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Update Commercial 10/2020

Oktober 2020

Auch in der Oktober-Ausgabe unseres Updates Commercial haben wir wieder interessante aktuelle Urteile und Aktivitäten des Gesetzgebers für Sie zusammengestellt. 

Neben mehreren vertriebsrechtlichen Themen – insbesondere zu Fragen der Beendigung der Geschäftsbeziehungen mit Vertrags- und Eigenhändlern – liegt ein weiterer Schwerpunkt auf der Vertragsgestaltung: Der BGH hat AGB-Klauseln, die bei Zahlungsverzug pauschal überhöhte Inkassokosten vorsehen, für unwirksam befunden und ein erstes Gericht hat sich mit der Frage befasst, welche Anforderungen vertragliche Geheimhaltungsklauseln nach Einführung des neuen Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen erfüllen müssen. Zudem geben wir einen Ausblick auf geplante Änderungen im Produktsicherheitsgesetz. 

Inhalt

Im Folgenden finden Sie die Themen des Newsletters.

Aktuelle Rechtsprechung

Gesetzgebung und Trends

Bei Interesse können Sie das Update Commercial hier abonnieren.


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Aktuelle Rechtsprechung

Nur zeitanteiliger Wertersatz beim Widerruf von Dienstleistungsverträgen auch nach Erbringung erster Leistungen 

(EuGH, Urteil v. 8. Oktober 2020 – C-641/19)

  • Der EuGH hat entschieden, dass Verbraucher, die einen Dienstleistungsvertrag widerrufen, nachdem der Unternehmer (mit ihrer Zustimmung) bereits erste Teilleistungen erbracht hat, unabhängig vom Umfang dieser Leistungen grundsätzlich nur einen zeitanteiligen Wertersatz zahlen müssen, wenn nicht die bereits erbrachten Teilleistungen im Vertrag gesondert bepreist wurden.  
  • Die europäische Verbraucherrechte-Richtlinie sieht vor, dass Verbraucher im Falle des Widerrufs eines Dienstleistungsvertrages – wenn sie vom Unternehmer den Beginn der Vertragsausführung vor Ablauf der Widerrufsfrist verlangt haben – dem Unternehmer als Wertersatz einen Betrag zahlen müssen, der verhältnismäßig den vor dem Widerruf erbrachten Leistungen (im Vergleich zum gesamten vereinbarten Leistungsumfang) entspricht, wobei dieser anteilige Betrag auf Grundlage des vereinbarten Gesamtpreises berechnet werden soll. 
  • Bislang war allerdings unklar, wie dieser Betrag zu berechnen ist, wenn der Vertrag einen Gesamtpreis für einen bestimmten Zeitraum vorsieht, ganz wesentliche Teile der Leistung aber bereits zu Anfang der Vertragslaufzeit (d. h. vor einem möglichen Widerruf) erbracht werden – so z. B. im Falle eines Partnervermittlungsportals, das mit einer Kundin einen Vertrag über eine zwölfmonatige Mitgliedschaft abgeschlossen hatte. Hierin enthalten waren u. a. auch die Erstellung eines Persönlichkeitstests zu Beginn des Vertrages sowie die Übermittlung erster Partnervorschläge unmittelbar nach Abschluss dieses Tests. Die Kundin wurde über ihr Widerrufsrecht belehrt und bestätigte der Betreiberin, dass diese vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der vertraglichen Leistung beginnen sollte, was auch erfolgte. Vier Tage nach Vertragsschluss erklärte die Kundin den Widerruf des Vertrages. Daraufhin stellte ihr die Betreiberin knapp 75 % des vereinbarten Jahresbetrages als Wertersatz in Rechnung.
  • Der EuGH entschied in diesem Zusammenhang, dass der vom Verbraucher zu zahlende anteilige Betrag grundsätzlich unter Berücksichtigung aller Leistungen, die Gegenstand des Vertrags sind (d. h. sowohl Haupt- als auch Nebenleistungen), zu berechnen sei. Es müsse daher grundsätzlich auf den im Vertrag vereinbarten Gesamtpreis der Leistungen abgestellt und der geschuldete Betrag müsse rein zeitanteilig berechnet werden. 
  • Nur wenn der Vertrag ausdrücklich vorsehe, dass eine oder mehrere der Leistungen gleich zu Beginn der Vertragsausführung vollständig und gesondert zu einem getrennt zu zahlenden Preis erbracht werden sollen, könne bei der Berechnung des dem Unternehmer zustehenden Wertersatzes der volle für eine solche Leistung vorgesehene Preis berücksichtigt werden. Denn nur in einem solchen Fall könne der Verbraucher sachgerecht entscheiden, ob der Unternehmer bereits während der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung beginnen soll.  

Praxistipp: Unternehmer, die Dienstleistungsverträge mit Verbrauchern abschließen (hierunter können nach deutschem Recht nicht nur Dienst-, sondern auch Werkverträge fallen), sollten, wenn sie regelmäßig signifikante Leistungen schon vor Ablauf der gesetzlichen Widerrufsfrist erbringen, bei der Preisgestaltung darauf achten, die Kosten für diese Teilleistungen separat auszuweisen. Wird nur ein Gesamtpreis für eine bestimmte Laufzeit angegeben, besteht die Gefahr, dass die Kunden im Falle des Widerrufs – obwohl sie unter Umständen bereits in den Genuss einer erheblichen Teilleistung gekommen sind – nur einen geringen Anteil des vereinbarten Gesamtpreises als Wertersatz zahlen müssen. 

In diesem Zusammenhang sollten sich Unternehmer außerdem auf eine Gesetzesänderung einstellen: Eine kürzlich erfolgte Änderung der Verbraucherrechte-Richtlinie im Rahmen des europäischen „New Deal for Consumers“, die bis 2021 in nationales Recht umzusetzen ist (siehe dazu unseren Beitrag im Update Commercial 02/2020), sieht vor, dass Unternehmer, wenn sie mit der Ausführung der Dienstleistung bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnen möchten, künftig nicht mehr nur den ausdrücklichen dahingehenden Wunsch des Verbrauchers dokumentieren müssen, sondern von ihren Kunden auch eine ausdrückliche Bestätigung einholen müssen, dass diese zur Kenntnis genommen haben, dass sie ihr Widerrufsrecht mit vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verlieren.

Über weitere im kommenden Jahr anstehende Neuerungen im B2C-Bereich informieren wir auch in unserer laufenden Blogserie Verbraucherverträge im Digitalzeitalter

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Rücktritt vom Kaufvertrag nach erfolgloser Fristsetzung ohne zweite Möglichkeit der Mängelbeseitigung zulässig

(BGH, Urteil v. 26. August 2020 – VIII ZR 351/19)

  • Setzt der Käufer einer mangelhaften Sache dem Verkäufer eine Frist zur Nacherfüllung, muss der Verkäufer nach einer aktuellen Entscheidung des BGH innerhalb dieser Frist nicht nur die zur Nacherfüllung erforderliche Leistungshandlung vornehmen, sondern es muss rechtzeitig vor Fristablauf auch der Leistungserfolg eintreten. 
  • Dies folge bereits aus dem Sinn und Zweck der Nacherfüllung, dem Käufer im Wege der Nachbesserung oder der Ersatzlieferung eine mangelfreie Kaufsache zu verschaffen, sowie dem Grundsatz, dass der Verkäufer innerhalb einer vom Käufer zu setzenden angemessenen Frist die Möglichkeit der Beseitigung des Mangels erhalten soll, bevor der Käufer vom Kaufvertrag zurücktreten, den Kaufpreis mindern oder Schaden- oder Aufwendungsersatz verlangen kann. 
  • Die Nacherfüllungsfrist müsse dabei vom Käufer allerdings auch so bemessen werden, dass der Verkäufer bei ordnungsgemäßem Vorgehen vor Fristablauf voraussichtlich nicht nur die Leistungshandlung erbringen, sondern auch den Leistungserfolg herbeiführen könne.
  • Gleichzeitig stellte der BGH klar, dass ein Käufer, der dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat, nach Fristablauf grundsätzlich nicht mehr gehalten ist, dem Verkäufer eine zweite Gelegenheit zur Nachbesserung einzuräumen, bevor er den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Damit verwarf der BGH eine anderslautende Entscheidung des OLG Frankfurt, das angenommen hatte, dass der Rücktritt auch nach einer erfolglosen Fristsetzung erst dann möglich sein soll, wenn zwei Nachbesserungsversuche des Verkäufers nicht zur Beseitigung des Mangels geführt haben. 

Praxistipp: Die Klarstellung durch den BGH, dass Käufer einer mangelhaften Sache dem Verkäufer nach Ablauf einer (angemessenen) Frist zur Nacherfüllung keine weitere Möglichkeit zur Beseitigung des Mangels einräumen müssen, ist zu begrüßen, da anderenfalls – wie in der Entscheidung ausführlich dargestellt wird – der Grundsatz, dass dem Verkäufer zunächst eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt werden muss, obsolet werden würde. Und auch im Hinblick auf den Zweck der Nacherfüllungsfrist schafft das Urteil Rechtsklarheit: Verkäufer müssen sich darauf einstellen, dass der Käufer vom Vertrag zurücktreten, den Kaufpreis mindern oder – wenn der Verkäufer den Mangel zu vertreten hat – Schadenersatz statt der Leistung fordern kann, sofern ein Mangel innerhalb der gesetzten Frist nicht vollständig behoben wird. Zu kurze Fristen müssen sie aber nicht gegen sich gelten lassen. Bemisst der Käufer die Frist so knapp, dass eine Beseitigung des Mangels in dieser Zeit vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, gilt nicht die zu kurze Frist, sondern es wird automatisch eine angemessene Frist in Gang gesetzt (deren Länge im Streitfall in einem späteren Prozess durch ein Gericht festzustellen ist).

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Schadenspauschalen in AGB dürfen keine nicht ersatzfähigen Kosten einschließen

(BGH, Urteil v. 10. Juni 2020 – VIII ZR 289/19)

  • Der BGH hat eine Schadenspauschale für den Fall des Zahlungsverzugs des Kunden in den AGB eines Energieversorgers für unwirksam erklärt, da nicht hinreichend deutlich wurde, ob die Pauschale auch nicht ersatzfähige interne Kosten für die Schadensermittlung und die außergerichtliche Schadensabwicklung enthalten soll.  
  • Die streitgegenständliche Klausel, die bei Zahlungsverzug je Vorgang „Inkassokosten“ i. H. v. EUR 34,15 vorsah, sei nach der im Rahmen der AGB-rechtlichen Prüfung gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung so zu verstehen, dass sie nicht nur – grundsätzlich erstattungsfähige – Kosten der Einschaltung eines Inkassounternehmens, sondern auch interne Kosten der außergerichtlichen Abwicklung eines Schadenersatzanspruches (wie Arbeits- und Zeitaufwand) erfasse. Derartige Kosten seien jedoch nur in Ausnahmefällen ersatzfähig (unabhängig davon, ob die entsprechenden Tätigkeiten vom Geschädigten selbst oder durch Einschaltung eines Dritten ausgeführt werden).
  • Die Pauschale sei daher generell überhöht und die Klausel aus diesem Grund insgesamt unwirksam.  

Praxistipp: Schadenersatz- oder Wertersatzpauschalen können nach deutschem Recht in AGB nur wirksam vereinbart werden, wenn zum einen die Pauschale der Höhe nach den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung nicht übersteigt und zum anderen die Regelung dem Vertragspartner ausdrücklich den Nachweis gestattet, dass im konkreten Fall gar kein oder nur ein wesentlich geringerer Schaden (bzw. keine oder nur eine geringere Wertminderung) eingetreten ist. Diese gesetzliche Vorgabe gilt zwar unmittelbar nur für Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern, sie wird von den Gerichten aber regelmäßig auch auf Verträge zwischen Unternehmern angewendet. Bei der Verwendung entsprechender Klauseln in Standardverträgen sollte daher darauf geachtet werden, dass sich die vorgesehenen Beträge an den in den jeweils geregelten Situationen durchschnittlich eintretenden Schäden orientieren und nur solche Positionen einschließen, die nach den allgemeinen Grundsätzen des Schadensrechts auch ersatzfähig sind.  

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Kein Weiterbelieferungsanspruch eines (Eigen-)Händlers nach angemessener Vorankündigung der Belieferungseinstellung

(OLG Hamm, Urteil v. 14. Mai 2020 – 18 U 93/19)

  • Das OLG Hamm hatte über eine Schadenersatzforderung eines Händlers zu entscheiden, der über einen Zeitraum von 14 Jahren Produkte eines Herstellers vertrieben hatte. Der Hersteller hatte dem Händler Anfang 2017 mitgeteilt, die Verkäufe an ihn einstellen zu wollen, und dies Anfang 2018 auch getan, woraufhin der Händler Schadenersatz aufgrund einer ungerechtfertigten Belieferungseinstellung verlangte.   
  • Das OLG lehnte dies jedoch ab. Da es dem Händler nicht gelungen sei, zu belegen, dass zwischen ihm und dem Hersteller überhaupt ein Vertragshändlervertrag bestanden habe (da er weder die Existenz einer Vertriebspflicht noch die eines Weisungsrechts des Herstellers habe nachweisen können), ging das Gericht davon aus, dass zwischen den Parteien lediglich ein „Dauerschuldverhältnis in Gestalt einer laufenden Geschäftsverbindung“ etabliert worden sei. 
  • Ein solches Rechtsverhältnis könne als „geschäftlicher Kontakt“ und damit als „gesetzliches Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht“ aufgefasst werden, das allerdings gleichwohl eine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der anderen Person begründe. Bei einer Belieferungseinstellung sei daher grundsätzlich eine (ggf. Schadenersatzansprüche auslösende) Pflichtverletzung denkbar, wenn bei einer Beendigung der Verkäufe die Interessen des Käufers nicht ausreichend berücksichtigt würden. 
  • Der aus einer solchen laufenden Geschäftsverbindung Verpflichtete handele allerdings jedenfalls dann nicht pflichtwidrig, wenn er die Belieferung bzw. die Verkäufe erst einstelle, nachdem er seinem Geschäftspartner die Beendigung klar avisiert habe, und seither die für eine Kündigung im eigentlichen Sinn einzuhaltenden Fristen abgelaufen seien. Dies sei im zu entscheidenden Fall erfüllt gewesen, da der Hersteller die Geschäftsverbindung zum Händler vom Zeitpunkt der Erklärung der (geplanten) Beendigung an nicht über mehr als sechs Monate hinaus habe aufrechterhalten müssen. Tatsächlich hatte der Hersteller im zu entscheidenden Fall die Belieferungseinstellung aber gut ein Jahr im Voraus angekündigt.  

Praxistipp: Die Frage, inwieweit Geschäftspartner, die über einen längeren Zeitraum in einer regelmäßigen Lieferbeziehung stehen, ohne dass zwischen ihnen ein Rahmenvertrag mit festen Laufzeiten besteht, in dem konkrete Liefer- und Abnahmepflichten geregelt sind, zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet sind, wird von der Rechtsprechung – trotz hoher praktischer Relevanz – nur selten behandelt. Die Entscheidung des OLG Hamm stellt klar, dass auch dann, wenn kein ausdrücklich oder konkludent geschlossener Vertrag zwischen den Geschäftspartnern besteht, eine länger gewachsene Geschäftsbeziehung nicht ohne weiteres ohne Vorankündigung beendet werden kann. Im Hinblick auf die hierfür erforderlichen Vorlaufzeiten empfiehlt sich grundsätzlich – vorbehaltlich besonderer Umstände im Einzelfall – eine Orientierung an den gesetzlichen Kündigungsfristen für vergleichbare Dauerschuldverhältnisse. Bei Geschäftsbeziehungen, die länger als fünf Jahre andauerten, sind dies regelmäßig mindestens sechs Monate. Offen bleibt allerdings die Frage, ob dann, wenn der Vertragspartner aufgrund von branchentypischen Besonderheiten oder aus anderen Gründen absehbar einen längeren Zeitraum benötigt, um einen Ersatzlieferanten oder einen anderen Abnehmer zu finden, dies durch eine längere Ankündigungsfrist berücksichtigt werden muss. Umgekehrt dürften deutlich kürzere Fristen zu beachten sein, wenn z. B. die Parteien jährliche Konditionenvereinbarungen treffen und sich nach Auslaufen einer Vereinbarung nicht auf neue Preise einigen können. 

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Darlegungslast des Prinzipals bei Rückforderung von Provisionen

(OLG Dresden, Beschluss v. 2. März 2020 – 4 U 2314/19)

  • Führt ein Prinzipal für seine Handelsvertreter kontokorrentmäßig ein Provisionskonto, muss er, wenn er vorschüssig zu viel gezahlte Provisionen zurückfordern möchte, die der Saldenberechnung zugrunde liegenden gegenseitigen Ansprüche und Leistungen so substantiiert darlegen, dass sie rechtlich und rechnerisch umfassend überprüft werden können. Dies erfordert zumindest eine übersichtliche Abrechnung, deren Buchungstechnik erläutert wird, wie aus einem Hinweisbeschluss des OLG Dresden hervorgeht.
  • Danach muss der Unternehmer, wenn er wegen stornierter Verträge Provisionen bzw. Vorschüsse zurückverlangt, für jeden Einzelfall die Gründe der Vertragsbeendigung, den Zeitpunkt und die Art der Mahnung sowie der Unterrichtung des Vertreters über die Stornogefahr darlegen und die Höhe der zurückzuzahlenden Abschlussprovisionen errechnen. 
  • Dabei wies das Gericht auch noch einmal darauf hin, dass auch eine jahrelange widerspruchslose Hinnahme von Provisionsabrechnungen durch den Vertreter nicht ausreicht, um ein Saldoanerkenntnis von seiner Seite anzunehmen. Aus einem untätigen Verhalten des Handelsvertreters könne im Allgemeinen nicht auf ein Einverständnis in Bezug auf die Provisionsabrechnungen und damit das Anerkenntnis, keine weiteren Ansprüche zu haben, geschlossen werden. Für eine Einigung über die Abrechnung zwischen Unternehmer und Handelsvertreter bedürfe es regelmäßig vielmehr einer eindeutigen Willenserklärung des Handelsvertreters.  

Praxistipp: Das OLG Dresden bestätigt in dem Beschluss die auch früher schon von der obergerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen, die Unternehmer erfüllen müssen, wenn sie überschüssig an einen Handelsvertreter gezahlte Provisionen zurückerhalten wollen. Es empfiehlt sich daher, bei der Buchhaltung von Anfang an darauf zu achten, dass alle hier geforderten Informationen nachgehalten werden, um im Streitfall nicht „aus Mangel an Beweisen“ auf an sich berechtigten Rückforderungen sitzen zu bleiben. 

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Catch-all-Klauseln nicht ausreichend zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen

(LAG Düsseldorf, Urteil v. 3. Juni 2020 – 12 SaGa 4/20)

  • Nach dem 2019 in Kraft getretenen Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG, siehe dazu auch unseren Beitrag im Update Commercial 06/2019) müssen Informationen, die von ihrem Inhaber als geheimhaltungsbedürftig angesehen werden, durch „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ geschützt werden, wenn sie als Geschäftsgeheimnisse auch gesetzlichen Schutz genießen sollen. Eine wichtige Rolle können dabei vertragliche Geheimhaltungsverpflichtungen spielen. 
  • Das LAG Düsseldorf hat hierzu nun als erstes Gericht klargestellt, dass allgemein gehaltene Klauseln, die pauschal alle Angelegenheiten und Vorgänge für geheimhaltungsbedürftig erklären, die im Rahmen einer bestimmten Tätigkeit bekannt werden (sog. Catch-all-Klauseln), keine angemessene Geheimhaltungsmaßnahme i. S. d. GeschGehG darstellen. 
  • Eine vertragliche Verpflichtung zur Rückgabe von Unterlagen nach Vertragsbeendigung, die mit konkreten Beispielen unterfüttert war, sah das LAG Düsseldorf dagegen zunächst als hinreichend präzise an. Allerdings ließ das Gericht auch hier die rein vertragliche Verpflichtung zur Rückgabe nicht als „angemessene Geheimhaltungsmaßnahme“ ausreichen: Weil der Inhaber nach Beendigung des Vertrags die Rückgabe der (ihm bekannten) Unterlagen nicht aktiv eingefordert hatte, habe er kein wirkliches Geheimhaltungsinteresse gezeigt und keine angemessenen Schutzmaßnahmen getroffen. 
  • Etwas anderes könne nur in Bezug auf unbekannte Unterlagen (wie z. B. private Aufzeichnungen des Vertragspartners) gelten: Diesbezüglich könnten vom rechtmäßigen Inhaber der Informationen keine weiteren Geheimhaltungsmaßnahmen verlangt werden, die über die vertragliche Rückgabepflicht hinausgehen. Insbesondere sei der Arbeitgeber nicht verpflichtet, ohne Anhalt ein Vollständigkeitsverzeichnis der zurückgegebenen Unterlagen zu verlangen.  

Praxistipp: Die Entscheidung zeigt, wie wichtig eine sorgfältige Vertragsgestaltung für effektiven Geheimnisschutz ist. Sie bezieht sich zwar auf arbeitsvertragliche Geheimhaltungspflichten, die Argumentation des LAG Düsseldorf kann aber ohne weiteres auf andere Vertragstypen übertragen werden. Soll ein Geschäftspartner vertraglich zur Geheimhaltung bestimmter Informationen verpflichtet werden, sollten die geheimhaltungsbedürftigen Informationen im Vertrag so genau wie möglich bezeichnet und nach Möglichkeit auch durch weitere Maßnahmen (wie z. B. die explizite Kennzeichnung als vertraulich, die Einrichtung von Zugangsbeschränkungen o. Ä.) geschützt werden. Zudem empfiehlt sich die Aufnahme einer möglichst konkreten Verpflichtung zur Rückgabe vertraulicher Unterlagen oder anderer Gegenstände nach Vertragsende. Bei alledem ist aber darauf zu achten, dass die vertraglichen Regelungen auch gelebt werden: Die beste Klausel hilft für den Geheimnisschutz nicht, wenn deutlich wird, dass der Informationsinhaber nicht auf ihrer Einhaltung besteht. 

Einen Überblick über die Entscheidung und ihre Auswirkungen für Unternehmer bietet auch unser Blogbeitrag Catch-all = Lose-all – eine (neue) Gefahr für Geschäftsgeheimnisse.

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OLG Düsseldorf zur kartellrechtlichen Zulässigkeit der Kündigung eines Händlervertrages

(OLG Düsseldorf, Urteil v. 5. August 2020 – VI-U (Kart) 10/20) 

Einem Motorrad-Händler war vom Hersteller der von ihm vertriebenen Motorräder ordentlich unter Wahrung der sechsmonatigen Kündigungsfrist gekündigt worden. Dagegen wandte sich der Händler im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes und machte geltend, die Kündigung sei aus kartellrechtlichen Gründen unwirksam. Das Landgericht hatte dem Verfügungsantrag insoweit stattgegeben, als dem Händler eine zusätzliche sechsmonatige Übergangsfrist eingeräumt wurde. Gegen dieses Urteil legten beide Parteien Berufung ein, worauf das OLG Düsseldorf dem Lieferanten Recht gab und die vertragliche Kündigungsfrist sowohl nach AGB-Recht als auch nach Kartellrecht als zulässig beurteilte. Wesentliche Aussagen der Entscheidungsgründe sind: 

  • Die für den einstweiligen Rechtsschutz erforderliche Dringlichkeit ist grundsätzlich zu verneinen, wenn die antragstellende Partei mehr als vier Wochen mit der Rechtverfolgung zuwartet. 
  • Ebenso ist es dringlichkeitsschädlich, wenn der Antragsteller das von ihm eingeleitete Gerichtsverfahren nicht zügig, sondern schleppend betreibt. 
  • Unschädlich für die Dringlichkeit ist es aber, wenn die Partei infolge bloßer Fahrlässigkeit keine Kenntnis von dem relevanten Sachverhalt besitzt und aus diesem Grund einen Eilrechtsschutz nicht zeitnah beantragt.
  • Die Abhängigkeitsvermutung des § 20 Abs. 1 Satz 2 GWB erfasst nur die Abhängigkeit einzelner Anbieter von marktstarken Nachfragern und findet auf einen marktstarken Anbieter auch nicht analog Anwendung. 
  • Die Annahme einer unternehmensbedingten Abhängigkeit mag bei Vertragshändlern häufig gegeben sein, bedarf aber gleichwohl konkreter Feststellungen im Einzelfall. Sie ist grundsätzlich (nur dann) zu bejahen, wenn der Vertragshändler seinen kompletten Geschäftsbetrieb auf einen Hersteller ausgerichtet hat und ihm auch bei gehörigen Anstrengungen ein Wechsel zu einem anderen Hersteller tatsächlich nicht möglich ist. 
  • Besteht eine unternehmensbedingte Abhängigkeit, darf der Hersteller die Geschäftsbeziehung zum Vertragshändler nur unter Einhaltung einer ausreichenden und angemessenen Kündigungsfrist beenden, die die beiderseitigen Interessen der Parteien wahrt und den Vertragshändler in die Lage versetzt, mit den gebotenen Anstrengungen eine Lieferbeziehung zu einem anderen Hersteller aufzubauen oder seinen Geschäftsbetrieb in anderer Weise wettbewerbsfähig umzugestalten. 
  • Eine kartellrechtswidrig zu kurz bemessene Kündigungsfrist in einem Händlervertrag kann richterlich nach den Grundsätzen der geltungserhaltenden Reduktion durch die kartellrechtlich geforderte längere Kündigungsfrist ersetzt werden. 

Praxistipp: Das Urteil des OLG Düsseldorf zeigt die Schwierigkeit auf, die Kündigung eines ordentlichen Händlervertrages mit kartellrechtlichen Mitteln zu Fall zu bringen. Um effektiven Rechtsschutz zu erhalten, muss der Händler in der Regel eine einstweilige Verfügung erwirken. Diesen Weg kann er sich dadurch verbauen, dass er zu lange zuwartet und zu viel Zeit mit der Vorbereitung verliert (von der Klärung und rechtlichen Prüfung des Sachverhalts bis hin zu der Entscheidung, gerichtlich vorzugehen).

Materiellrechtlich werden zuweilen die hohen Anforderungen verkannt, die an die sog. Normadressateneigenschaft zu stellen sind, dass also der Hersteller entweder marktbeherrschend ist oder ein Fall der relativen Marktstärke vorliegt, insbesondere in der Variante der unternehmensbedingten Abhängigkeit. Dazu bedarf es einer eingehenden Analyse des Marktes und der geschäftlichen Verhältnisse, allgemeine Darstellungen genügen nicht. Nicht ausreichend für eine unternehmensbedingte Abhängigkeit war für das OLG Düsseldorf hier selbst die Behauptung des Händlers, 70 % seines Umsatzes mit den Produkten des bisherigen Herstellers zu erzielen; denn das erkläre noch nicht, warum ihm ein Wechsel zu einem anderen Motorrad-Hersteller unmöglich oder unzumutbar sein soll. 

Schließlich ist zu beachten, dass es kartellrechtlich jedenfalls grundsätzlich keinen „ewigen Kündigungsschutz“ gibt. Vielmehr ist dann, wenn der Beklagte Normadressat des § 20 GWB ist, zu prüfen, welche Zeit der Händler für einen Herstellerwechsel oder für eine Umstellung seines Geschäftsbetriebs benötigt. Im vorliegenden Fall hat das OLG Düsseldorf hierfür die ordentliche Kündigungsfrist von sechs Monaten als auskömmlich beurteilt, während das Landgericht meinte, es müssten sechs Monate hinzukommen. Hierbei kommt es u. a. auf getätigte Investitionen des Vertragshändlers an, während die bloße Gefahr des Überlaufens der Kundschaft keine längere Kündigungsfrist rechtfertigt.

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Gesetzgebung und Trends

Änderung des Produktsicherheitsgesetzes in Planung

(Referentenentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Anpassung des Produktsicherheitsgesetzes und zur Neuordnung des Rechts der überwachungsbedürftigen Anlagen)

  • Die Bundesregierung hat einen Referentenentwurf veröffentlicht, mit dem das Produktsicherheitsgesetz reformiert und die bisher darin geregelte Materie neu geordnet werden soll. Anlass für die Neuregelung ist die Anpassung der deutschen Regelungen an die europäische Verordnung über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten (VO (EU) 2019/1020), die ab dem 16. Juli 2021 in allen Mitgliedstaaten unmittelbar gilt (siehe dazu unseren Beitrag im Update Commercial 08/2019). 
  • Bislang enthält das historisch gewachsene Produktsicherheitsgesetz nicht nur Anforderungen an die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt und Vorschriften zur Regelung der behördlichen Marktüberwachung, sondern auch Betriebsvorschriften für überwachungsbedürftige Anlagen. Diese verschiedenen Regelungsbereiche sollen durch die Gesetzesänderung entzerrt und so soll mehr Rechtsklarheit geschaffen werden. 
  • Zur Durchführung der EU-Verordnung soll ein eigenes Marktüberwachungsgesetz (MÜG) erlassen werden, das für sämtliche, auch nicht harmonisierte Marktüberwachungsvorschriften gelten soll. Die Vorschriften über überwachungsbedürftige Anlagen sollen nach dem Referentenentwurf künftig ebenfalls in einem eigenständigen „Überwachungsbedürftige-Anlagen-Gesetz (ÜAnlG)“ geregelt und in diesem Zusammenhang überarbeitet und modernisiert werden.
  • Das Produktsicherheitsgesetz soll so zu einem reinen Gesetz über öffentlich-rechtliche Produktsicherheitsanforderungen werden. Neu in den Entwurf aufgenommen wurde eine Ermächtigung zum Erlass von Verbotsverordnungen für das Inverkehrbringen bestimmter Produkte. Dadurch soll die Möglichkeit geschaffen werden, künftig die Vermarktung bestimmter Produkte bundeseinheitlich zu verbieten oder zu beschränken. Dies soll eine aktuell bestehende Rechtslücke schließen, da das Produktsicherheitsgesetz bislang nur (positiv) die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt regelt, nicht aber (negativ) Vermarktungsverbote. 

Praxistipp: Die Neuregelung des Produktsicherheitsgesetzes soll – nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens – zeitgleich mit dem Geltungsbeginn der EU-Verordnung zur Produktkonformität und Marktüberwachung am 16. Juli 2021 in Kraft treten. Wesentliche praktische Auswirkungen für Hersteller und Händler sind durch die Gesetzesänderung zunächst nicht zu erwarten. Wird die neue Möglichkeit, Verbotsverordnungen für das Inverkehrbringen bestimmter Produkte zu erlassen, wie in dem Entwurf vorgesehen, beschlossen, können sich allerdings künftig allgemeine Vertriebsverbote oder -beschränkungen für bestimmte Produkte oder Produktgruppen aus derartigen Verordnungen ergeben.   

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„Gesetz gegen Retourenvernichtung“ schafft erweiterte Produktverantwortung für Hersteller und Händler

(Gesetz zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie der Europäischen Union vom 23. Oktober 2020

  • Am 29. Oktober 2020 ist das „Gesetz zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie der Europäischen Union“ in Kraft getreten, mit dem neben zahlreichen weiteren Änderungen auch eine – nicht durch die Abfallrahmenrichtlinie vorgegebene – erweiterte Produktverantwortung von Herstellern und Händlern für die von ihnen vertriebenen Waren etabliert wird (wir berichteten im Update Commercial 04/2020 über den Gesetzesentwurf).  
  • Das bereits bestehende System der abfallrechtlichen Produktverantwortung wird durch das Gesetz um eine neue, sog. „Obhutspflicht“ erweitert, die Hersteller und Händler verpflichtet, bei der Herstellung und dem Vertrieb ihrer Waren auf allen Stufen dafür zu sorgen, dass die Gebrauchstauglichkeit der Waren erhalten bleibt und sie nicht zu Abfall werden. Dies gilt nach der Neuregelung ausdrücklich auch im Zusammenhang mit der Rückgabe bzw. Rücknahme von Waren, was dem Staat nach dem Willen des Gesetzgebers erstmals ermöglichen soll, gegen die Vernichtung von Neuware oder Retouren vorzugehen. 
  • Konkretere Verpflichtungen enthält das Gesetz selbst nicht. Es sieht jedoch vor, dass spezifische Maßnahmen für bestimmte Waren durch Rechtsverordnungen bestimmt werden sollen. Genannt werden hier z. B. konkrete Maßnahmen zur Erhaltung der Gebrauchstauglichkeit der Waren sowie Berichtspflichten von Herstellern und Händlern bezüglich der Verwendung der von ihnen vertriebenen Erzeugnisse. Das Bundesumweltministerium hat angekündigt, hierzu nach Inkrafttreten des Gesetzes eine „Transparenzverordnung“ erlassen zu wollen, Details dazu sind noch nicht bekannt. 

Praxistipp: Da die erweiterte Produktverantwortung von ihrem Grundsatz her zunächst alle Arten von Produkten betrifft und auf allen Stufen im Zusammenhang mit der Herstellung und dem Vertrieb der Produkte gilt, empfiehlt es sich sowohl für Hersteller als auch für Händler, die weiteren Entwicklungen in diesem Bereich im Auge zu behalten, um im Bedarfsfall auf spezifische Anforderungen für bestimmte Produktgruppen rechtzeitig reagieren zu können. Generell ist in Zukunft wohl verstärkt mit produktbezogenen gesetzlichen Vorgaben im Hinblick auf das Thema „Nachhaltigkeit“ zu rechnen. So hat beispielsweise die Europäische Kommission kürzlich ihre Initiative für nachhaltige Produkte vorgestellt, in deren Rahmen bis voraussichtlich Ende 2021 die Ökodesign-Richtlinie überarbeitet werden soll und ggf. zusätzliche Maßnahmen getroffen werden sollen, um in der EU in den Verkehr gebrachte Produkte nachhaltiger zu machen. Auch in diesem Rahmen können daher künftig erweiterte Pflichten auf Händler und Hersteller zukommen.

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