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Update Dispute Resolution 05/2021

Mai 2021

Seit kurzem ist sicher, dass künftig in dem grenzüberschreitenden Rechtsverkehr zwischen dem Vereinigten Königreich und Deutschland mangels Beitritts des Vereinigten Königreich zum Lugano-Übereinkommen wenig (recht-)sicher ist. Und das Bezirksgericht in Den Haag hat ein weit über die niederländischen Grenzen hinaus viel beachtetes Urteil zum Klimaschutz gefällt, dem weitere Entscheidungen in Sachen "climate change litigation" folgen könnten. Weitere Neuigkeiten und aktuelle Entscheidungen aus der Streitbeilegung erfahren Sie in dieser Ausgabe unseres Updates Dispute Resolution.

Inhalt


Rechtsprechung

Fristberechnung für die Anmeldung zum Klageregister

BGH, Beschluss vom 31.03.2021 – IV AR(VZ) 6/20

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass § 222 Abs. 2 ZPO auf die Frist für die Anmeldung von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen zur Eintragung in das Klageregister (§ 608 Abs. 1 ZPO) Anwendung findet. Die Anmeldefrist ende mit Ablauf des Tages des ersten Termins, wenn der Tag vor dem ersten Termin auf einen allgemeinen Feiertag, einen Sonnabend oder auf einen Sonntag falle. Seine Entscheidung begründet der Bundesgerichtshof mit Wortlaut und Gesetzessystematik des § 222 Abs. 2 ZPO; die Entstehungsgeschichte lasse keinen abweichenden Willen des Gesetzgebers entnehmen. Der Sinn und Zweck der betroffenen Vorschriften stehe dem nicht entgegen und rechtfertige es nicht, § 222 Abs. 2 ZPO entgegen Wortlaut und Systematik nicht auf die in § 608 Abs. 1 ZPO geregelte Frist anzuwenden.

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Schiedseinrede gegen Widerklage

BGH, Urteil vom 20.04.2021 – II ZR 29/19

  1. Eine Einrede einer Schiedsvereinbarung kann auch der Zulässigkeit einer Widerklage entgegenstehen.
  2. Eine Schiedseinrede kann unbeachtlich sein, wenn ein widersprüchliches Verhalten der die Einrede erhebenden Partei vorliegt. Eine Partei verhält sich widersprüchlich, wenn im Schiedsverfahren und im ordentlichen Gerichtsverfahren unterschiedliche Standpunkte zur Schiedsvereinbarung und deren Reichweite eingenommen werden (Anschluss an BGH, Beschluss vom 30. April 2009 - III ZB 91/07, NJW-RR 2009, 1582 Rn. 9; Beschluss vom 19. Mai 2011 - III ZR16/11, NJW 2011, 2976 Rn. 10).
  3. Die Schiedseinrede eines Klägers gegenüber einer von einer Schiedsvereinbarung erfassten Widerklage ist nicht allein deshalb nach § 242 BGB unbeachtlich, weil diese im sachlichen Zusammenhang mit der von der Schiedsvereinbarung nicht erfassten Klage steht. (Amtliche Leitsätze)

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Zwangsvollstreckung: Isolierte Drittauskunft ohne eigenen Antrag

BGH, Beschluss vom 14.01.2021 – I ZB 53/20

Unter Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof erneut entschieden, dass ein Gläubiger, der gemäß § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO den Gerichtsvollzieher beauftragt hat, Auskünfte Dritter über das Vermögen des Schuldners im Sinne des § 802l ZPO einzuholen, nicht selbst gemäß § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO einen eigenen Antrag gestellt haben oder stellen muss, um eine Vermögensauskunft des Schuldners nach § 802c ZPO einzuholen.

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Neuigkeiten

Kein Beitritt des Vereinigten Königreich zum Lugano-Übereinkommen

In einer offiziellen Stellungnahme vom 4. Mai 2021 lehnt die EU-Kommission einen Beitritt des Vereinigten Königreich (UK) zum Lugano-Übereinkommen von 2007 (LugÜ) ab. Die EU-Kommission begründet ihre Entscheidung mit der engen Anbindung des LugÜ an den erweiterten freien Wirtschaftsraum in Europa:

„Das Lugano-Übereinkommen ist ein wesentlicher Bestandteil des gemeinsamen Raums des Rechts und eine flankierende Maßnahme für die Wirtschaftsbeziehungen der EU zu den EFTA/EWR-Staaten. […] Diese Staaten nehmen zumindest teilweise am EU-Binnenmarkt teil, der den freien Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr umfasst. Auf diese Weise unterstützt das Lugano-Übereinkommen die Beziehungen der EU zu Drittstaaten, die im Regelungsbereich besonders eng mit der EU verbunden sind, […]."

Nach Auffassung der EU-Kommission fehlt UK diese besondere Verbindung zum Binnenmarkt. Künftige Grundlagen für die justizielle Zusammenarbeit mit der EU könnten nach Einschätzung der EU-Kommission das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen von 2005 ("HGÜ 2005") sowie das Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in Zivil- und Handelssachen von 2019 sein. Zu Letzterem befürwortet die EU-Kommission den Abschluss durch die EU. Es ist damit zu rechnen, dass sowohl das EU-Parlament als auch der EU-Rat der Einschätzung der EU-Kommission folgen werden.

Sofern in internationalen Verträgen mit Bezug zu UK die Aufnahme einer Gerichtsstandsvereinbarung erwogen wird, empfiehlt es sich daher, die Anforderungen des HGÜ 2005 im Blick zu behalten. Dieses im Verhältnis zwischen EU und UK geltende Übereinkommen verpflichtet die Gerichte auf beiden Seiten des Ärmelkanals dazu, ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen anzuerkennen, und erleichtert die grenzüberschreitende Durchsetzung von Urteilen eines in einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung benannten Gerichts. Eine asymmetrische Gerichtsstandsvereinbarung fällt nach überwiegender Auffassung allerdings nicht in den Schutz des HGÜ 2005.

Als Reaktion auf die Ablehnung des UK-Beitritts plädiert die European Coalition for Corporate Justice öffentlich dafür, UK den Beitritt zum Lugano-Übereinkommen zu gewähren.

Mehr zu der aktuellen Rechtslage in der grenzüberschreitenden Streitbeilegung zwischen Deutschland und UK erfahren Sie in dem Blogbeitrag "Brexit-Krimi in der grenzüberschreitenden Streitbeilegung - Update #1".

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Erfolgreiche Klage für Klimaschutz in den Niederlanden

In einem niederländischen Zivilprozess hat das Bezirksgericht Den Haag den britisch-niederländischen Öl- und Erdgaskonzern Royal Dutch Shell verurteilt, seinen Ausstoß von CO2 bis 2030 um netto 45% im Vergleich zu 2019 zu senken. Geklagt hatten sieben Umweltschutzverbände, denen sich mehr als 17.000 Einzelunterstützer angeschlossen hatten. Erstmalig wurde ein multinationaler Konzern von einem Zivilgericht zu Klimaschutzmaßnahmen verpflichtet. Der Konzern hat angekündigt, Berufung einzulegen.

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Aktuelle Gesetzgebungsverfahren

Lieferkettengesetz

Noch in dieser Legislaturperiode könnte das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten verabschiedet werden, das in Deutschland ansässige Unternehmen verpflichtet, ihre Verantwortung in der Lieferkette in Bezug auf die Achtung international anerkannter Menschenrechte besser nachzukommen. Das Gesetz soll ab dem 1. Januar 2023 gelten.

In dieser Stellungnahme hatte sich die BRAK kritisch zum Regierungsentwurf für ein Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten geäußert, insbesondere zu der geringen Reichweite, den unzureichenden Schutz gerade im neuralgischem Bereich zu Beginn der Lieferkette sowie zu den aus unklaren Abgrenzungen zu bereits bestehenden Schutzrechten resultierenden Rechtsunsicherheiten.

Commercial Courts

Die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Hamburg haben einen erneuten Gesetzesentwurf zur Stärkung der Gerichte in Wirtschaftsstreitigkeiten eingebracht, mit dem englischsprachige Verhandlungen vor den bei Zivilgerichten eingerichteten Kammern für internationale Handelssachen ermöglicht werden sollen. Neu ist, dass erstinstanzlich vor den Oberlandesgerichten in Wirtschaftsstreitigkeiten mit internationalem Bezug und einem Streitwert ab EUR 2 Millionen verhandelt werden kann.

Details zu dem Gesetzesvorhaben werden auf zpoblog.de vorgestellt.

Gerichtsvollzieherschutzgesetz

Bundestag und Bundesrat haben einem Gesetz zugestimmt, das Gerichtsvollzieher besser vor Gewalt schützen soll und die Pfändungsfreigrenzen bei der Zwangsvollstreckung erhöht; das Gesetz tritt überwiegend zum 1. Januar 2022 in Kraft, einige Regelungen jedoch bereits am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt bzw. rückwirkend zum 23. April 2021.

EU-"Justizprogramm"

Das europäische Parlament hat die Verordnung zur Einrichtung des Programms "Justiz" verabschiedet, die die Schwerpunkte der europäischen Justizpolitik für die nächsten Jahre definiert.

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Recently released DR Know-how

The second EFFORTS Newsletter has just been released, giving access to up-to-date information about the EFFORTS Project, save-the-dates on forthcoming events, conferences and webinars, and news from the area of international and comparative civil procedural law.

The joint publication of the Secretariats of UNCITRAL, UNIDROIT and the HCCH Legal Guide to Uniform Instruments in the Area of International Commercial Contracts, with a Focus on Sales has recently been released.

UNCITRAL has published an Initial draft on the regulation of third-party funding for the use of third-party funding in investor-state-dispute-settlement.

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Upcoming Events

Grenzüberschreitender kollektiver Rechtsschutz in der EU

HCCH 1970 Evidence Convention and Remote Taking of Evidence by Video-Link

Virtueller Deutscher Anwaltstag 2021

Stärkung des Streitbeilegungsstandorts Deutschland - Status Quo & Quo Vadis?

6th ICC Asia Conference on International Arbitration

Göttinger Kolloquien zur Digitalisierung des Zivilverfahrensrechts "Digitale Verhandlung"

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Aktivitäten und Neuigkeiten aus dem Geschäftsbereich

  1. Unser Berliner Kollege Henry Stieglmeier hat in der aktuellen Zeitschrift für Schiedsverfahren (SchiedsVZ 2021, 155) einen Aufsatz zur gerichtlichen Durchsetzung vertraglich bindender Entscheidungen Dritter im Urkundenprozess veröffentlicht.
  2. Unser Frankfurter Kollege Max Finkelmeier hat zusammen mit Rolf Leithaus den Blogbeitrag "EuGH: Keine Insolvenzanfechtung nach deutschem Recht bei der Erfüllung eines Vertrags, der ausländischem Recht unterliegt" verfasst.
  3. Unsere Frankfurter Kollegen Tobias Bomsdorf und Benjamin Hermes haben zum Thema "Sachverständigenbeweis im Impfmittelhaftungsprozess" einen Aufsatz in der aktuellen Pharma Recht (PharmR 2021, 173) veröffentlicht.
  4. The CMS Expert Guide to International Arbitration – Asia Pacific Region has been updated including a chapter on Hong Kong by our colleagues Nicolas Wiegand, Mariel Dimsey and Tom C. Pröstler.
  5. Den Blogbeitrag "Brexit-Krimi in der grenzüberschreitenden Streitbeilegung - Update #1" haben Evgenia Peiffer und Constanze Wedding kürzlich aktualisiert.

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In A Nutshell

  1. The US District Court for the District of Columbia granted a request for discovery under 28 U.S.C. § 1782 which permits U.S. courts to grant discovery for use in proceedings before a "foreign or international tribunal"; the D.C. Court pointed out the Circuit split whether parties to private arbitrations are authorised to utilise section 1782 to obtain discovery for use in those proceedings and is yet to weigh on this issue. 
  2. The Secretariats of the Hague Conference on Private International Law (HCCH) and the World Intellectual Property Organization (WIPO), in consultation with a selected number of experts, have developed a Questionnaire to identify actual and practical private international law (PIL) issues in intellectual property (IP) disputes, including establishing a court's jurisdiction, determining and applying the applicable law, recognizing or enforcing foreign IP-related judgments, and where relevant, administrative and judicial cooperation; the questionnaire is open for consultation until 30 June 2021.
  3. 31 more reports have recently been added to the ICCA research project "Does a Right to a Physical Hearing Exist in International Arbitration", covering amongst others Argentina, Ireland, Japan, Singapore, South Korea, Spain and the United Arab Emirates.

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Autoren

Foto vonThomas Lennarz
Dr. Thomas Lennarz
Partner
Stuttgart
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Dr. Nicolas Wiegand
Partner
München
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Constanze Wedding, LL.M. (University of Sydney)