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Kartellrechtliche Anforderungen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots bei Gemeinschaftsunternehmen

Update Gewerblicher Rechtschutz & Kartellrecht 09/2019

September 2019

Das OLG Düsseldorf hatte kürzlich Gelegenheit, die kartellrechtlichen Anforderungen an ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot eines ehemaligen Gesellschafters eines Gemeinschaftsunternehmens zu verdeutlichen (Beschluss vom 15. Mai 2019 – VI‑W [Kart] 4/19). Systematisch ist die in einem einstweiligen Verfügungsverfahren ergangene Entscheidung geradezu schulmäßig, im praktischen Ergebnis weniger überzeugend. 

Die Antragstellerin ist ein Gemeinschaftsunternehmen von ursprünglich fünf Unternehmen, die die Wartung von Fahrtreppen betreiben. Die Antragsgegnerin war Gesellschafterin der Antragstellerin, aus der sie dann ausgeschieden ist; anschließend hat sie mit einem Kunden der Antragstellerin einen Wartungsvertrag abgeschlossen. Darin sieht die Antragstellerin einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot in dem Gesellschaftsvertrag, nach dem es ausgeschiedenen Gesellschaftern untersagt ist, für die Dauer von zwei Jahren Aufträge von Auftragnehmern zu übernehmen, die während der letzten drei Jahre zum Kundenstamm der Gesellschaft gehört haben.

Gemeinschaftsunternehmen oder Arbeitsgemeinschaft?

Eine erste kartellrechtliche Hürde für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch liegt darin, dass die Antragsgegnerin aus einem Gemeinschaftsunternehmen ausgeschieden ist. Sollte sich dieses Gemeinschaftsunternehmen als kartellrechtswidrig erweisen, würde dies zwar nicht zur Nichtigkeit des gesamten Gesellschaftsvertrages, wohl aber zur Nichtigkeit des satzungsmäßigen Wettbewerbsverbots führen (so das OLG Düsseldorf im Anschluss an das Gratiszeitung-Hallo-Urteil des BGH vom 23. Juni 2009 – KZR 58/07).

Die Antragstellerin machte gegen diesen Einwand geltend, bei ihr handele es sich um eine kartellrechtlich zulässige Arbeitsgemeinschaft. Sind Unternehmen zur selbständigen Teilnahme an einer Ausschreibung aufgrund ihrer betrieblichen oder geschäftlichen Verhältnisse (mangelnde Kapazitäten, technische Einrichtungen, fachliche Kenntnisse etc.) nicht in der Lage oder ist eine eigenständige Teilnahme aufgrund objektiver betriebswirtschaftlicher Kriterien wirtschaftlich nicht vernünftig, können sie sich nach ständiger Rechtsprechung zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammenfinden, ohne damit gegen das Kartellverbot zu verstoßen. Gleiches gilt beim Zusammenschluss zu einer Bietergemeinschaft, wenn die Auftragserfüllung dem Einzelunternehmen faktisch oder wirtschaftlich nicht möglich ist.

Dieser sog. Arbeitsgemeinschaftsgedanke kam – so das OLG Düsseldorf – hier deshalb nicht zum Tragen, weil sich die Gesellschafter der Antragstellerin zusammengeschlossen hatten, um sich dauerhaft gemeinschaftlich um Aufträge zu bemühen, während es sich bei Bieter- und Arbeitsgemeinschaften um Gelegenheitsgesellschaften handele, die nur auf Zeit für eine sachlich begrenzte Leistung gebildet werden. Dem ist zuzustimmen.

Konzentratives oder kooperatives Gemeinschaftsunternehmen?

Gemeinschaftsunternehmen sind nicht eo ipso kartellrechtswidrig. Anerkanntermaßen unterliegen konzentrative Gemeinschaftsunternehmen nur der Zusammenschlusskontrolle und nicht dem Kartellverbot. Konzentrativ ist ein Gemeinschaftsunternehmen, das sämtliche Funktionen eines selbständigen Unternehmens wahrnimmt und nicht nur der Verhaltenskoordinierung zwischen den Muttergesellschaften dient. Entscheidende Testfrage ist, ob die Muttergesellschaften von vornherein nicht auf dem Markt des Gemeinschaftsunternehmens tätig sind bzw. sich von diesem Markt nach dessen Gründung zurückziehen. An dieser Stelle wird das OLG etwas vage: Vieles spreche dafür, dass die Antragstellerin und ihre Gesellschafter nicht auf verschiedenen räumlichen Märkten tätig waren. Diese Vagheit mag den Eigenheiten des einstweiligen Verfügungsverfahrens geschuldet sein. Prüfungsbedürftig war aufgrund des Vortrags der Antragstellerin aber auch, ob es nicht einen eigenständigen Teilmarkt für Großkunden gab, auf dem die Gesellschafter der Antragstellerin bei bzw. seit deren Gründung nicht bzw. nicht mehr tätig waren.

Berechtigtes Interesse an dem Wettbewerbsverbot?

Vorsorglich wird vom OLG noch die Wirksamkeit des Wettbewerbsverbots für den unterstellten Fall geprüft, dass es sich bei der Antragstellerin doch nicht um ein kartellrechtswidriges kooperatives Gemeinschaftsunternehmen handeln sollte. Die Grundsätze einer solchen Prüfung sind ausgeurteilt: Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist wirksam, wenn und soweit es zum Schutz eines berechtigten Interesses des Vertragspartners notwendig ist und in zeitlicher, räumlicher und gegenständlicher Hinsicht das notwendige Maß nicht überschreitet. Kein Streit bestand hier darüber, dass die zeitliche Grenze eingehalten war.

Gleichwohl verneint das OLG Düsseldorf hier ein berechtigtes Interesse an dem Wettbewerbsverbot. Denn das streitgegenständliche Wettbewerbsverbot untersage einem ausgeschiedenen Gesellschafter „allgemein“, für die Dauer von zwei Jahren nach dem Ausscheiden Aufträge von solchen Auftragnehmern zu übernehmen, die während der letzten drei Jahre zum Kundenstamm der Gesellschaft gehört haben. Es gelte damit „unabhängig davon, ob der ausgeschiedene Gesellschafter die Möglichkeit zum Kundenkontakt durch die Antragstellerin oder aufgrund anderer Umstände, etwa eigener Akquise-Bemühungen vor, während oder nach seiner Gesellschaftszugehörigkeit oder einer Kontaktaufnahme durch den Kunden“ erhalten hat. Diese Bewertung erscheint wenig praxisgerecht. Es konnte doch auch so sein, dass bestimmte Gesellschafter der Antragstellerin für die Akquise (Marketing, Vertrieb) zuständig waren, andere aber andere Aufgabenbereiche (Administration, Produktion etc.) hatten. Auch kommt in Betracht, dass nur das Gemeinschaftsunternehmen selbst mit der Akquisition von Aufträgen beauftragt war, während den Gesellschaftern die Durchführung dieser Aufträge oblag. Bei solchen Verhältnissen lässt sich kaum ein Kunde einem bestimmten Gesellschafter zuordnen. Der vom Kartellsenat vermisste unmittelbare Zusammenhang eines Kundenkontakts mit der vormaligen Gesellschafterstellung ist damit als Differenzierungsmerkmal schwerlich geeignet.

Zugleich Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB?

Aus den gleichen Gründen, aus denen es den Verstoß gegen § 1 GWB hergeleitet hat, erachtet das OLG Düsseldorf das Wettbewerbsverbot als Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB. Da die Schutzzwecke beider Vorschriften (einerseits Schutz der Berufsausübungsfreiheit der mit dem Wettbewerbsverbot belasteten Partei nach § 138 BGB, andererseits Schutz des Wettbewerbs und der Marktgegenseite nach § 1 GWB) nicht deckungsgleich sind, ist dies nicht überzeugend.

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Autoren

Foto vonDietmar Rahlmeyer
Dr. Dietmar Rahlmeyer
Partner
Düsseldorf