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Von Masken, Süßigkeiten und Testzugängen: Neues zum Dauerbrenner Zuwendungsverbot

Update Gewerblicher Rechtsschutz & Kartellrecht 04/2021

April 2021

Es sind probate Marketing-Tools: Rabatte, Geschenke, Boni. Beim Verkauf von Arzneimitteln und Medizinprodukten gelten allerdings besondere Vorgaben. Hier sind Zuwendungen im Grundsatz verboten und nur in Ausnahmefällen erlaubt. Wie eng der Spielraum für Hersteller und Händler ist, zeigen aktuelle Fälle aus der Praxis.

Erlass der Eigenbeteiligung bei FFP2-Masken

Kontrovers diskutiert werden derzeit Vergünstigungen im Zusammenhang mit der Abgabe von FFP2-Masken, insbesondere in Apotheken. Nach der seit dem 15. Dezember 2020 gel­ten­den Co­ro­na­vi­rus-Schutz­mas­ken-Ver­ord­nung (SchutzmV) kön­nen bestimmte Per­so­nengruppen mit einem Be­rech­ti­gungs­schein von Ja­nu­ar bis April 2021 zweimal sechs FFP2-Schutz­mas­ken in Apo­the­ken ab­ho­len. Dabei hat jede an­spruchs­be­rech­tig­te Per­son laut § 6 SchutzmV eine Ei­gen­be­tei­li­gung in Höhe von EUR 2 je Ab­ga­be von sechs Schutz­mas­ken zu leis­ten.

Verschiedene Apotheken waren auf den Gedanken gekommen, Kunden die Eigenbeteiligung bei der Ausgabe von FFP2-Masken, die über Berechtigungsscheine erworben werden, zu erlassen. Diese Praxis war von Verbänden in mehreren Fällen als unzulässig beanstandet worden. Mit Erfolg. Wie mehrere Gerichte, darunter das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 10. Februar 2021, Az 34 O 4/21), entschieden, müssen Apotheken, die FFP2-Masken nach der Coronavirus-Schutzmasken-Verordnung an Berechtigte abgeben, die Eigenbeteiligung von EUR 2 bei den Bürgern einziehen und dürften nicht darauf verzichten. Das wurde auf §§ 8, 3 a UWG i. V. m § 6 SchutzmV gestützt. Die Schutzmasken-Verordnung regele im Interesse der berechtigten Personen, dass alle Apotheken flächendeckend und schnell und unter den gleichen Bedingungen FFP2-Masken abgeben. Die Eigenbeteiligung von EUR 2 verfolge – anders als die Zuzahlung bei der gesetzlichen Krankenversicherung – keine gesundheitsökonomischen Ziele. Die Eigenbeteiligung solle zur verantwortungsvollen Inanspruchnahme der Schutzmasken durch die Bürger beitragen und damit im Interesse der Bürger das Marktverhalten der Apotheken regeln. Aus Sicht etwa des Landgerichts Düsseldorf sei die Eigenbeteiligung damit als Marktverhaltensregel zu verstehen. Die Apotheken sollten dadurch ermutigt werden, die Maßnahme zu unterstützen. Zugleich würden sie aber nicht zu einer Beteiligung verpflichtet. Sofern die Apotheken sich nicht an die Regeln – wie etwa das Verlangen einer Eigenbeteiligung – halten wollen, stehe es ihnen frei, keine Schutzmasken an Risikopatienten nach den Vorgaben der SchutzmV zu verteilen.

Beigabe von Süßigkeiten

Im wahrsten Sinne des Wortes schmackhafter machen wollte ein Hersteller die Bestellung seiner Produkte in einem kürzlich vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall (Urteil vom 22. September 2020, Az I-4 U 38/20). Das Unternehmen bot Apotheken im Rahmen einer Rabattaktion ab einem Bestellwert von EUR 30 die Gratiszugabe einer Box Weingummi im Wert von rund EUR 5 an. Ein Verband zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs mahnte das Unternehmen wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 HWG ab. Das Unternehmen hielt die Praxis für zulässig und argumentierte im Kern, als Mitglieder der Fachkreise ließen sich Apotheken durch eine solch geringe Beigabe nicht beeinflussen. Die für Publikumswerbung angelegte Wertgrenze von EUR 1 könne nicht gelten.

Vor Gericht hatte es damit keinen Erfolg. Sowohl das Landgericht Dortmund als auch das Oberlandesgericht Hamm hielten die Praxis für unzulässig. In seinem Berufungsurteil führt das Oberlandesgericht aus, dass die Boxen mit Süßigkeiten Werbegaben im Sinne des § 7 HWG seien. Entgegen der Ansicht des Herstellers greife keine Ausnahme gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG. Insbesondere liege keine geringwertige Kleinigkeit vor. Dabei könne offenbleiben, ob auch bei einer Werbung gegenüber Fachkreisen für Medizinprodukte in Anlehnung an die BGH-Rechtsprechung im Bereich der Publikumswerbung für Zugaben (BGH, Urteil vom 9. September 2010, Az I ZR 193/07) eine Wertgrenze von EUR 1 gelte. Mit einem Wert von mindestens EUR 4,89 sei die Box jedenfalls keine geringwertige Kleinigkeit mehr. Das treffe nur auf kleinere Zugaben zu, die sich als Ausdruck allgemeiner Kundenfreundlichkeit darstellten und einen völlig zu vernachlässigenden Wert hätten. Dieser bestimme sich nach dem Vorteil, den der Umworbene erhalte.

Keinesfalls könne die Geringwertigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 HWG nach einem Verhältnis des Warenwertes und des Wertes der Werbegabe bestimmt werden. Denn sonst steige mit dem Warenwert auch der Wert der zulässigen Zugabe, was bei Großbestellungen erhebliche Summen ausmachen könne. Es komme auch nicht darauf an, ob sich der Apotheker speziell durch die Werbegabe dazu veranlasst sehe, auf Kosten bestehender Gesundheitsrisiken die von der Beklagten angebotenen Produkte abzusetzen. § 7 Abs. 1 HWG solle durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung begegnen, die von einer Werbung mit Geschenken ausgehen könne. Es sollten jegliche Verkaufsförderungstaktiken verhindert werden, die bei den Angehörigen der Gesundheitsberufe ein wirtschaftliches Interesse an der Verschreibung oder Abgabe von Arzneimitteln oder Medizinprodukten erwecken könnten.

Testzugänge bei digitalen Produkten

Bei der Vermarktung von digitalen Produkten stellt sich für Hersteller ebenfalls die Frage, wie potenzielle Kunden durch Vergünstigungen oder Zugaben für das betreffende Produkt interessiert werden können. Hier werden in der Praxis Testzugänge oder Rabatte auf Lizenzen diskutiert. Auch derartige Marketingmethoden müssen sich am Maßstab des § 7 HWG messen lassen. Rechtsprechung gibt es hierzu, soweit ersichtlich, bislang nicht.

Im Ergebnis dürften Rabatte auf die Zahlung von Lizenzen in gewissem Rahmen möglich sein. Zwar handelt es sich auch insoweit um eine Zuwendung. Allerdings ermöglicht § 7 Abs. 1 S. 2 HWG die Gewährung von Zuwendungen oder Werbegaben, soweit diese einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag entsprechen. Dieses Kriterium dürfte bei Nachlässen auf eigentlich geschuldete Lizenzzahlungen erfüllt sein.

Anders sieht dies bei einem vollständigen Verzicht auf die Lizenzzahlung aus, etwa bei der Gewährung eines Testzugangs. Ein vollständiger Erlass ist nach der Rechtsprechung zu § 7 HWG kein Rabatt mehr, sondern eine Zuwendung. Das bedeutet indes noch nicht, dass ein Testzugang, etwa für eine medizinische Software, rechtlich nicht möglich ist. Als Argumentationshilfe bietet sich hier eine Analogie zur Gewährung von Proben oder Mustern von Medizinprodukten an. Für diese ist anerkannt, dass sie – in Analogie zu den Regelungen für Arzneimittel im AMG – für eine begrenzte Zeit in begrenzter Menge und ausschließlich zu Testzwecken an Ärzte abgegeben werden dürfen. Wenn dies in digitaler Form durch einen Testzugang oder eine Demoversion geschieht, dürfte dies mit den Grenzen des § 7 HWG vereinbar sein.

Fazit: Spielräume für Zuwendungen bleiben eng

Die jüngste Entscheidungspraxis zeigt, dass die Spielräume für Anbieter von Medizinprodukten für Zuwendungen nach wie vor eng sind. Die Rechtsprechung bleibt restriktiv. Das zeigt insbesondere das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm zur Geringwertigkeitsgrenze. Das Gericht ließ zwar offen, ob auch bei Fachkreiswerbung die Wertgrenze bei EUR 1 liegen soll – manches spricht dagegen. Jedenfalls hält es knapp EUR 5 für zu hoch. Deutlich ist die Absage des Gerichts an eine relative Bestimmung der Geringwertigkeitsschwelle. Das Oberlandesgericht Köln hatte demgegenüber eine Berechnung von 0,8 % des Warenwertes angestellt und einen absoluten Betrag von EUR 13 für zulässig gehalten (OLG Köln, Urteil vom 7. Dezember 2018, Az 6 U 95/18). Folgte man dem, kämen bei Großbestellungen hohe Summen zustande. Das, so das Oberlandesgericht Hamm, liefe dem Normzweck zuwider, den es im Einklang mit dem Bundesgerichtshof und der überwiegenden Auffassung der Literatur in einer abstrakten Gefährdung der unsachlichen Beeinflussung sieht – unabhängig davon, ob dadurch Gesundheitsrisiken begründet werden oder nicht. Und dass Hersteller und Händler gut beraten sind, die rechtlichen Vorgaben ernst zu nehmen, selbst wenn sie als zu streng empfunden werden, zeigt sich an der steten Beobachtung durch Wettbewerber und Verbände: Die Hoffnung, mit Marketingmaßnahmen gleichsam unter dem Radar durchzusegeln, kann sich schnell in Luft auflösen.

Dieser Artikel ist Teil des Update Gewerblicher Rechtsschutz und Kartellrecht, welches Sie hier abonnieren können.

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Dr. Roland Wiring
Partner
Hamburg