Neuer Mangelbegriff im Kaufrecht
Die Umsetzung der Warenkaufrichtlinie bringt ab dem 1. Januar 2022 für alle Kaufverträge einen neuen Sachmangelbegriff.
Bisher galt vorrangig: Entspricht der Kaufgegenstand dem, was die Parteien vereinbart haben, und eignet er sich für die von den Parteien vorausgesetzte Verwendung? Ab 1. Januar 2022 kommt ein objektiver Maßstab hinzu: Der Kaufgegenstand muss daneben grundsätzlich auch objektiven Kriterien entsprechen, zum Beispiel sich auch für die gewöhnliche Verwendung eignen und eine Beschaffenheit aufweisen, die der Käufer objektiv erwarten kann.
Im unternehmerischen Verkehr soll diese Änderung nach der Gesetzesbegründung zwar keine Auswirkungen haben. Ob das auch die Gerichte so sehen, bleibt jedoch abzuwarten. Verkäufer werden zukünftig jedenfalls dann Handlungsbedarf haben, wenn ihre Produkte von objektiven Erwartungen abweichen.
Dieser Handlungsbedarf ist bei Verbrauchsgüterkäufen in der Neuregelung ab 1. Januar 2022 bereits ausdrücklich geregelt: Auf Abweichungen von den objektiven Anforderungen muss der Verkäufer vor Vertragsschluss hinweisen und diese mit den Vebraucherinnen und Verbrauchern „ausdrücklich und gesondert“ vereinbaren.
Erstmals einheitliche Regelungen für Verträge über digitale Produkte
Die Umsetzung der Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen erfolgte über die Einführung eines eigenen Kapitels über „Verträge über digitale Produkte“ – das heißt digitale Inhalte und Dienstleistungen – im Allgemeinen Teil des BGB (§§ 327 ff. BGB n. F.). Für derartige Verträge gelten im B2C-Bereich künftig vergleichbare (Gewährleistungs-)Regeln wie beim Kauf von Waren – inklusive eines entsprechenden Mangelbegriffs.
Neue Softwareupdatepflicht in B2C-Verträgen
Sowohl bei der Bereitstellung von digitalen Produkten als auch beim Verkauf von Waren mit digitalen Elementen (zum Beispiel Smartphones mit Betriebssystem) an Verbraucherinnen und Verbraucher trifft Unternehmer künftig eine Aktualisierungspflicht. Für einen Zeitraum, in dem die Verbraucherinnen und Verbraucher dies im konkreten Fall erwarten können (und der auch über die gesetzlichen Gewährleistungsfristen hinausgehen kann), müssen künftig Softwareupdates bereitgestellt werden, die für den Erhalt der Vertragsgemäßheit der Produkte oder Waren erforderlich sind. Dies betrifft insbesondere – aber nicht nur – Sicherheitsupdates.
Weitere Änderungen beim Verkauf an Verbraucher: Fristsetzung zur Nacherfüllung entfällt, verlängerte Beweislastumkehr, verpflichtende Garantieerklärung
Daneben machten die EU-Vorgaben weitere Änderungen im B2C-Bereich erforderlich. Beispielsweise müssen Verbraucherinnen und Verbraucher bei Mängeln künftig keine Frist zur Nacherfüllung mehr setzen, sondern der Unternehmer muss diese von sich aus innerhalb einer angemessenen Frist nach Mitteilung des Mangels vornehmen. Außerdem wird künftig, wenn sich innerhalb von zwölf (statt wie bisher sechs) Monaten ein Mangel der verkauften Ware oder eines digitalen Produkts zeigt, vermutet, dass dieser bereits bei Vertragsschluss vorlag.
Für Verbrauchsgüterkäufe werden zudem die Regelungen für Garantien verschärft. Die verpflichtenden Inhalte für Garantieerklärungen werden erweitert und die Erklärungen sind künftig stets (und nicht mehr wie bisher nur auf Verlangen) spätestens zeitgleich mit der Lieferung der Ware zur Verfügung zu stellen.
Verlängerte Gewährleistung gegenüber Verbrauchern und unbegrenzter Unternehmerregress
Auch verlängert sich im B2C-Bereich unter Umständen die Verjährung von Mängelansprüchen der Verbraucherinnen und Verbraucher: Tritt während der zweijährigen Verjährungsfrist ein Mangel auf, verjähren diesbezügliche Ansprüche künftig frühestens vier Monate, nachdem sich der Mangel erstmals gezeigt hat. Dies kann bei „analogen“ Waren faktisch eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist auf bis zu zwei Jahre und vier Monate bedeuten. Für digitale Produkte und digitale Elemente von Waren haften Unternehmer künftig unter Umständen noch länger; hier endet die Verjährungsfrist frühestens ein Jahr nach Ende des Bereitstellungszeitraums. Greift die neue Software-Aktualisierungspflicht, verjähren diesbezügliche Ansprüche ebenfalls frühestens zwölf Monate nach deren Ende.
Wichtig auch für B2B-Verträge: Für den Unternehmerregress entlang der Lieferkette entfällt künftig die Höchstfrist von fünf Jahren ab Lieferung der Ware durch den Lieferanten, das heißt, entsprechende Regressansprüche verjähren künftig ohne Obergrenze frühestens zwei Monate nach dem Zeitpunkt, in dem der Verkäufer die Ansprüche des Käufers erfüllt hat.
Änderungen gelten ab dem 1. Januar 2022
Die Neuregelungen gelten für alle Verträge, die ab dem 1. Januar 2022 geschlossen werden oder bei denen die Bereitstellung von digitalen Produkten nach diesem Zeitpunkt erfolgt. Unternehmer sollten daher rechtzeitig prüfen, ob ihre Verträge die neue Rechtslage ausreichend abbilden oder ob diese ebenfalls ein Update erfordern.
Auf welche weiteren Änderungen sich vor allem Unternehmen mit B2C-Geschäft in 2022 einstellen müssen, beleuchten wir auch in unserer Blogserie Verbraucherverträge im Digitalzeitalter.
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