Startregulierung mit Wahlrecht der Netzbetreiber
Die im Juli 2021 im Wege einer Novellierung des EnWG eingeführte Regulierung von Wasserstoffnetzen in §§ 28j–q EnWG überlässt den Netzbetreibern die Entscheidung, ob sie unreguliert bleiben oder sich dem neu eingeführten Regulierungssystem unterwerfen wollen („Opt-in“). Einer gemeinsamen Regulierung von Erdgas- und Wasserstoffnetzen hat der Gesetzgeber damit eine Absage erteilt. Zur Begründung dieses als Startregulierung bezeichneten Systems werden unionsrechtliche Gründe angegeben. Gleichzeitig kündigt der Gesetzgeber in § 112b EnWG aber an, dass perspektivisch eine Anpassung des regulatorischen Rahmens zur gemeinsamen Regulierung und Finanzierung der Gas- und Wasserstoffnetze im Lichte sich entwickelnder unionsrechtlicher Grundlagen angestrebt wird.
Die EU-Kommission hat angekündigt, erste Vorschläge für die Regulierung von Wasserstoffnetzen bis zur Jahreswende 2021/22 vorzulegen. Nach ersten Informationen könnten die Vorschläge in Richtung einer höheren Regulierungsintensität bei getrennter Regulierung von Gas und Wasserstoff gehen.
Regulierung light
Das jetzt eingeführte Wahlrecht ist einmalig und unwiderruflich und kann vom Netzbetreiber nur für sein gesamtes Netz einheitlich ausgeübt werden. Im Falle des Opt-in gelten Vorgaben, die weit hinter der Regulierung der Erdgasnetze zurückbleiben. Zuvorderst ist hier das Prinzip des verhandelten Netzzugangs zu nennen, das beim Gas wegen mangelnder Tauglichkeit zur Marktöffnung bereits vor langer Zeit abgeschafft wurde. Zur Konkretisierung des verhandelten Netzzugangs enthält das EnWG eine Verordnungsermächtigung, von der die Bundesregierung bislang aber keinen Gebrauch gemacht hat. Damit bleiben den Netzbetreibern im Opt-in hinsichtlich der Gewährung des Netzzugangs unter Beachtung des Gebots der Diskriminierungsfreiheit beträchtliche Freiheitsgrade. Diese können auch bei der Ausgestaltung von netzbetreiberübergreifenden Kooperationen genutzt werden. Bei der Entflechtung ist lediglich ein buchhalterisches und informatorisches Unbundling vorgeschrieben. Eine eigentumsrechtliche Entflechtung, die sich noch im Referentenentwurf fand, ist nicht vorgesehen. Die Entgeltbildung erfolgt kostenorientiert. Zu ihrer Konkretisierung hat das Bundeskabinett kürzlich eine Wasserstoffnetz-Entgeltverordnung verabschiedet, die sich an der entsprechenden Regelung beim Gas orientiert. Allerdings sind die Eigenkapital-Zinssätze mit 9 % für Neu- und 7,73 % für Altanlagen beim Wasserstoff deutlich großzügiger. Die Anreizregulierung findet im jetzigen Stadium keine Anwendung.
Bewertung bleibt umstritten
Bei der Bewertung der neu eingeführten Wasserstoffregulierung scheiden sich die Geister. Insbesondere die Gasnetzbetreiber hatten sich eine gemeinsame Regulierung erhofft. Wenn man davon ausgeht, dass das heutige Gasnetz das Backbone des künftigen Wasserstoffnetzes darstellt, hätte dies auch durchaus Sinn ergeben. Allerdings stieß eine Finanzierung der Wasserstoffnetze über die Entgelte für die Gasnetznutzung auf breiten Widerstand. Außerdem wurde infrage gestellt, ob eine weitreichende Regulierung beim Wasserstoff in der ersten Phase des Markthochlaufs geeignet ist.
Es steht außer Frage, dass die Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft – nicht nur in Deutschland – noch mit erheblichen Unsicherheiten belastet ist. Bei der Erzeugung von grünem Wasserstoff sind technologisch noch erhebliche Entwicklungsschritte zu erwarten. Klar ist allerdings, dass die klimapolitisch wünschenswerte Menge an grünem Wasserstoff nur zu einem kleinen Teil in Deutschland produziert werden kann. In welchen Verbrauchssektoren Wasserstoff andere Energien ersetzen soll, muss sich noch herausstellen. Für einen Übergangszeitraum ist die Marktfähigkeit von Wasserstoff nur durch gezielte Fördermaßnahmen zu erreichen. Mittelfristig aber muss seine eigenständige Wettbewerbsfähigkeit angestrebt werden. Die erforderlichen Economies of Scale lassen sich am ehesten beim Einsatz in der Industrie erreichen. Hier wird aber wegen der erforderlichen Mengen wahrscheinlich kein Weg am befristeten Einsatz von blauem Wasserstoff vorbeiführen.
Allen Unsicherheiten zum Trotz
Auf dem Weg in die neue Wasserstoffwelt sehen sich Investoren also mit erheblichen Unsicherheiten sowohl hinsichtlich des Marktes wie auch des Ordnungsrahmens konfrontiert. Umso erfreulicher ist die Aufbruchstimmung, die sich in einer fast unüberschaubaren Anzahl von Projektideen manifestiert. Beispielhaft hierfür sei im Netzbereich auf das Projekt GET H2 hingewiesen, in dessen Rahmen ein netzbetreiberübergreifendes Wasserstoffnetz in Nord- und Westdeutschland geplant wird. Auch das Offshore-Leitungsprojekt AquaDuctus zur Anbindung von erneuerbarer Wasserstoffproduktion auf See an das Festland zeigt, in welchen Dimensionen bereits in diesem frühen Stadium gedacht wird. Umso wichtiger ist es, den Markthochlauf von Wasserstoff mit rechtlichen Rahmenbedingungen zu flankieren, die den Beteiligten möglichst viel Sicherheit gewähren.
Wir werden Sie über weitere Entwicklung auf dem Laufenden halten. Informationen und regelmäßige Updates zu aktuellen rechtlichen Entwicklungen im Bereich Wasserstoff finden Sie auch auf der CMS-Insight-Seite Wasserstoff.
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