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Greenwashing im Fokus: BaFin-Richtlinie für nachhaltige Investmentvermögen

Nachhaltigkeit wird aufgrund der steigenden Anlegernachfrage ein zunehmendes Verkaufsargument bei Fondsprodukten und die Anzahl an Fonds, die als nachhaltig gelabelt werden, steigt kontinuierlich. Damit einher geht die Gefahr von Greenwashing, also die Vermarktung von Fondsprodukten als nachhaltig, die tatsächlich nicht als solche bezeichnet werden können. Hier will die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit ihrem im August veröffentlichten Entwurf einer Richtlinie für nachhaltig ausgerichtete Investmentvermögen (BaFin-Richtlinie) vorbeugen.

„Wo ESG draufsteht, muss auch Nachhaltigkeit drin sein“, betonte Dr. Thorsten Pötzsch, Exekutivdirektor bei der BaFin, im Rahmen der Veröffentlichung der BaFin-Richtlinie.

Mindestanforderungen an neu zu genehmigende Anlagebedingungen

Dazu implementiert die BaFin nun Mindestanforderungen, wie Kapitalverwaltungsgesellschaften ihre als nachhaltig (zum Beispiel grün, sustainable oder ESG) bezeichneten oder als „explizit nachhaltig“ vertriebenen Publikumsinvestmentfonds ausgestalten müssen. Möglich ist der Vorstoß der BaFin durch eine Lücke in der europäischen Regulierung. So regeln die Offenlegungs-VO und Taxonomie-VO, welche Offenlegungspflichten Kapitalverwaltungsgesellschaften auf Produktebene in ihren Verkaufsunterlagen zu berücksichtigen haben, wenn mit einem Investmentvermögen unter anderem ökologische oder soziale Merkmale beworben oder nachhaltige Investitionen angestrebt werden. Mindestvorgaben im Hinblick auf Nachhaltigkeitsgesichtspunkte und die Ausgestaltung der Anlagebindungen sind aber nicht vorgesehen. 

Diese Lücke soll nun die BaFin-Richtlinie füllen. Die BaFin wendet bereits die Konsultationsfassung auf die Genehmigung der Anlagebedingungen der betroffenen Fonds an. Erfasst sind ausschließlich inländische Publikumsinvestmentfonds, deren Anlagebedingungen bei der Veröffentlichung des Richtlinienentwurfs noch nicht genehmigt waren. Sie können die Anforderungen an nachhaltiges Investmentvermögen über mindestens eine der drei folgenden Kategorien sicherstellen:

  • durch eine Mindestinvestitionsquote in nachhaltige Vermögensgegenstände 
  • aufgrund einer nachhaltigen Anlagestrategie
  • durch Nachbildung eines nachhaltigen Index

Mindestinvestitionsquote in nachhaltige Vermögensgegenstände 

Bei der ersten Variante muss in den Anlagebedingen ausgewiesen werden, dass der Fonds mindestens 75 % in nachhaltige Vermögensgegenstände investiert. Zur Bestimmung einer nachhaltigen Investition wird auf die Offenlegungs-VO verwiesen und vorausgesetzt, dass eine Kombination aus positiven Eigenschaften (zum Beispiel Mindestumsatzanteil Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien) und Ausschlusskriterien (zum Beispiel kein Erwerb von Unternehmen, die Stromerzeugung mit fossilen Brennstoffen betreiben) bei der Nachhaltigkeitsbewertung berücksichtigt wird. 

Zusätzlich müssen bei Fonds, die in Finanzinstrumente oder Unternehmensbeteiligungen investieren, die Emittenten bzw. Portfolio-Unternehmen der nachhaltigen Vermögensgegenstände einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines oder mehrerer Umwelt- oder Sozialziele unter der Offenlegungs-VO oder Taxonomie-VO leisten und dürfen nicht gleichzeitig zu einer erheblichen Beeinträchtigung dieser Ziele führen. Zu keiner erheblichen Beeinträchtigung von Umweltzielen führen nach Auffassung der BaFin solche Investments, deren Umsatz sich zu maximal 10 % aus fossilen Brennstoffen (allerdings nicht in Bezug auf Gas) oder Atomstrom, zu nicht mehr als 5 % aus der Förderung von Kohle oder Erdöl und nicht aus dem Anbau, der Exploration von Ölsand und Ölschiefer und auch nicht aus Dienstleistungen dafür zusammensetzt.

Bei dem Verfolgen einer nachhaltigen Anlagestrategie müssen entweder bei mindestens 75 % des betroffenen Fonds Nachhaltigkeitsgesichtspunkte/-faktoren bei der Auswahl der Vermögensgegenstände von entscheidender Bedeutung sein oder bei der Fondsverwaltung muss insgesamt eine nachhaltige Anlagestrategie (zum Beispiel Best-in-Class-Strategie) verfolgt werden. Bei der Nachbildung eines nachhaltigen Index sind nähere Angaben zu dessen Nachhaltigkeitscharakter in die Anlagebedingungen aufzunehmen.  

Neben der Sicherstellung, dass kein Umwelt- oder Sozialziel erheblich beeinträchtigt wird, müssen bei allen drei Varianten Prinzipien einer guten Governance bzw. Unternehmensführung beachten werden.

Zusammenspiel mit europäischen Normen

Die BaFin-Richtlinie füllt strukturell wie materiell einen weißen Fleck der europäischen Regulierung: Sie erfasst im Vertrieb anders als MiFID II das beratungsfreie Geschäft und führt in der Sache erstmals quantitative Mindestvorgaben ein. Keine Regelung trifft sie im Spezialfondsbereich. Über die ganze Bandbreite der in Deutschland vertriebenen Produkte teilt die BaFin-Richtlinie somit den Markt: Im Spezialfondsbereich und für Fonds, die über bereits genehmigte Anlagebedingungen verfügen, gilt sie schlicht nicht. Und auch Fonds nach Art. 8 Offenlegungs-VO, die ihr Domizil außerhalb Deutschlands haben, können derzeit via Passporting weiter mit Bezeichnungen wie beispielsweise „ESG-screened“ in Deutschland benannt oder vertrieben werden. Perspektivisch sind jedoch auch auf EU-Ebene strengere Vorgaben zu erwarten. So hat die EU-Kommission im Juli 2021 im Rahmen der Vorstellung ihrer neuen Strategie zur Finanzierung einer nachhaltigen Wirtschaft als weitere Maßnahmen unter anderem die Definition von Mindestkriterien für die Nachhaltigkeit von Produkten, die unter Art. 8 Offenlegungs-VO fallen, vorgeschlagen.

Autoren

Anna-Maja Schaefer
Dr. Anna-Maja Schaefer, LL.M.
Counsel
Rechtsanwältin
Berlin
Constanze Winkler
Constanze Winkler
Senior Associate
Rechtsanwältin
Frankfurt
08/12/2021
2022 - Themen, die Sie bewegen werden
2021 war ein Jahr, in dem vieles im Wandel war – das zeigt nicht zuletzt die Wahl einer neuen Bundesregierung. Der Trend zur Veränderung und der darin liegenden Innovation wird auch im Jahr 2022 nicht abreißen. Im Gegenteil: Themen wie Nachhaltigkeit, New Work und eine zunehmende Digitalisierung in allen un­ter­neh­me­ri­schen Bereichen rücken in den ge­sell­schaft­li­chen Fokus und werden die Zukunft maßgeblich be­ein­flus­sen. Mit den Chancen, die diese Themen bieten, werden Unternehmen aber auch mit neuen Her­aus­for­de­run­gen konfrontiert – sei es die Implementierung neuer Vorgaben im Bereich des Klimaschutzes, die Umsetzung des Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­ge­set­zes oder die Umwandlung hin zu einem nachhaltigen Arbeitgeber. All dies erfordert Ver­än­de­rungs­be­reit­schaft und In­no­va­ti­ons­kraft, fördert aber gleichzeitig die eigene wirtschaftliche Stärke und Wett­be­werbs­fä­hig­keit. Wie können Unternehmen den aktuellen Umbruch für ihr eigenes Wachstum nutzen? Welche Her­aus­for­de­run­gen müssen hierbei berücksichtigt werden? Wo liegen rechtliche Vorgaben, die beachtet werden müssen?Im Folgenden finden Sie einen Überblick über die wichtigsten Themen des Jahres 2022. Wir begleiten Sie dabei, den anstehenden Umschwung erfolgreich zu gestalten, und freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit Ihnen!

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