EU-Verbandsklagerichtlinie ermöglicht Klagen zum Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen
Die Ende 2020 in Kraft getretene EU-Verbandsklagerichtlinie sieht für qualifizierte Einrichtungen wie Verbraucherschutzverbände die Möglichkeit vor, Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche für viele Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber einem Unternehmen gesammelt einzuklagen, das gegen EU-Verbraucherschutzvorschriften verstößt. Zu den verbraucherschützenden Vorschriften zählt auch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
Die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie bis zum 25. Dezember 2022 in nationales Recht umsetzen und die neuen Vorschriften ab dem 25. Juni 2023 anwenden. Der deutsche Gesetzgeber stand vor der Aufgabe, eine zwischen vielen Interessen vermittelnde Lösung zu finden: Bei der Überführung der Vorgaben der Richtlinie in ein Rechtssystem, dem Massenverfahren bisher eher fremd waren, sind die Interessen von Unternehmen, Verbraucherinnen und Verbrauchern und Verbraucherschutzverbänden in Einklang zu bringen.
Umsetzung in Deutschland: Mehr Möglichkeiten für Verbraucherorganisationen
Das Bundesjustizministerium hat im September 2022 einen Entwurf für ein entsprechendes Gesetz vorgelegt. Dieser enthält das grenzüberschreitende Instrument der Abhilfeklage, die Verbraucherschutzverbände führen können, wenn sich Verbraucherinnen und Verbraucher in gleichartigen Fällen zur Geltendmachung der Ansprüche zusammenschließen. Über ein Register können weitere Privatpersonen oder kleine Unternehmen Ansprüche anmelden. Die betroffenen Branchen reichen vom Finanz- und Telekommunikationssektor über Handel, Umwelt und Energie sowie Tourismus bis hin zu digitalen Dienstleistungen. Branchenübergreifend wird besonders das Datenschutzrecht relevant sein, da Verstöße häufig eine sehr große Personenzahl betreffen – beispielsweise bei einem Cybervorfall.
2023 erstmals möglich: DSGVO-Sammelklagen
Spätestens seit der DSGVO lösen datenschutzrechtliche Vorgaben in jedem Unternehmen Handlungsbedarf aus und Verstöße bergen ein hohes Kosten- und Bußgeldrisiko. Mit Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie kommt auf Unternehmen nun eine weitere Herausforderung zu.
In Deutschland wird für Verbände die Möglichkeit „echter“ DSGVO-Sammelklagen in Massenverfahren bestehen, womit Klagen, die sich auf datenschutzrechtliche Schadensersatznormen stützen, in neuem Ausmaß auf Unternehmen zukommen. Bei Verstößen gegen die DSGVO haben die betroffenen Personen einen Anspruch auf Schadensersatz gegenüber den Verantwortlichen. Deutsche Gerichte sprachen einzelnen Betroffenen gestützt auf Art. 82 DSGVO bereits Ansprüche bis zu EUR 5.000 zu (eine Rechtsprechungsübersicht finden Sie in unserem Blog).
Unter anderem Datenverarbeitungen (etwa aufgrund unwirksamer Einwilligungen in Cookie-Bannern) und internationale Datentransfers ohne Rechtsgrundlage, unzureichende Auskünfte nach Art. 15 DSGVO sowie stetig zunehmende Cybervorfälle mit Datenabfluss können Schadensersatzansprüche auslösen. Sobald ein Fall mehr als 50 Personen betrifft, können die Ansprüche gebündelt gegen ein Unternehmen geltend gemacht werden.
Ausblick und Empfehlung für 2023
Nicht nur die Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie wird Auswirkungen auf datenschutzrechtliche Zivilprozesse haben. Der BGH hat 2022 zwei Verfahren verhandelt, in denen die Befugnis zur Verfolgung von Verstößen gegen das Datenschutzrecht durch wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche zum einen durch Verbraucherschutzverbände und zum anderen durch Wettbewerber in Frage stand. Im November 2022 entschied sich der BGH im erstgenannten Fall zu einer erneuten Vorlage an den EuGH. Im zweiten Verfahren wird das Urteil im Januar 2023 erwartet.
Für die zweite Jahreshälfte 2023 sowie für die Folgejahre ist ein Anstieg der auf DSGVO-Verstöße gestützten Verfahren zu erwarten. Auf die neuen Prozessrisiken sollten sich Unternehmen rechtzeitig einstellen: Eine DSGVO-konforme Aufstellung des Unternehmens wird als präventive Maßnahme noch wichtiger. Daneben sollten Strategien entwickelt werden, um sich im Ernstfall effektiv gegen die neuen Verfahrensarten verteidigen zu können und um datenschutzrechtliche Ansprüche gar nicht erst entstehen zu lassen.
In unserem Blog informieren wir Sie laufend über spannende datenschutzrechtliche News.
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