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Künstliche Intelligenz im HR-Management

Update Arbeitsrecht 03/2022

März 2022

I. Einleitung

Häufig als Schlüsseltechnologie der Zukunft bezeichnet, weckt Künstliche Intelligenz (KI) viele Verheißungen.

Der Begriff Künstliche Intelligenz wird heute in den unterschiedlichsten Zusammenhängen verwendet, ohne dass eine allgemein anerkannte Definition existiert. Zunächst lässt sich konstatieren, dass es sich bei KI nicht um eine einzige Technologie, sondern um ein ganzes Konsortium aus miteinander verknüpften Lösungen und Prozessen handelt, die auf große Datenmengen zugreifen und sie verarbeiten. Mit ihrer Hilfe soll ein Computer Aufgaben erledigen, für die ein Mensch seine Intelligenz benutzen muss, also etwa lernen, bewerten und Probleme lösen. Die entscheidenden Merkmale von KI sind ein gewisser Grad an Anpassungsfähigkeit und Autonomie des technischen Systems.

Die Einsatzfelder decken vom Recruiting über das Personalmanagement bis hin zur langfristigen Personalentwicklung den gesamten Zyklus eines Arbeitslebens ab.

Mit den Potentialen, die der Einsatz von KI in Unternehmen mit sich bringt, gehen jedoch auch neue Herausforderungen einher. Die juristische Aufarbeitung des Themas hinkt der rasch fortschreitenden technischen Entwicklung weit hinterher und viele wichtige Fragen sind noch nicht abschließend geklärt.

Im Folgenden finden Sie einen Überblick über die wichtigsten Themen im Zusammenhang mit dem Einsatz Künstlicher Intelligenz im HR-Management.

II. Einsatzfelder und Chancen der KI im HR

1. Recruiting

Eines der größten Potentiale der Anwendung von KI liegt im Recruiting.

Die Unternehmen können schon im Vorfeld der eigentlichen Stellenausschreibung mittels Kennzahlenanalyse feststellen, welche Recruiting-Kanäle die meisten Bewerber liefern und über welche Portale die meisten Einstellungen generiert werden konnten. Zudem können Algorithmen durch „Programmatic Advertising“ Einfluss darauf nehmen, welchen Nutzern die Ausschreibung angezeigt wird. Auch das sog. „Robot-Recruiting“, die proaktive Suche nach passenden Kandidaten mittels Algorithmen, die anhand von Anforderungen und Kriterien Business-Netzwerke wie XING oder LinkedIn durchsuchen, erscheint denkbar. Daraus könnte sich ein entscheidender Vorteil im „War for Talents“ ergeben.

Im nächsten Schritt kann durch den Einsatz von „People Analytics“-Anwendungen eine Vorauswahl aus den eingehenden Bewerbungen getroffen werden.

Auch Bewerbungsgespräche können mithilfe von KI kostengünstig und zeitsparend gestaltet werden, indem Unternehmen diese von Chatbots unterstützen oder gar gänzlich führen lassen. Eine weitere Anwendung von KI ist die automatisierte Auswertung von Sprache, Mimik und Gestik während des Bewerbungsgespräches zur Analyse von Persönlichkeitsmerkmalen, wie zum Beispiel Teamfähigkeit oder Belastbarkeit. Besonders reizvoll ist hier die Kombination aus KI und Big Data, also der Analyse großer Datenmengen aus vielfältigen verschiedenen und unterschiedlich strukturierten Quellen in hoher Geschwindigkeit.

In umfassenden Bewerbungsprozessen wird regelmäßig auch auf Online-Assessments zurückgegriffen, auch hier ist der Einsatz von KI möglich. So verwendete beispielsweise Unilever in einem Auswahlprozess eine Drittplattform, auf welcher die Bewerber in kurzer Zeit eine Reihe von „Computerspielen“ lösen mussten. Diese Spiele ermitteln und bewerten die kognitiven und emotionalen Eigenschaften, insbesondere die Risikoneigung oder -aversion der Bewerber. Die Analyse verfolgte das Ziel, diejenigen Kandidaten zu finden, deren gemessene Eigenschaften am besten mit denen der vergleichbar risikofreudigen und erfolgreichen Mitarbeiter im Unternehmen korrelierten.

2. Personalmanagement

Im Bereich des Personalmanagements liegt besonderes Potential der KI in der Automatisierung von Routineaufgaben. So können „virtuelle“ HR-Mitarbeiter in Form von Chatbots wiederkehrende Anfragen automatisiert bearbeiten und so beispielsweise die Beschäftigten informieren, wo sie bestimmte Informationen finden. Nestlé etwa hat auf Basis der SAP-Cloud-Plattform einen Chatbot für die HR-Mitarbeiter entwickeln lassen, der Informationen und HR-Kennzahlen bereitstellt und diese zudem grafisch aufbereitet.

Auch die Auszahlung der Löhne, das Urlaubs- und Abwesenheitsmanagement, die Erstellung von Dienstplänen, die Zuweisung von Aufgaben und die Auswertung von erbrachten Leistungen oder die Vorgabe neuer Ziele für die Folgezeit können potentiell automatisiert werden. Die dadurch gewonnenen zeitlichen Ressourcen könnten für eine verstärkte „menschliche“ Beschäftigung mit den Mitarbeitern aufgewendet werden, um dadurch eine gesteigerte Mitarbeiterbindung zu erreichen.

3. Personalentwicklung

Auch die Personalentwicklung könnte durch den Einsatz von KI revolutioniert werden. Beginnend beim einzelnen Mitarbeiter ermöglicht KI, wiederum in Kombination mit Big Data, das sog. „Matching“, eine optimale Zuordnung eines Mitarbeiters zu einer Stelle im Betrieb.

Durch Analysen zu individuellen Interessen und Fähigkeiten kann jedem Mitarbeiter der Zugang zu personalisierten Weiterbildungsangeboten eröffnet und persönlicher Unter- und Überforderung gezielt vorgebeugt werden. KI-Bots können Mitarbeiter gezielt auf gleichen Wissensstand bringen, um in einem verkürzten Präsenztraining das Gelernte nur noch zu üben und spezielle Fragen zu stellen. Dadurch können sich Seminarzeiten um etwa 50 % verkürzen.

KI und Big Data machen es Unternehmen möglich, Vorhersagen über die Entwicklung relevanter Größen wie zum Beispiel des künftigen Personalbedarfs zu treffen und damit Leerzeiten zu vermeiden und erwartbare Engpässe zu kontrollieren. Ein Beispiel für einen solchen Prozess ist die Personalplanung in einem Callcenter. Diese erfordert eine Prognose, wie viele Anrufe das Callcenter an einem bestimmten Tag ungefähr erhalten wird. Mithilfe von Verfahren des „Machine Learning“ auf Basis bestehender Daten zu Anrufen aus der Vergangenheit kann ein intelligentes IT-System diese Prognosen liefern. Zudem können Chancen und Risiken über Trends und Projektionen frühzeitig erkannt und notwendige Maßnahmen proaktiv ergriffen werden.

Besonders interessant dürften für Unternehmen Analysen von Kündigungsgründen zur gezielten Vorbeugung von Kündigungen sein. Noch früher angesetzt können intelligente Systeme mithilfe von Big Data ermitteln, welche Charakteristika Langzeitmitarbeiter aufweisen, die einem Unternehmen besonders treu sind. Dadurch können Strategien zur nachhaltigen Mitarbeiterbindung entwickelt und die Mitarbeiterfluktuation kann verringert werden.

III. Rechtliche Aspekte

Trotz der zu Recht betonten Chancen bestehen beim Einsatz von KI auch nicht von der Hand zu weisende Risiken, derer sich die Rechtsordnung annimmt.

1. Diskriminierung

Bei der Anwendung von KI kann aus Sicht der betroffenen Beschäftigten das Problem des sog. Blackbox-Phänomens bestehen: Die genaue Funktionsweise der KI entzieht sich meist der Kenntnis des Anwenders und oftmals sogar der des Entwicklers selbst. Es kann im Einzelnen nicht nachvollzogen werden, warum die KI eine bestimmte Entscheidung getroffen hat. Im schlimmsten Fall werden die Chancen des KI-Einsatzes gar in ihr Gegenteil verkehrt: Liegen dem Verarbeitungsvorgang quantitativ oder qualitativ unzureichende Daten zugrunde („dirty data“), kann die KI selbst diskriminierende Entscheidungen treffen und beispielsweise Personen aufgrund ihres Geschlechts benachteiligen.

Der Arbeitgeber kann sich in diesem Falle aufgrund von Diskriminierungen Schadensersatzansprüchen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ausgesetzt sehen. Betroffenen Bewerbern oder Arbeitnehmern werden durch das AGG Hilfsmittel wie eine Beweislastumkehr (§ 22 AGG) an die Hand gegeben, sodass zunächst nur Indizien, die auf eine Diskriminierung hindeuten, vorzubringen sind. Auch wird grundsätzlich vermutet, dass der Arbeitgeber die Diskriminierung durch die KI zu vertreten hat (§ 15 Abs. 1 AGG). Es bestehen daher rechtliche Risiken, die bereits im Stadium der Implementierung des KI-Systems adressiert werden müssen.

2. Datenschutz

Wie so oft im Zusammenhang mit der Einführung und Nutzung technischer Einrichtungen können sich auch bei der Nutzung von KI-Anwendungen datenschutzrechtliche Probleme ergeben. Wird eine KI eingesetzt, die Bewerber- bzw. Arbeitnehmerdaten verarbeitet, so bedarf dies der Legitimation.

Die bloße Einholung einer Einwilligung der von der Datenverarbeitung betroffenen Beschäftigten bietet sich dabei in der Praxis nur selten als eine rechtssichere Option zur Schaffung von Datenschutzkonformität an: Eine Einwilligung kann jederzeit formlos widerrufen werden. Oftmals werden zudem aufgrund des Machtgefälles zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Zweifel an der Freiwilligkeit einer erteilten Einwilligung laut. Erfolgt eine Einwilligung nicht freiwillig, so ist sie unwirksam. In einem bereits bestehenden Arbeitsverhältnis ist die Erteilung einer Einwilligung weniger problematisch, sofern an ihre Verweigerung keine Nachteile geknüpft sind. Denkbar wäre beispielsweise der Einsatz einer KI im Rahmen der Personalentwicklung, um den Arbeitnehmern individuelle, unverbindliche Weiterbildungsangebote zukommen zu lassen.

Statt individueller Einwilligungen kann es sich in der Praxis anbieten, eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat abzuschließen. Hiermit lassen sich gewissermaßen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Betriebsvereinbarung eignet sich zur datenschutzrechtlichen Legitimation einer Datenverarbeitung und kommt den sehr weitgehenden Beteiligungsrechten des Betriebsrats bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen nach.

Denkbar ist zudem die Legitimation mittels einer umfassenden und rechtssicheren Begründung der Erforderlichkeit der Datenverarbeitung für das Arbeitsverhältnis. Ist die Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten für die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses erforderlich, so darf sie unter Berücksichtigung der übrigen Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) erfolgen. Damit eine Datenverarbeitung erforderlich i. S. d. Datenschutzrechts ist, müssen die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer sowie des Arbeitgebers einander im Rahmen einer umfassenden Abwägung gegenübergestellt werden. Gegebenenfalls kann hieraus folgen, dass die Nutzung der Daten nur zu bestimmten Zwecken möglich ist, oder auch, dass eine Eingrenzung des Personenkreises mit Zugang zu den Daten vorzunehmen ist. Wo es, ohne die Funktionalität der KI zu beeinträchtigen, möglich ist, sollte eine Verschlüsselung und Pseudonymisierung der Daten vorgenommen werden.

Im Bereich des Recruitings stellt sich die Rechtfertigung umfassender Persönlichkeitsanalysen durch KI als besonders schwierig dar, da es in der Regel datenschonendere Wege geben wird, um eine Bewerberauswahl vorzunehmen.

Schließlich muss auf die Einhaltung der übrigen, aus der DSGVO folgenden Pflichten geachtet werden: Betroffene Personen sind über die Verarbeitung ihrer Daten umfassend zu informieren; Daten, die nicht mehr benötigt werden, sind zu löschen; fehlerhafte Daten sind zu korrigieren und Auskunftsansprüchen von Betroffenen ist nachzukommen. Sollen einmal erhobene Daten für das weitere Training einer KI verwendet werden, ist der betroffene Beschäftigte über die Änderung dieses Verwendungszwecks aufzuklären. Sofern die Verwendung personenbezogener Daten für das Training der KI nicht erforderlich ist, sollten diese vor ihrer Weiterverwendung zudem anonymisiert werden. Sie unterfallen dann auch nicht mehr dem Anwendungsbereich der DSGVO. Werden KI-Anwendungen genutzt, die sensible Daten automatisiert verarbeiten, kann eine Datenschutzfolgenabschätzung, die Umfang, Zweck und Verhältnismäßigkeit der Datenverarbeitung in einem umfassenden Bericht darlegt, erforderlich sein.

3. Betriebsverfassungsrecht

Wie bereits angesprochen, existieren im Rahmen der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen im Betrieb weitgehende Beteiligungsrechte des Betriebsrats. Es ist somit im Vorfeld des Einsatzes einer KI-Anwendung unbedingt zu prüfen, ob Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ausgelöst werden. Nachlässigkeiten im Vorbereitungsstadium können den späteren Einsatz des KI-Systems verzögern, Unterlassungsklagen des Betriebsrats provozieren und das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zerrütten.

Die Implementierung von KI-Systemen ist in vielen Fällen mitbestimmungspflichtig. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich mithilfe der KI zumindest theoretisch Rückschlüsse auf das Verhalten oder die Leistung des einzelnen Arbeitnehmers ziehen lassen. Ein KI-System, das beispielsweise die Produktivität eines Teams bestimmt, womöglich unter Ermittlung eines Effizienz-Scores, kann somit in den meisten Fällen nicht ohne Beteiligung des Betriebsrats eingeführt werden.

Die Rechte des Betriebsrats im Zusammenhang mit der Einführung von KI wurden 2021 ausgeweitet. Um den Betriebsräten einen Austausch über geplante Projekte auf Augenhöhe zu ermöglichen, wurde der Zugang zu Sachverständigen erleichtert. Der Einsatz der Sachverständigen ist vom Arbeitgeber zu finanzieren. Noch nicht abschließend geklärt ist dabei, ob im Betrieb vorhandene – und damit günstigere – Sachverständige vorrangig in Anspruch zu nehmen sind.

Neben dem Recht auf Zugang zu Sachverständigen wird dem Betriebsrat im Hinblick auf die Einführung von KI ein Unterrichtungs- und Beratungsrecht eingeräumt. Der Betriebsrat kann also seine frühzeitige Einbindung in die Planung verlangen. Schließlich soll der Betriebsrat KI-generierten Auswahlrichtlinien, die beispielsweise einem Bewerbungsverfahren zugrunde gelegt werden, widersprechen und auf eine Anpassung bestehen können. Derartige Auswahlrichtlinien könnten insbesondere durch die angesprochenen „People Analytics“-Anwendungen erstellt werden. Die Reform betrifft somit gerade auch den Recruiting-Bereich und macht es somit in der Regel erforderlich, den Betriebsrat bei der Einführung einer KI-gestützten Recruiting-Software zu beteiligen. Arbeitgeber und Betriebsrat haben an dieser Stelle – wie bereits angesprochen – insbesondere auf Diskriminierungsfreiheit zu achten.

IV. Fazit

Es gilt festzuhalten, dass in der Nutzung von KI im Personalbereich bislang unentdeckte Chancen liegen können. KI kann dabei helfen, die richtige Person für einen Job oder eine Beförderung zu finden. Richtig umgesetzt, ergeben sich insbesondere auch Vorteile für die Belegschaft. Die rechtlichen Risiken liegen dabei vor allem im Datenschutzrecht, können allerdings auch im Prozess der betrieblichen Mitbestimmung lauern.

Mithilfe fachkundiger Beratung lassen sich diese möglichen Probleme jedoch sicher umschiffen. Wir begleiten Sie gerne bei der Umsetzung weiterer Digitalisierungsmaßnahmen in Ihrem Betrieb und unterstützen Sie dabei, die Chancen zu entdecken, die Künstliche Intelligenz für Ihren Betrieb bereithält.

Weitere Informationen zum Einfluss von KI auf die Arbeitswelt der Zukunft mit Beiträgen von Autoren aus unserem Geschäftsbereich Arbeitsrecht finden Sie in dem Buch „Arbeitswelt und KI 2030“, das kürzlich im Springer-Verlag erschienen ist.


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Dr. Inka Knappertsbusch, LL.M.
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Köln
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Patricia Jares
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Köln