der in der Diskussion über das Lieferkettengesetz allerdings häufig zu kurz kommt. Die Angemessenheit soll sich u. a. nach der Art der Geschäftstätigkeit, der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, der Schwere potenzieller Schäden und der Einwirkungsmöglichkeit des deutschen Unternehmens richten.

Folgen von Verstößen

Bei Verstößen gegen diese Sorgfaltspflichten drohen Bußgelder. Nach dem europäischen Entwurf sollen bei wiederholten Verstößen auch strafrechtliche Sanktionen möglich sein. 

Das deutsche Eckpunktepapier sieht zudem eine – in der öffentlichen Diskussion äußerst umstrittene – zivilrechtliche Haftung vor. Danach könnten z. B. Mitarbeiter ausländischer Lieferanten bei Gesundheitsschäden infolge schlechter Arbeitsbedingungen deutsche Unternehmen in Deutschland auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Ein solches Haftungsrisiko erscheint zunächst unzumutbar, stellt sich bei näherem Hinsehen aber als beherrschbar heraus:

  • Die Sorgfaltspflichten sind nach dem Eckpunktepapier als Bemühens-, nicht als Erfolgspflichten ausgestaltet. Deutsche Unternehmen wären also bei Ergreifung angemessener Maßnahmen nicht haftbar.
  • Unternehmen, die sich zur Einhaltung bestimmter staatlich anerkannter (Branchen-)Standards verpflichten, können ihre Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränken.
  • Das Haftungsrisiko wird maßgeblich von der Beweislast abhängen. Wenn das Gesetz – wie z. B. eine entsprechende Regelung in Frankreich – es dem Kläger überlässt, nachzuweisen, dass ein Schaden nicht eingetreten wäre, wenn das deutsche Unternehmen seine Sorgfaltspflicht beachtet hätte, dürften die Erfolgsaussichten solcher Klagen häufig gering sein. 

Einschätzung und Folgen für die Praxis

Sorgfaltspflichten im Hinblick auf die Lieferkette sind im Prinzip nichts Neues. In Frankreich, England, Australien und Kalifornien sind bereits entsprechende Gesetze in Kraft, die von deutschen Unternehmen schon jetzt unmittelbar oder mittelbar zu beachten sind. Auch die Konfliktmineralien-Verordnung, die Holzhandelsverordnung und die CSR-Richtlinie beinhalten Pflichten für Unternehmen im Hinblick auf ihre Lieferketten. 

Die aktuell diskutierten branchenübergreifenden Sorgfaltspflichten würden für viele deutsche Unternehmen freilich zu erhöhtem Zeit- und Kostenaufwand führen. Doch das zunehmende Bewusstsein der Verbraucher für verantwortungsbewusst hergestellte Produkte, mögliche Wettbewerbsvorteile und das Reputationsrisiko durch negative Berichterstattung in den Medien dürften in vielen Fällen schon aus kaufmännischer Sicht genug Anlass bieten, künftig die eigene Lieferkette strenger zu überprüfen. 

Für die Compliance-Abteilungen der Unternehmen bedeutet dies, die bestehenden Prozesse zur Überprüfung von Geschäftspartnern in der Lieferkette (business partner screening) kritisch zu analysieren und gegebenenfalls anzupassen. Ferner sollte die Anpassung bestehender Hinweisgebersysteme mit Blick auf Meldungen Externer geprüft werden. Schließlich sollten Compliance-Klauseln mit Regelungen zu Auditierungs- und Kündigungsrechten in Lieferantenverträge aufgenommen werden.


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