06/12/2023
Nachhaltigkeit in der Unternehmensführung
Das Thema Nachhaltigkeit ist in den letzten Jahren immer bedeutsamer geworden. Inzwischen haben Geschäftsleiter nicht mehr nur eine Verantwortung für die wirtschaftliche Performance ihres Unternehmens, sondern sie müssen zudem für die Einhaltung bestimmter sozialer, ethischer und umweltrelevanter Standards sorgen. Das führt zu einer deutlichen Verlagerung der Zielsetzung von Unternehmen: weg von der (bloßen) Gewinnmaximierung (shareholder value) hin zur Ausrichtung an den Bedürfnissen verschiedener Interessengruppen (stakeholder value). Nachhaltigkeitsverpflichtungen im unternehmerischen Alltag Unter der Abkürzung ESG (Environmental, Social and Governance) vereinen sich verschiedene Konzepte zur Nachhaltigkeitsausrichtung, die teilweise gesetzlich geregelt sind, zu denen sich Unternehmen zum Teil aber auch freiwillig bekennen. Umfasst werden Themen wie Compliance, Arbeitnehmerrechte, Chancengleichheit und Umweltschutz. Beachtung gesetzlich normierter Nachhaltigkeitsverpflichtungen Gesetzlich normierte Nachhaltigkeitsverpflichtungen findet man inzwischen sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene. Das wohl bekannteste „ESG-Gesetz“ in Deutschland ist das seit 2023 geltende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), wonach Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden ab 2024 Lieferketten einer fortdauernden Prüfung im Hinblick auf menschenrechts- und umweltbezogene Risiken zu unterziehen haben. Geschäftsleiter müssen gesetzlich normierte Nachhaltigkeitsverpflichtungen zwingend beachten. Insofern handelt es sich um eine sog. gebundene Entscheidung ohne Ermessensspielraum. Aufgrund der Legalitätspflicht haben Geschäftsleiter sicherzustellen, dass ihr Unternehmen so organisiert ist, dass keine Gesetze verletzt werden. Kommt es gleichwohl zur Verletzung einer gesetzlich vorgesehenen Nachhaltigkeitsnorm und entsteht dadurch ein kausaler Schaden, droht die persönliche, unbeschränkte Haftung des Geschäftsleiters gegenüber der Gesellschaft (§ 43 GmbHG, § 93 AktG, § 116 AktG). Ermessensspielraum bzgl. freiwilliger ESG-Standards Anders verhält es sich mit freiwilligen ESG-Standards. Hier steht Geschäftsleitern ein Ermessensspielraum zu: Im Rahmen unternehmerischer Entscheidungen müssen Geschäftsleiter das Für und Wider der Einhaltung dieser Standards abwägen. Kommt es infolge einer solchen unternehmerischen Entscheidung zu einem Schaden, genießen Geschäftsleiter nur dann die Haftungsprivilegierung der sog. Business Judgement Rule, wenn die Entscheidungen auf Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft und unbeeinflusst von Eigen- oder Drittinteressen getroffen wurden. Dabei hat die Gewinnmaximierung nicht immer Vorrang: Zwar dient diese (vordergründig) dem Wohle der Gesellschaft. Geschäftsleiter müssen aber selbst freiwillige ESG-Standards berücksichtigen, denn deren Nichteinhaltung kann zu immensen Imageschäden führen, die den Unternehmenserfolg nachhaltig gefährden können. ESG-Faktoren müssen daher im Rahmen einer unternehmerischen Entscheidung möglicherweise stärker berücksichtigt werden als eine gegebenenfalls nur kurzfristige Gewinnmaximierung. Käme ein Gericht zu dem Ergebnis, dass die Abwägung ermessensfehlerhaft und daher die Entscheidung nicht zum Wohle der Gesellschaft erfolgte, käme der Geschäftsleiter nicht in den Genuss des Haftungsprivilegs der Business Judgement Rule. Mit anderen Worten: die Nichtberücksichtigung selbst freiwilliger ESG-Standards kann für Geschäftsleiter gefährlich werden. Mittelbar wirkt sich der Umgang mit diesen Standards über die Reporting-Verpflichtungen und damit auf das Ansehen (und Rating) des Unternehmens in der Öffentlichkeit aus. Einfluss der Stakeholder Studien belegen, dass Kunden von Unternehmen erwarten, zu ESG-Themen eine klare Haltung zu entwickeln. Erfüllt ein Unternehmen diese Erwartungen nicht, riskiert es einen Vertrauens- und Reputationsverlust. Der entstandene Imageschaden lässt sich – wenn überhaupt – nur mit hohen Marketingkosten beheben. Ebenfalls empirisch belegt ist, dass Investoren Nachhaltigkeit vermehrt in Investitionsentscheidungen einfließen lassen. Nicht zuletzt spielt in Zeiten zunehmenden Personal- und Fachkräftemangels und der damit verbundenen Risiken für das Unternehmen der Einfluss einer positiven, nachhaltigen Unternehmenskultur eine entscheidende Rolle für die Attraktivität als Arbeitgeber und somit für die Gewinnung und das Halten von Personal. Das geht doch nur die Großen an! Oder? Zunehmend sind auch mittlere und kleinere Unternehmen von Nachhaltigkeitsanforderungen betroffen. Dies zeigt sich beispielhaft in der Herabsetzung des Mitarbeiter-Schwellenwerts für die Anwendbarkeit des LkSG ab 2024. Noch deutlicher wird dies bezüglich nicht ausdrücklich geregelter Anforderungen: Best-Practice-Standards entfalten Ausstrahlungswirkung wie beispielsweise der Deutsche Corporate Governance Kodex auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten in das Risikomanagement. Unmittelbar nur für größere Unternehmen geltende Pflichten werden über die Lieferkette, erwartete Ratings oder aufgrund von Berichtspflichten „von oben nach unten durchgereicht“ und auch Bankenfinanzierung setzt zunehmend die Erfüllung bestimmter Nachhaltigkeitskriterien voraus. Fazit Geschäftsleiter kommen nicht umhin, sich mit gesetzlichen und selbst freiwilligen ESG-Standards auseinanderzusetzen – nicht nur zur Risikovermeidung, sondern auch zur Wahrnehmung der damit verbundenen Chancen. Unternehmen, die sich rechtzeitig mit der Frage der passenden Einbeziehung in die Unternehmensstrategie beschäftigen und sich mit einer strukturierten, chancen- und risikobasierten Herangehensweise den Herausforderungen stellen, dürften klar im Vorteil sein.
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