Mit dem Green Deal hat sich die Europäische Union zum Ziel gesetzt, der erste klimaneutrale Kontinent zu werden. Das dort postulierte Ziel, die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber dem Stand von 1990 zu senken, wurde mit dem im Juli 2021 in Kraft getretenen Europäischen Klimagesetz in bindendes Recht umgesetzt. Ebenfalls im Juli 2021 hat die EU-Kommission das Initiativ-Paket Fit for 55 verabschiedet, das Vorschläge für Rechtsakte zur Umsetzung der im Europäischen Klimagesetz vorgesehenen Maßnahmen enthält. Bereits im Juli 2020 hatte die EU-Kommission eine EU-Wasserstoffstrategie vorgelegt. Danach soll Wasserstoff maßgeblich dazu beitragen, den Energiesektor vollständig zu dekarbonisieren, effizienter zu machen und stärker zu vernetzen.
Auch die Bundesregierung hat im Juni 2020 eine nationale Wasserstoffstrategie vorgestellt, mit der ein heimischer Markt für die Produktion und Nutzung von Wasserstoff geschaffen werden soll. Die nationale Wasserstoffstrategie setzt auf eine beschleunigte Einführung der Wasserstofftechnologie und den schrittweisen Aufbau der notwendigen Kapazitäten zur Erzeugung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien. Im Juni 2021 verabschiedete der Bundestag eine Novelle des Klimaschutzgesetzes, mit der das Ziel der Klimaneutralität auf 2045 vorgezogen wurde. Ebenfalls im Juni 2021 wurde eine Novelle des EnWG verabschiedet, mit der unter anderem eine Regulierung von Wasserstoffnetzen eingeführt wird.
Beitrag von Wasserstoff zum Klimaschutz
Mittlerweile ist die Bedeutung von Wasserstoff für die Erreichung der Klimaschutzziele weitgehend anerkannt. Hierbei stehen perspektivisch die energieverbrauchenden Sektoren Industrie, Verkehr und Gebäude im Vordergrund. Wasserstoff ist aber nicht nur in industriellen Anwendungen direkt nutzbar. Er zeichnet sich daneben vor allem auch durch seine Speicher- und Transportierbarkeit aus. Er kann fluktuierende erneuerbare Energien vergleichmäßigen und so verlässlich für die Verbrauchssektoren verfügbar machen. Wasserstoff bereitet damit den Weg für eine zunehmende Systemintegration von erneuerbaren Energien.
Dieser Transformationsprozess hat bereits begonnen: In Schweden wurde im Projekt HYBRIT die weltweit erste Pilot-/Testanlage zur fossilfreien Stahlproduktion mit Hilfe von Wasserstoff in Betrieb genommen. Ebenfalls in Schweden treibt das Unternehmen H2GS den Bau eines mit Wasserstoff betriebenen Stahlwerks voran. In Deutschland planen die Partner des Projekts WESTKÜSTE 100 die Produktion von grünem Wasserstoff und klimafreundlichen Treibstoffen aus Offshore-Windenergie, deren Nutzung für Flugzeuge sowie deren Einspeisung in das Gasnetz. Airbus gab bekannt, bis 2035 ein mit Flüssigwasserstoff betriebenes Passagierflugzeug auf dem Markt haben zu wollen, und stellte hierfür drei Konzeptstudien vor. Und auch in der Automobil-Branche erlebt die Brennstoffzelle zur Erzeugung von Strom aus Wasserstoff für den Elektroantrieb eine bis vor Kurzem noch ungeahnte Renaissance, insbesondere für den Transport über größere Entfernungen sowie den ÖPNV. Die deutsche Initiative H2 Mobility hat sich als erstes Ziel gesetzt, 100 Wasserstofftankstellen in Deutschland zu realisieren.
Auch im Bereich der Wasserstoffinfrastruktur wurden ehrgeizige Projekte auf den Weg gebracht. Das Projekt AquaVentus umfasst die Erzeugung von Offshore-Windenergie mit einer Gesamtkapazität von 10 GW bis 2035 sowie die Offshore-Produktion von 1 Million Tonnen grünem Wasserstoff. Dieser soll über ein dafür zu errichtendes Leitungsnetz zunächst nach Helgoland und schließlich bis zum deutschen Festland transportiert werden. Das Projekt GET H2 umfasst mehrere Teilprojekte für die Erzeugung, den Transport sowie die Speicherung von grünem Wasserstoff. Bis 2030 soll ein Wasserstoff-Verbundnetz entstehen, das von Nordwestdeutschland bis ins Ruhrgebiet und von der holländischen Grenze bis nach Salzgitter reicht.
Steigende Bedeutung von grünem Wasserstoff
Bereits heute besteht im Industriesektor mit stofflichen Anwendungen im Bereich von Chemie, Petrochemie und Stahl ein hoher Wasserstoffbedarf, der fast ausschließlich mit grauem Wasserstoff gedeckt wird. Durch den Einsatz von klimaneutralem grünem Wasserstoff könnten bei der industriellen Anwendung große Mengen CO2 eingespart werden. Hierfür sind allerdings erhebliche Investitionen notwendig. Kurz- bis mittelfristig müssen Elektrolysekapazitäten geschaffen werden, um den durch Wind-, Wasser- oder Solarenergie geschaffenen Strom in grünen Wasserstoff umzuwandeln. Gleichzeitig muss in die weitere Forschung und Entwicklung zur Herstellung von grünem Wasserstoff, u. a. zum Zwecke der Verbesserung des Wirkungsgrads der Elektrolyse oder der Entwicklung alternativer Herstellungsverfahren, investiert werden. Neben strategischen Patentierungsfragen wird es hier auch um F&E-Kooperationen zwischen Wissenschaft und Industrie gehen, um zügig von der Grundlagenforschung in die anwendungsbezogene Entwicklung gehen zu können.
Da trotz erheblicher Investitionen nicht davon auszugehen ist, dass entsprechende Mengen grünen Wasserstoffs kurz- bis mittelfristig zur Verfügung stehen, sieht sowohl die europäische als auch die deutsche Wasserstoffstrategie einen teilweise kritisch bewerteten Entwicklungspfad auf der Basis von blauem Wasserstoff vor (Herstellung unter Speicherung bzw. Nutzung des freiwerdenden CO2). Diese Interimsfunktion von blauem Wasserstoff wird mit der Notwendigkeit des Markthochlaufs begründet. Denn die verfügbaren Mengen grünen Wasserstoffs werden zumindest mittelfristig nicht ausreichen, um den Aufbau eines Wasserstofftransportnetzes unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten zu ermöglichen.
Voraussetzungen einer klimaneutralen Wasserstoffwirtschaft
Klares und unbestrittenes Ziel bleibt die Schaffung einer nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft auf der Basis von grünem Wasserstoff. Hierfür ist nicht nur ein erheblicher Zubau von Elektrolysekapazitäten erforderlich, sondern vor allem auch die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien in entsprechend großen Mengen. Fachleute gehen davon aus, dass auch langfristig deren ausreichende Verfügbarkeit in Deutschland nicht gegeben sein wird, sodass der Import von grünem Wasserstoff unentbehrlich ist. Die hierfür erforderliche Transportinfrastruktur ist grundsätzlich mit dem gut ausgebauten europäischen Gasnetz vorhanden. Eine europäische Harmonisierung, zum Beispiel im Bereich der technischen Normen und bei Herkunftsnachweisen, ist aber unabdingbar, um einen europäischen Binnenmarkt für Wasserstoff zu verwirklichen. Dies bezieht auch den Aufbau und die Normierung einer Tankinfrastruktur mit ein, sofern man neben der Elektromobilität ergänzend auch auf Wasserstoff zum Betrieb von Automobilen setzt. Nahezu alle großen Mineralölkonzerne haben bereits Konzeptstudien zur sogenannten „Tankstelle der Zukunft“ erstellt.
Herausforderungen und Chancen für Unternehmen
Da grüner Wasserstoff bis auf wenige Ausnahmen bislang nicht wettbewerbsfähig ist, sind entsprechende hoheitliche Anreize erforderlich, um dessen Marktfähigkeit zu erreichen. Hierbei sollte das Prinzip der Technologieoffenheit beachtet werden, um Fehlsteuerungen zu vermeiden. Die für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft erforderlichen erheblichen Investitionen werden überwiegend aus privatem Risikokapital bereitgestellt werden müssen. Hierfür sind transparente, berechenbare und konsistente Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die für die Marktakteure unabdingbare Rechts- und Planungssicherheit gewährleistet ist. Wie erfolgreich die unternehmerischen Wasserstoffstrategien in ihrer Umsetzung sein werden, hängt nicht zuletzt auch davon ab, wie schnell es den Marktbeteiligten wie zum Beispiel Energieerzeugern, Netzbetreibern und energieintensiven Industrien gelingt, die Entwicklung notwendiger Infrastrukturen und Technologien voranzutreiben.
Recht und Regulierung des Einsatzes von Wasserstoff
Gegenüber dem technisch Machbaren hinkt der rechtliche und regulatorische Rahmen für den Einsatz von Wasserstoff in fast allen Jurisdiktionen hinterher. In Deutschland deckt bislang kein Gesetz die Wertschöpfungskette für Wasserstoff ab.
Immerhin wurde mit der im Juni 2021 verabschiedeten Novellierung des EnWG erstmals ein Regulierungssystem für Wasserstoffnetze eingeführt. Der Gesetzgeber bezweckt damit einen schrittweisen Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland. Die Regelungen gelten übergangsweise bis zur Verabschiedung entsprechender europäischer Vorgaben. Mit deren Umsetzung in deutsches Recht ist ab 2025 zu rechnen. Kern der neuen Regulierungssystematik ist ein Wahlrecht der Netzbetreiber, ob sie sich der Regulierung unterwerfen oder ihre Leitungen unreguliert betreiben wollen.
Ein für die Markteinführung von blauem Wasserstoff notwendiger Rechtsrahmen für die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung fehlt. Auch wenn die neu eingeführte fakultative Netzregulierung mehr Rechtssicherheit für die Netzbetreiber bringt, stellen sich den Marktteilnehmern in der Praxis zahlreiche Rechtsfragen, die für die Entwicklung und Umsetzung neuer Wasserstoff-Geschäftsmodelle grundlegend sind. Wir beraten Sie hierbei kompetent und praxisorientiert.
CMS verfügt über jahrzehntelange Erfahrung in der Beratung von Unternehmen im Bereich Energiewirtschaft & Klimaschutz. Unsere Anwälte bündeln fundiertes Know-how in allen relevanten Rechtsgebieten mit praxisorientierter Branchenkenntnis. So unterstützen wir Sie gezielt in allen energierechtlichen und regulatorischen Fragen, die mit der Investition in Wasserstoffprojekte und deren Umsetzung verbunden sind. Wir beraten Sie bei der Entwicklung und Durchführung neuer Geschäftsmodelle und bei Kooperationen, Joint Ventures und Wachstumsstrategien durch Zukäufe und Fusionen. Wir begleiten die Forschung zu und Entwicklung von Wasserstofftechnologien und sorgen für eine schutzrechtliche Absicherung Ihrer Entwicklungen und Produkte sowie die effektive Durchsetzung Ihrer Schutzrechte. Aufgrund unserer langjährigen Erfahrungen mit Future Mobility und E-Mobilität sind wir der kompetente Ansprechpartner auch für Wasserstoffprojekte in diesem Bereich.
Unsere Beratungsschwerpunkte zum Thema Wasserstoff erstrecken sich auf:
Rechtliche und regulatorische Fragestellungen:
- Regulierung von Wasserstoffnetzen (Netzanschluss, Netzzugang, Anschlussleitungen, Umwidmung von Paralleltransportsystemen)
- öffentlich-rechtliche Genehmigung der Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff (Elektrolyseure, Reformer und Abscheider) und der ggf. erforderlichen CO2 Speicher sowie des Transports durch Rohr(fern-)leitungsnetze
- vertragliche Abbildung der Wertschöpfungskette
- Sicherheitsregelwerk
- spezifisches Regelwerk der Verbrauchssektoren (zum Beispiel Industrie, Mobilität)
- Beobachtung und Überwachung laufender Gesetzgebungsprozesse auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene
- Beratung bei der Gestaltung des Rechts- und Ordnungsrahmens für Wasserstoff
Entwicklung und Durchführung neuer Geschäftsmodelle:
- Gestaltung innovativer Wasserstoffkonzepte
- Gestaltung und Umsetzung von wasserstoffbasierten Verkehrs- und Kreislaufkonzepten
- Gutachten zu rechtlichen Entwicklungen und Perspektiven als Grundlage für strategische Unternehmensplanung
- Begleitung bei Gründung und Finanzierung von Start-ups mit innovativen Produkten oder Geschäftsideen, auch als Ausgründung aus Forschungseinrichtungen
- Dekarbonisierung von industriellen Prozessen
- Dekarbonisierung des Gebäudesektors
- Unterstützung bei der Konzipierung und rechtliche Begleitung bei der Durchführung von F&E-Projekten
- Beratung und Unterstützung bei der Absicherung neuer Geschäftsmodelle
Investitionen in Wasserstoffprojekte:
- Projekte im Bereich Power-to-X
- Bau und Betrieb von Elektrolyseuren
- Projekte im industriellen Bereich
- Bau und Betrieb der Wasserstoffinfrastruktur
- Projekte zur Herstellung von blauem Wasserstoff
- Unterstützung bei Förderungsmöglichkeiten
- Carbon Capture
Kooperationen, Joint Ventures und Wachstumsstrategien:
- M&A-Transaktionen zum Erwerb bzw. Verkauf von Start-ups oder vielversprechenden etablierten Unternehmen, die bereits entlang der Wertschöpfungskette tätig sind, ggf. einschließlich der Fremdfinanzierung des Erwerbs
- Kooperationen und Joint Ventures zur gemeinsamen Auslotung und Nutzung von Chancen im Wasserstoffbereich
- Entwurf und Verhandlung von entsprechenden F&E-Kooperationsverträgen, einschließlich der kartellrechtlichen und beihilferechtlichen Implikationen
- Strukturierung, Entwurf und Verhandlung von Technologie-Lizenzabkommen
Schutzrechtliche Absicherung von innovativen Produkten und Projekten:
- Durchsetzung von Patenten und bei Verletzung von Geschäftsgeheimnissen
- Beratung bei der Entwicklung und der Implementierung von Strategien zum Schutz Ihrer Innovationen
- Freedom-to-Operate-Analysen, Evaluierung der störenden Drittschutzrechte und Vorgehen gegen sie
- Beratung und Vertretung in Bezug auf technische Standardisierung und ihre Implikation für Patente
Wenn Sie Fragen zum Thema Wasserstoff haben wenden Sie sich jederzeit gerne an Ihre Ansprechpartner bei CMS oder Dr. Friedrich von Burchard.
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