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Ziel: Beschleunigung beim Ausbau der erneuerbaren Energien

Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien muss – wie auch der entsprechende Netzausbau – drastisch ausgebaut werden, um die Klimaziele zu erreichen. Die Genehmigungsverfahren dauern aber oft viele Jahre. Die bisherigen Beschleunigungsvorschläge sind sinnvoll, greifen aber zu kurz. Denn zu Verzögerungen führen vor allem die inhaltlichen Anforderungen, die an die Vorhaben gestellt werden, insbesondere die Vorgaben der europäischen Umweltrichtlinien und ihre wenig praktikable Auslegung durch den EuGH. Diese bringen insbesondere umfangreiche Untersuchungspflichten mit sich, die für den Umweltschutz oft keinen echten Mehrwert erzielen. Einige nationale Vorschriften wie auch die europäischen Umweltrichtlinien müssen daher so geändert werden, dass sie für Vorhabenträger und Genehmigungsbehörden wieder handhabbar werden. Das würde auch größere Rechtssicherheit schaffen und langwierige Gerichtsverfahren vermeiden. 

Erneuerbare-Energien-Projekte, insbesondere Wind- und Solarparks, sowie der Netzausbau könnten so beschleunigt werden, ohne das ökologische Schutzniveau nennenswert zu senken.

Artenschutz

Windparks scheitern oder verzögern sich meist wegen Rotmilanhorsten, Zugvogelkorridoren oder Fledermausvorkommen. Nach der strengen Rechtsprechung des EuGH soll schon die unbeabsichtigte, aber als Folge des Vorhabens nicht auszuschließende Tötung eines einzigen Exemplars einer geschützten Art gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot verstoßen. Der Prüfaufwand würde erheblich reduziert, wenn stattdessen auf eine Gefährdung der lokalen Population einer Art abgestellt wird. Zudem wäre zu überprüfen, ob ein strenger Schutz auch der häufig vorkommenden Arten gerechtfertigt ist. 

Gebietsschutz

Viele Projekte werden im Umfeld europäischer Schutzgebiete, der sogenannten Natura-2000-Gebiete, realisiert. Der EuGH verlangt, dass in einer Verträglichkeitsprüfung mit wissenschaftlicher Sicherheit nachgewiesen wird, dass das Vorhaben nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen solcher Gebiete führen kann. Nach der Rechtsprechung sind dabei auch fernliegende, nicht völlig auszuschließende Risiken zu ermitteln und zu bewerten. Der dafür erforderliche Prüf- und Gutachtenauftrag würde erheblich verringert, wenn anstelle dieses Prüfungsmaßstabs der praxisnähere Maßstab des Gefahrenabwehrrechts gelten würde. Eine Beeinträchtigung wäre dann nur relevant, wenn sie aufgrund konkreter Anhaltspunkte wahrscheinlich ist.

Ausnahmen

Von den Vorgaben des europäischen Naturschutz-, Artenschutz- und Wasserrechts können die Behörden Ausnahmen erteilen. Die dafür zu erbringenden Nachweise, insbesondere für das Fehlen zumutbarer Alternativen, lassen sich wiederum nur mit großem Gutachtenaufwand erbringen. Abhilfe würden eine generelle Ausnahme für Klimaschutzprojekte und verringerte Anforderungen an die Alternativenprüfung schaffen.

Maßgeblicher Zeitpunkt 

Nach der Rechtsprechung muss ein Vorhaben alle zum Zeitpunkt der Genehmigung geltenden rechtlichen und fachlichen Anforderungen einhalten. Auch die entsprechenden Datengrundlagen müssen am Ende des langen Zulassungsverfahrens noch aktuell sein. Häufig ändern sich aber zwischenzeitlich die Anforderungen durch Gerichtsurteile, behördliche Leitfäden oder fachliche Standards. Die Nachbesserung der Antragsunterlagen, oft unter Aktualisierung der Bestandserfassungen, sowie gegebenenfalls eine Wiederholung der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung ließen sich vermeiden, wenn der Gesetzgeber den maßgeblichen Zeitpunkt für den Datenstand, etwa die Antragstellung, festlegte. 

Planungsrechtliche Privilegierung von Solarparks

Freiflächen-Solarparks liegen meist im sogenannten Außenbereich, sind aber dort zur Flächenschonung bislang nicht privilegiert und daher ohne Bebauungsplan (Verfahrensdauer mindestens ein bis zwei Jahre) grundsätzlich unzulässig. Zusätzliche, nach den Bundesländern unterschiedliche Erschwernisse ergeben sich für raumbedeutsame Solarparks. So scheiden in einigen Bundesländern landwirtschaftlich genutzte bzw. entsprechende Vorbehaltsflächen aus oder müssen sich die Standorte an den Vorgaben des EEG orientieren.

Um langwierige Bebauungsplanverfahren und die entsprechende Änderung der Flächennutzungspläne zu vermeiden, sollte der Gesetzgeber – jedenfalls befristet oder unter Maßgaben – einen Privilegierungstatbestand in § 35 Abs. 1 BauGB für Solarparks schaffen. Zudem sollten die Bundesländer das Planungsrecht von den Standortvorgaben des EEG entkoppeln. Denn so wären auch Solarparks zulässig, die ohne EEG-Förderung vermarktet werden können.

Abschaffung der Abstandsregelungen für Windkraft an Land

Die vor einigen Jahren eingeführte Öffnungsklausel für Landesregelungen zu Mindestabständen zwischen Wohnnutzung und Windkraftanlagen sollte die Akzeptanz für Windparks erhöhen, hemmt aber den notwendigen Ausbau. Dies gilt auch für die Ausschlusswirkung von Konzentrationszonen. Diese ist zwar für eine Steuerung der Flächennutzung an sich sinnvoll. Das Ziel, 2 % der Landesflächen für die Windkraftnutzung auszuweisen, ist jedoch ohne Aufweichung von Mindestabständen und Ausschlusswirkung – jedenfalls für eine Übergangszeit – nicht zu erreichen. 

Fazit und Ausblick

Die Änderung insbesondere der europäischen Umweltrichtlinien bedeutet einen politischen Kraftakt. Wenn die Klima- und Energiewende nicht schon an den langen Genehmigungsverfahren scheitern soll, führt am Versuch aber kein Weg vorbei.

Autoren

Christiane Kappes
Dr. Christiane Kappes
Partnerin
Rechtsanwältin
Hamburg
Ursula Steinkemper
Dr. Ursula Steinkemper
Partnerin
Rechtsanwältin | Fachanwältin für Verwaltungsrecht | Leiterin Energiewirtschaft & Klimaschutz, CMS Deutschland
Stuttgart
Neele Ann Christiansen
Dr. Neele Ann Christiansen
Partnerin
Rechtsanwältin
Hamburg
08/12/2021
2022 - Themen, die Sie bewegen werden
2021 war ein Jahr, in dem vieles im Wandel war – das zeigt nicht zuletzt die Wahl einer neuen Bundesregierung. Der Trend zur Veränderung und der darin liegenden Innovation wird auch im Jahr 2022 nicht abreißen. Im Gegenteil: Themen wie Nachhaltigkeit, New Work und eine zunehmende Digitalisierung in allen un­ter­neh­me­ri­schen Bereichen rücken in den ge­sell­schaft­li­chen Fokus und werden die Zukunft maßgeblich be­ein­flus­sen. Mit den Chancen, die diese Themen bieten, werden Unternehmen aber auch mit neuen Her­aus­for­de­run­gen konfrontiert – sei es die Implementierung neuer Vorgaben im Bereich des Klimaschutzes, die Umsetzung des Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­ge­set­zes oder die Umwandlung hin zu einem nachhaltigen Arbeitgeber. All dies erfordert Ver­än­de­rungs­be­reit­schaft und In­no­va­ti­ons­kraft, fördert aber gleichzeitig die eigene wirtschaftliche Stärke und Wett­be­werbs­fä­hig­keit. Wie können Unternehmen den aktuellen Umbruch für ihr eigenes Wachstum nutzen? Welche Her­aus­for­de­run­gen müssen hierbei berücksichtigt werden? Wo liegen rechtliche Vorgaben, die beachtet werden müssen?Im Folgenden finden Sie einen Überblick über die wichtigsten Themen des Jahres 2022. Wir begleiten Sie dabei, den anstehenden Umschwung erfolgreich zu gestalten, und freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit Ihnen!

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