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Elektronische Wertpapiere und Kryptowertpapiere kommen

31/12/2020

Der lange erwartete im August 2020 veröffentlichte Referentenentwurf von Bundesjustiz- und Bundesfinanzministerium für ein Gesetz zur Schaffung elektronischer Wertpapiere (eWpG) hat bereits für große Aufmerksamkeit, rege Diskussionen und ausführliche Kritik gesorgt. Die Regelungen im Referentenentwurf sollten nur für Inhaberschuldverschreibungen, also Anleihen gelten. Am 16.12.2020 wurde nun der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Einführung elektronischer Wertpapiere veröffentlicht. Eine wesentliche Neuerung zum Referentenentwurf ist, dass in bestimmten Umfang nun auch die Möglichkeit der elektronischen Begebung von Fondsanteilen eröffnet wird. 

Das geplante Gesetz läutet eine Zeitenwende für das deutsche Wertpapierrecht ein. Die Regelungen sind als Blaupause für weitere Wertpapiere, insbesondere auch für elektronische Aktien, zu verstehen.

Stärkung des Finanzstandorts Deutschland

Die Gesetzesinitiative beruht u. a. auf der im letzten Jahr vorgestellten Blockchain-Strategie der Bundesregierung. Sie sah bereits die Schaffung elektronischer Wertpapiere vor, wodurch die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland für neue digitale Finanzprodukte bezweckt wird. Sowohl auf europäischer als auch nationaler Ebene, zuletzt in Luxemburg, sind ähnliche gesetzliche Regelungen in diesem Bereich geplant oder bereits umgesetzt. Einige Rechtsordnungen sind sogar noch weiter und haben sich schon vor längerer Zeit (Frankreich z. B. bereits im Jahr 1984) von materialisierten Wertpapieren verabschiedet.

E-Wertpapiere: Koexistenz von Papierurkunde und Registereintragung

Bislang ist im deutschen Wertpapierrecht die Ausstellung einer Papierurkunde zwingend erforderlich. Das geplante Gesetz soll nunmehr diese Fessel der Materialisierung lösen und sieht registrierte elektronische Wertpapiere als weitere Begebungsform vor.

Angedacht ist nicht die Abschaffung physischer Urkunden, sondern die Koexistenz der Begebungsarten. Elektronische Wertpapiere sollen zur Herstellung dieses Gleichklangs zivilrechtlich als Sache gelten, wodurch Wertpapiererwerber und -inhaber einen umfassenden Eigentumsschutz genießen. Zivilrechtlich stellen diese Entmaterialisierung des Sachbegriffs und die Gleichstellung virtueller Einheiten mit körperlichen Gegenständen ein Novum dar. Der Umtausch bestehender Papierurkunden in elektronische Wertpapiere wird zudem ohne Zustimmung der Berechtigten möglich sein, solange keine Umwandlung in ein Kryptowertpapier als Unterfall elektronischer Wertpapiere erfolgt. 

Die Übertragung des Eigentums an einem elektronischen Wertpapier soll durch Einigung über den Eigentumsübergang und die Registereintragung des neuen Inhabers erfolgen. Das noch zu bildende Wertpapierregister schafft die für die Funktionsfähigkeit des Wertpapiermarktes erforderliche Rechtssicherheit einschließlich eines Gutglaubensschutzes. Auf den Registerinhalt soll vertraut werden dürfen – auch wenn das Wertpapier von einem Nicht-Eigentümer erworben wurde, soll der Eingetragene Eigentümer bleiben. Da bei elektronischen Wertpapieren aufgrund der als zwingend geplanten „Sammeleintragung“ stets der Zentralverwahrer als Inhaber in das Register einzutragen ist, kommt der Registerumtragung allerdings kaum eine Bedeutung zu (anders bei Kryptowertpapieren).

Mit der Veröffentlichung des Regierungsentwurfs wird nun auch im Investmentrecht die Entmaterialisierung der Anteilsscheine eingeläutet. Hierfür soll § 95 KAGB dahingehend geändert werden, dass auch Anteile an Sondervermögen als elektronische Anteilscheine begeben werden können. Sofern sich aus den anderen Vorschriften des KAGB nichts anderes ergibt, sollen Vorschriften des eWpG auf diese elektronischen Anteilscheine entsprechend anwendbar sein.

Das Gesetz soll ferner aufsichtsrechtliche Klarheit schaffen: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) soll die Erbringung der Emission und das Führen der dezentralen Register als neue Finanzdienstleistungen nach dem eWpG und dem Kreditwesengesetz (KWG) sowie der Zentralverwahrer-Verordnung überwachen.

Kryptowertpapiere: Blockchain als Grundlagentechnologie

Eigentlicher Anlass des Gesetzesentwurfs ist die Regulierung von Wertpapieren, die auf Grundlage der Blockchain-Technologie ausgegeben werden. Das mit dem elektronischen Wertpapier eingeführte Register wird hier durch eine Blockchain abgebildet, der neu geschaffene Kryptowertpapierregisterführer steht für dessen (technische) Funktionsfähigkeit ein. Der Staat lagert das Register mitsamt seinem Gutglaubensschutz also an Private aus, verlangt von diesen aber die Einhaltung hoher finanzieller, technischer und rechtlicher Anforderungen und bürdet ihnen außerdem die Haftung für Fehleinträge im Register auf. Die aufwendige Verwahrung bei einem Zentralverwahrer, wie Clearstream in Deutschland, ist nicht mehr notwendig – aber weiterhin möglich. Wertpapiere können dann in Tokens verkörpert gekauft und übertragen werden. Der Einsatz sogenannter Smart Contracts ermöglicht außerdem unzählige neue Geschäftsmodelle, da damit Geld- und Wertpapierflüsse unmittelbar programmiert werden können. Aufwendige Prozesse können durch schlanke und wenige Code-Zeilen ersetzt werden. Die Blockchain-Technologie hat damit das Potenzial, die Digitalisierung im Finanzsektor ganz massiv voranzutreiben. 

Das geplante Gesetz stößt überwiegend auf große Zustimmung. Der Gesetzgeber greift damit die vielfachen Wünsche aus dem Finanzsektor auf, die Blockchain-Technologie weiter zu regulieren, um ihren Einsatz auch abseits der bisherigen Anwendung vor allem in Start-ups auch der breiteren Masse an Unternehmen zugänglich zu machen. Der Gesetzesentwurf fügt sich zudem in die digitale Finanzstrategie der Europäischen Kommission ein, in deren Rahmen im September 2020 der Verordnungsentwurf zur Regelung von Kryptowerten (MiCA) vorgelegt wurde.


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Autoren

Foto vonMarkus Kaulartz
Dr. Markus Kaulartz
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München
Jörg Baumgartner