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Update zum GWB-Digitalisierungsgesetz

09/12/2020


Update vom 19.01.2021

Heute sind umfassende Änderungen im deutschen Kartellrecht in Kraft getreten, und zwar mit der 10. Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ("GWB") durch das GWB-Digitalisierungsgesetz. Das GWB-Digitalisierungsgesetz verschärft die Missbrauchsaufsicht im Bereich der digitalen Wirtschaft, entlastet die Unternehmen in der Fusionskontrolle, erleichtert den Kartellbehörden die Kartellrechtsdurchsetzung und setzt gleichzeitig EU-rechtliche Vorgaben um.

Den vollständigen Artikel finden Sie hier.


Nach langem Warten hat die Bundesregierung kürzlich ihren Gesetzesentwurf zur Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vorgelegt. Der Regierungsentwurf wurde bereits in erster Lesung im Bundestag beraten und stand im November auf der Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates. Zum zuvor veröffentlichten Referentenentwurf hatten wir bereits im letzten Jahr berichtet. Mit dem nun vorliegenden Gesetzesentwurf werden die Konturen der geplanten Änderungen deutlicher. Die Bundesregierung reagiert – nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen aus der Corona-Pandemie1 – darauf, dass sich Geschäftsmodelle, Märkte und wirtschaftliche Machtverhältnisse durch die Digitalisierung immer schneller verändern. Auch die Kartellverfolgung soll erleichtert und gleichzeitig sollen EU-rechtliche Vorgaben2 umgesetzt werden.

Verschärfung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht

Die kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht soll künftig gezielt auch digitale Märkte und Plattformen in den Blick nehmen. Die Gesetzesnovelle sieht dazu ein Bündel an Maßnahmen vor:

  • Bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens sollen dessen Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten und die Bedeutung der von ihm erbrachten Vermittlungsdienstleistungen für den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten, die sogenannte Intermediationsmacht, berücksichtigt werden.
  • Marktbeherrschenden Unternehmen soll die missbräuchliche Verweigerung des Zugangs zu Daten verboten werden.
  • Der Schutzbereich des Behinderungsverbots soll auch für große Unternehmen gegenüber Unternehmen mit relativer oder überlegener Marktmacht gelten.
  • Ein kartellrechtlicher Datenzugangsanspruch soll etabliert werden.
  • Der Gefahr des „Tippings“, also der Behinderung von Wettbewerbern bei der Erzielung von positiven Wettbewerbseffekten durch ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht, soll begegnet werden.

Der Gesetzesentwurf schafft außerdem einen neuen Eingriffstatbestand für Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb. Um solche Unternehmen künftig besser zu kontrollieren, sieht der Gesetzesentwurf ein zweistufiges Verfahren vor. Zunächst kann das Bundeskartellamt mittels Verfügung feststellen, dass Unternehmen – gemeint sind vor allem die großen Digitalkonzerne – eine solche überragende marktübergreifende Bedeutung zukommt. Im Anschluss kann diesen Unternehmen untersagt werden,

  • sich im Vergleich zu Wettbewerbern ohne sachlichen Grund selbst zu bevorzugen,
  • Wettbewerber auf einem Markt unbillig zu behindern, auf dem diese Unternehmen ihre Stellung schnell ausbauen können,
  • durch die Nutzung von Daten oder die Erschwerung von Interoperabilität oder Portabilität von Daten andere Unternehmen zu behindern sowie
  • dadurch Vorteile zu erlangen, dass sie ohne sachlichen Grund andere Unternehmen unzureichend über ihre Leistungen informieren.

Unternehmen mit marktübergreifender Bedeutung können sich damit verteidigen, dass die jeweilige Verhaltensweise sachlich gerechtfertigt ist; die Darlegungs- und Beweislast hierfür liegt regelmäßig bei dem betreffenden Unternehmen.

Beschleunigung und Erleichterung des Verwaltungsverfahrens

Um Rechtsverstößen in dynamischen digitalen Märkten zeitnah begegnen zu können, senkt der Gesetzesentwurf die Voraussetzungen für den Erlass von einstweiligen Maßnahmen durch das Bundeskartellamt. Weitere Beschleunigungen und Erleichterungen der Kartellrechtsdurchsetzung verspricht sich der Gesetzgeber durch

  • die Ermöglichung von mündlichen Anhörungen,
  • die Beschleunigung der Akteneinsicht und
  • die gesetzliche Normierung des sogenannten „Vorsitzendenschreibens“, in dem die Kartellbehörde den anfragenden Unternehmen mitteilt, dass sie von der Einleitung eines Verfahrens absieht.

Änderungen in der Fusionskontrolle

Der Mittelstand soll von Anmeldepflichten in der Fusionskontrolle entlastet werden:

  • Die Inlandsumsatzschwelle soll zweifach angehoben werden. Ein beteiligtes Unternehmen muss im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss in Deutschland Umsätze von EUR 10 Mio. (bisher EUR 5 Mio.) und ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsätze von EUR 30 Mio. (im Referentenentwurf noch EUR 25 Mio.) erzielt haben.
  • Nach der „Bagatellmarktklausel“ sollen Zusammenschlüsse künftig nicht untersagt werden, wenn die Untersagungsvoraussetzungen ausschließlich auf einem Markt vorliegen, auf dem im letzten Kalenderjahr im Inland weniger als EUR 20 Mio. (bisher EUR 15 Mio.) umgesetzt wurden.

Bußgeldverfahren

Im Zuge der Umsetzung der ECN+-Richtlinie sollen die Kompetenzen des Bundeskartellamtes im Kartellbußgeldverfahren erweitert werden. Insbesondere Durchsuchungen durch das Bundeskartellamt werden künftig anders ablaufen als bisher: Das Schweigerecht für betroffene Unternehmen bzw. deren Mitarbeiter wird praktisch abgeschafft.

Zudem sollen die Kriterien für die Bemessung von Bußgeldern ergänzt werden. Künftig sollen bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ausdrücklich die Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung, das Nachtatverhalten und insbesondere der tatbefangene Umsatz berücksichtigt werden.

Kartellschadensersatz

Zur Erleichterung der Durchsetzung von Kartellschadensersatzansprüchen sieht der Gesetzesentwurf eine widerlegbare Vermutung für die Kartellbetroffenheit von Rechtsgeschäften von Lieferanten oder Abnehmern eines Kartells mit kartellbeteiligten Unternehmen vor. Damit reagiert der Gesetzgeber auf die Schienenkartell-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes.

 

1 Pressemitteilung Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, am 9. September 2020, abrufbar unter https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2020/09/20200909-altmaier-mit-dem-gwb-digitalisierungsgesetz-schaffen-wir-neue-wettbewerbsregeln.html

2 Richtlinie (EU) 2019/1 zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes, ABl. L 11/3 vom 19. Januar 2019; vgl. hierzu nur S. 62 und 63 Reg-E.


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