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Europäischer Green Bond Standard oder „Was ist eigentlich grün?“

09/12/2020

Der Markt für Green Bonds boomt. Nachdem im Jahr 2007 die weltweit erste grüne Anleihe von der Europäischen Investitionsbank (EIB) begeben wurde, ist mit der Verabschiedung der Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen und des Pariser Klimaschutzabkommens in den Jahren 2014/2015 die Nachfrage nach Green Bonds enorm angestiegen. Nach Mitteilungen des Green and Sustainable Finance Clusters Germany wurden im Jahr 2019 in Deutschland grüne Anleihen im Wert von fast USD 20 Mrd. emittiert. Damit ist Deutschland (nach Frankreich) der zweitgrößte Markt für grüne Anleihen in Europa. Um den Trend zu nachhaltigen Anlageformen noch weiter voranzutreiben, wurde im Herbst 2020 auch von der Bundesregierung die erste grüne Anleihe im Rahmen ihres Klimaschutzprogramms 2030 emittiert.

Besonderheiten von grünen Anleihen

Wie bei klassischen Anleihen erhält der Investor auch bei Green Bonds einen regelmäßig fest vereinbarten Zins und eine Rückzahlung des investierten Betrags zum Laufzeitende. Besonders gegenüber anderen Anleihen ist vor allem die zweckgebundene Erlösverwendung für grüne Projekte. 

Einen einheitlichen verbindlichen Standard, welche Wirtschaftstätigkeiten „grün“ sind, gibt es bislang noch nicht. Im Markt haben sich bereits einige Standards und Empfehlungen entwickelt, die alle das Ziel verfolgen, ein „Greenwashing“, also die Vermarktung von Anleihen als „grün“, die tatsächlich nicht als solche bezeichnet werden können, und eine zweckwidrige Verwendung der Emissionserlöse zu verhindern. Bisher werden in Europa Green Bonds vor allem auf Grundlage der Green Bonds Principles (GBP) der International Capital Market Association (ICMA) emittiert. Diese etablieren freiwillige Leitlinien für Emittenten von grünen Anleihen. Im Hinblick auf den grünen Verwendungszweck der Emissionserlöse enthalten die GBP aber bewusst keine abschließende Klassifizierung von grünen Wirtschaftstätigkeiten, sondern nur eine exemplarische Aufzählung grüner Projektkategorien, die einen Umweltschutzbezug haben. 

Europäischer Green Bond Standard

An dieser Stelle verfolgt der geplante Europäische Green Bond Standard (EU-GBS) einen anderen Ansatz. Um Anreize für umweltfreundliche Investitionen zu schaffen und Anlegervertrauen zu stärken, arbeitet die von der Europäischen Kommission im Rahmen ihres Aktionsplans zur Finanzierung eines nachhaltigen Wachstums einberufene Technical Expert Group on Sustainable Finance (TEG) an dem EU-GBS als EU-Label für grüne Anleihen. Sie legte Mitte 2019 den Abschlussbericht zum EU-GBS, im März 2020 einen „Usability Guide“ mit einem aktualisierten Green Bond Standard und im Sommer 2020 eine erste Folgenabschätzung des EU-Green Bond Standard (Inception Impact Assessement) vor.

Nach aktuellem Stand soll der EU-GBS im ersten Quartal 2021 veröffentlicht werden – offen ist, ob auf Grundlage einer EU-Verordnung oder einer Empfehlung oder Leitlinie der EU-Kommission. Schon jetzt beeinflusst der geplante EU-GBS die Marktpraxis. So haben schon einige Emittenten darauf Bezug genommen und angekündigt, sich zukünftig daran auszurichten.

Bezugnahme auf EU-Taxonomie-Verordnung

Eine Besonderheit beim geplanten EU-GBS und ein wesentlicher Unterschied zu den bisherigen Marktstandards für Green Bonds ist die Koppelung an die rechtlich verbindliche Taxonomie-Verordnung (VO (EU) 2020/853). In der Taxonomie-Verordnung wird (sukzessive) verbindlich festgelegt, wann eine Wirtschaftstätigkeit nachhaltig ist. Es werden die folgenden sechs Umweltziele als ökologisch nachhaltig definiert:

  • Klimaschutz
  • Anpassung an den Klimawandel
  • Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser und Meeresressourcen
  • Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  • Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
  • Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme

Um als ein grünes Projekt unter dem EU-GBS klassifiziert werden zu können, muss der Erlös der grünen Anleihe zur Finanzierung oder Refinanzierung von Wirtschaftsaktivitäten verwendet werden, die 

  • einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung mindestens eines Umweltziels der Taxonomie-Verordnung leisten,
  • kein anderes Umweltziel erheblich beeinträchtigen,
  • internationale soziale und arbeitsrechtliche Mindeststandards einhalten und
  • die technischen Bewertungskriterien des jeweiligen Umweltziels einhalten.

Weitere wesentliche Merkmale für die Qualifizierung als Green Bond nach dem EU-GBS sind die Erstellung eines Green Bond Framework, in dem dargestellt wird, dass und in welcher Form die Vorgaben des EU-GBS umgesetzt werden, eine regelmäßige jährliche Berichterstattung über die Mittelverwendung sowie eine externe Verifizierung der Einhaltung des EU-GBS im Green Bond Framework sowie der Mittelverwendung. 

EU-GBS offen für Märkte außerhalb Europas

Die TEG schlägt vor, den EU-GBS als freiwilligen Standard zu etablieren, sodass Emittenten auch weiterhin auf andere Standards zurückgreifen können. Die Verwendung des EU-GBS soll auch nicht auf europäische Märkte beschränkt sein, sondern auch für Emittenten aus und Projekte in Drittstaaten möglich sein.

Es sind noch einige Details offen. Derzeit läuft noch die Konsultation der Europäischen Kommission zu den Entwürfen der delegierten Rechtsakte zur Taxonomie-Verordnung. Hierin werden die technischen Bewertungskriterien der beiden ersten Umweltziele (Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel) festgelegt. Vor der Veröffentlichung des EU-GBS werden auch noch die Konsultationen zur „Renewed Strategy on Sustainable Finance“ sowie zum EU-GBS ausgewertet. Spannend ist hier u. a. die Frage, ob die EU die Nutzung des EU-GBS durch öffentliche Garantiesysteme fördern wird. Wir halten Sie über die aktuellen Entwicklungen auf dem Laufenden. Schauen Sie dazu auch immer mal auf unserer Insight-Rubrik Sustainable Finance vorbei.


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Dr. Anna-Maja Schaefer, LL.M.
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