Home / Veröffentlichungen / Herkunftsangaben für Primärzutaten in Lebensmit...

Herkunftsangaben für Primärzutaten in Lebensmitteln

Update Gewerblicher Rechtschutz & Kartellrecht 09/2019

September 2019

Werden Lebensmittel unter Verweis auf ihre Herkunft – beispielsweise durch ausdrückliche Bezeichnungen wie „italienische Pasta“ oder aber auch durch grafische Angaben wie die italienische Landesflagge – angeboten, so ist der 1. April 2020 der Stichtag, zu dem erweiterte Informationspflichten erforderlich werden: Zu diesem Datum tritt die Durchführungsverordnung (EU) 2018/775 zu Art. 26 Abs. 3 LMIV (im Folgenden: DVO) in Kraft, nach der die Herkunftskennzeichnungen für Primärzutaten in bestimmten Fällen verpflichtend werden.
Die Prüfung und Umsetzung der Vorgaben wird manches Lebensmittelunternehmen vor erhebliche Herausforderungen stellen. Erste Anhaltspunkte für die Auslegung der sehr knappen DVO bietet ein vorläufiger Entwurf eines Fragen-und-Antworten-Dokuments der Europäischen Kommission (sog. Draft Commission Notice; Stand: Mai 2019; Download hier).

Betroffene Produkte

Die Verpflichtung zur Kennzeichnung der Herkunft von einer oder mehreren Primärzutat(en) besteht, wenn für ein Lebensmittel das Ursprungsland oder der Herkunftsort angegeben ist und die primäre Zutat nicht aus diesem Land bzw. von diesem Ort stammt.

Das Lebensmittel muss mindestens eine primäre Zutat enthalten. Das ist jede Zutat, die über 50 % des Lebensmittels ausmacht oder die die Verbraucher üblicherweise mit der Bezeichnung des Lebensmittels assoziieren und für die in den meisten Fällen eine mengenmäßige QUID-Angabe nach Art. 22 Abs. 1 LMIV vorgeschrieben ist. Die Draft Commission Notice stellt nun u. a. klar, dass

  • auch mehrere Zutaten primäre Zutat eines Produktes sein können,
  • auch ein Monoprodukt eine primäre Zutat enthalten kann und
  • auch zusammengesetzte Zutaten eine primäre Zutat sein können.

Als Konsequenz mag etwa bei Fruchtjoghurt sowohl der Joghurt als auch der Fruchtbestandteil als primäre Zutat gewertet werden, genauso wie das Mehl eines italienischen Pizzamehls. Darüber hinaus spricht die Draft Commission Notice dafür, dass Schokolade als zusammengesetzte Zutat als primäre Zutat von Pralinen gewertet werden kann.

Lebensmittel mit mindestens einer Primärzutat fallen in den Anwendungsbereich der DVO, wenn Angaben wie Erklärungen, Begriffe, Piktogramme oder Symbole zur Herkunft des Lebensmittels gemacht werden – seien sie gesetzlich vorgeschrieben oder freiwillig. Dies können auch nationale Symbole und Flaggen sein, so dass stets die gesamte Produktpräsentation zu betrachten ist. Es wird sich dabei jeweils um eine Einzelfallbetrachtung handeln, denn solche Abbildungen können auch aus dem Anwendungsbereich der DVO herausfallen, wenn sie beispielsweise eindeutig auf nationale Sportteams oder Ereignisse hinweisen.

Ausgenommen von der Definition sind Begriffe, die sich auf verkehrsübliche Bezeichnungen oder Gattungsbezeichnungen beziehen, die nicht (mehr) auf die Herkunft, sondern auf die Beschaffenheit hinweisen, wie etwa das Wiener Schnitzel. Das maßgebliche Verkehrsverständnis ist laut der Draft Commission Notice vom jeweiligen Mitgliedsstaat zu beurteilen.

Nicht als Angaben zum Herkunftsort anzusehen sind ferner Firma und Anschrift des Lebensmittelunternehmens auf dem Etikett. Jedoch kann nach Auffassung der Kommission eine Kennzeichnungsverpflichtung durch die Ergänzungen der Firma oder Anschrift um zusätzliche Angaben, Logos oder Symbole ausgelöst werden.

Gemäß der Draft Commission Notice deuten schließlich Angaben wie „made in“ und „produced in“ auf eine Herkunftsangabe hin, während Angaben wie „packed in“ im Allgemeinen eher keine Herkunftsangabe darstellen werden. Auch „produced/made/packed by“ und „produced/manufactured by X for Y“ sollen danach in der Regel als Hinweis auf die beteiligten Lebensmittelunternehmen und nicht als Hinweis auf die Herkunft verstanden werden.

Ausnahme u. a. für eingetragene Marken

Die Pflicht zur Angabe der Herkunft der Primärzutat gilt – zunächst – nicht für eingetragene Marken, sofern diese eine Ursprungsangabe darstellen, sowie nicht für geschützte geografische Angaben, geschützte Ursprungsbezeichnungen und garantiert traditionelle Spezialitäten, solange keine besonderen Vorschriften über die Anwendung von Art. 26 Abs. 3 LMIV auf derartige Angaben erlassen wurden.

Es kann sich für Hersteller also lohnen, ihr Markenportfolio genauer unter die Lupe zu nehmen. Ob im Falle einer Marke mit Ursprungsangabe jeder markenrechtliche Schutz ausreicht oder ob die Marke in dem Territorium, in dem das Lebensmittel vertrieben wird, und für die konkret vertriebenen Waren geschützt sein muss, ist nicht geregelt. Aufgrund der markenrechtlichen Systematik muss jedoch davon ausgegangen werden, dass die jeweils strengere Anforderung erfüllt sein muss. In Deutschland werden zwar die Eintragungshindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 2 und 4 MarkenG häufig gegen die Eintragung einer entsprechenden herkunftshinweisenden Wortmarke sprechen. Diese Hürde kann aber u. U. durch die Ergänzung von weiteren Wort- und / oder Bildbestandteilen überwunden werden.

Art und Weise der Kennzeichnung

Die Pflicht zur Kennzeichnung der Herkunft von Primärzutaten gilt zum einen für in den Anwendungsbereich fallende Produktverpackungen. Zum anderen sprechen die Vorschriften über freiwillige Informationen über Lebensmittel und der Sinn und Zweck der Norm dafür, dass die ergänzenden Kennzeichnungspflichten auch für sonstige werbliche Angaben gelten.

In Art. 3 der DVO ist die Darstellung der aufklärenden Hinweise detailliert geregelt. So muss die Mindestschriftgröße nach der LMIV eingehalten werden, wobei nach der Draft Commission Notice auch die Erleichterung für kleine Verpackungen Anwendung findet. Im Falle einer Lebensmittelherkunftsangabe in Worten muss die Schriftgröße der Information über die Herkunft der Primärzutat zudem mindestens 75 % der Schriftgröße der Herkunftsangabe des Lebensmittels betragen. Die aufklärenden Angaben sind im Sichtfeld der Herkunftsangabe des Lebensmittels zu machen. Gibt es mehrere Herkunftsangaben, so ist die Aufklärung im jeweiligen Sichtfeld vorzunehmen. Vor diesem Hintergrund mag sich oft eine grundlegende Überarbeitung und Verschlankung der Produktgestaltung anbieten.

Zugelassene Formulierungen

Möchte der Hersteller die Herkunft der Primärzutat angeben und nicht lediglich darauf hinweisen, dass die Primärzutat eine andere Herkunft hat als das Lebensmittel, so kann er dies unterschiedlich detailliert tun. Es ist u. a. möglich, die Herkunft mit „EU“, „Nicht-EU“ oder „EU und Nicht-EU“, mit einem Mitgliedsstaat oder Drittland, mit einer Region in einem Mitgliedsstaat oder Drittland oder in mehreren Mitgliedsstaaten oder in mehreren Drittländern (sofern die Angabe für einen normal informierten Verbraucher verständlich ist) anzugeben. Die Regelung lässt jedoch keinen Raum, die verschiedenen Möglichkeiten zu kombinieren, so ist es nicht möglich „EU und Schweiz“ als Herkunftsangaben zu verwenden. Ebenso wenig können Mitgliedsstaaten und Drittländer gemeinsam genannt werden oder mehrere Regionen inner- und außerhalb der EU angegeben werden. Auch die Angabe von Ländercodes ist nach der Draft Commission Notice nicht zulässig.

Übergangsregelung

Die Übergangsregelung der DVO ist recht großzügig und sieht vor, dass Lebensmittel, die noch vor dem 1. April 2020 auf den Markt gebracht oder gekennzeichnet wurden, verkauft werden dürfen, bis sie aufgebraucht sind.

Dieser Artikel ist Teil des Update Gewerblicher Rechtsschutz und Kartellrecht, welches Sie hier abonnieren können.

Autoren

Foto vonHeike Blank
Dr. Heike Blank
Partnerin
Köln
Foto vonAntonia Bielefeld
Antonia Bielefeld, LL.M. (Dresden/London)
Counsel
Köln