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COVID-19 für Fortgeschrittene

23/04/2021

Bitte beachten Sie, dass sich die Rechtslage in Hinblick auf die Corona-Pandemie regelmäßig ändert und nachfolgende Informationen lediglich den o.g. Stand abbilden. Es ist daher geboten, die Informationen auf eine ggf. geänderte Rechtslage zu überprüfen.

Viele Fragen rund um COVID-19 sind zwischenzeitlich geklärt. In unserer Beratungspraxis erreichen uns trotzdem tagtäglich neue Variationen. Wir sind selbst immer wieder erstaunt, welche Fragen noch nicht beantwortet wurden. Außerdem beschäftigten sich inzwischen erste Gerichte mit COVID-19-Themen. Im Folgenden geben wir Ihnen daher ein Update zu den FAQ auf unserer COVID-19-Website.


Inhalt

  1. Was kann der Arbeitgeber gegen (mutmaßlichen) Arbeitszeitbetrug im Homeoffice tun?
  2. Muss der Arbeitnehmer in Corona-Zeiten ins Büro kommen?
  3. Können Arbeitnehmer nach dem neuen § 28 b Abs. 7 IfSchG zum Homeoffice verpflichtet werden?
  4. Welche Vorschriften gelten für Arbeitnehmer bei Präsenzarbeit? Gibt es einen Anspruch auf ein Einzelzimmer?
  5. Kann der Arbeitgeber außerbetriebliches „coronagerechtes Verhalten“ von seinen Mitarbeitern verlangen und Fehlverhalten sanktionieren?
  6. Kann die Teilnahme an einer Anti-Corona-Demonstration arbeitsrechtliche Konsequenzen haben?
  7. Was kann der Arbeitgeber tun, wenn Mitarbeiter Hygiene- und Abstandsregeln sowie Mund-Nasen-Schutz im Betrieb verweigern oder diese Maßnahmen sogar kontakarieren?
  8. Ist Teilzeitarbeit eine Alternative zu Kurzarbeit?
  9. Wie verhalten sich Kurzarbeit und betriebsbedingte Kündigung zueinander?
  10. Kann der Arbeitgeber seine Mitarbeiter zu einem Corona-Test verpflichten?
  11. Kann der Arbeitgeber von seinen Mitarbeitern verlangen, dass sie sich impfen lassen? Ist die Verweigerung der Impfung ein Kündigungsgrund?
  12. Welche Anreize kann der Arbeitgeber setzen, damit seine Mitarbeiter sich impfen lassen?
  13. Hat der Betriebsrat ein Recht auf Präsenzbetriebsversammlungen sowie auf Präsenzsitzungen?
  14. Erhalten COVID-19-positive Mitarbeiter ohne (schwere) Symptome Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz?
  15. Wie gehe ich als Arbeitgeber mit Reiserückkehrern um?
  16. Entgeltfortzahlung oder Entschädigung nach § 56 Abs. 1 a IfSG für Eltern bei Kindern in vorsorglicher Quarantäne?

1. Was kann der Arbeitgeber gegen (mutmaßlichen) Arbeitszeitbetrug im Homeoffice tun?

Die Tatsache, dass in der Corona-Krise in vielen Bereichen intensiv aus dem Homeoffice gearbeitet wird, wirft die Frage auf, was Arbeitgeber tun können, wenn sie den Verdacht haben, dass ihre Mitarbeiter im Homeoffice nicht die Leistung erbringen, die vertraglich vereinbart wurde. Denn die Überwachung der Mitarbeiter im Homeoffice ist zweifelsohne schwieriger als in den Räumlichkeiten des Unternehmens. Ratsam ist es in jedem Fall, Mitarbeiter Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie Pausenzeiten dokumentieren zu lassen, soweit kein elektronisches Überwachungssystem vorhanden ist, das auch im Homeoffice eingesetzt werden kann.

Bevor man die Frage nach arbeitsrechtlichen Konsequenzen stellt, ist zu klären, wann ein Arbeitszeitbetrug überhaupt vorliegt. Das ist dann der Fall, wenn ein Arbeitnehmer sich für Arbeitszeit bezahlen lässt, die er nicht geleistet hat. Es gibt sowohl im Büro als auch im Homeoffice Sachverhalte, bei denen ein Betrug auf der Hand liegt. Schreibt sich der Mitarbeiter Pausen als Arbeitszeit auf oder bittet er einen Kollegen, ihn früher einzustempeln, als er tatsächlich bei der Arbeit erscheint, so ist ein Betrug offensichtlich. Aber wie verhält es sich, wenn Mitarbeiter außerhalb der Pausen mit Kollegen Kaffee trinken und plaudern? In diesen Zeiten arbeitet der Arbeitnehmer zwar nicht, es denkt aber auch niemand sofort an Arbeitszeitbetrug, zumindest dann nicht, wenn diese Aktionen im Rahmen des Üblichen bleiben. Auch das Führen kurzer dringender privater Telefonate im Einzelfall wird nicht den Tatbestand des Arbeitszeitbetrugs erfüllen. 

Diese Grundsätze lassen sich auch auf das Homeoffice übertragen: Ein kurzes Gespräch mit Familienangehörigen, das Annehmen eines Pakets an der Haustür oder das Kochen eines Kaffees sind sozialadäquat, wenn diese Handlungen die Arbeitsabläufe des Arbeitgebers nicht stören. Die Betreuung von Hausaufgaben, das Aufhängen von Wäsche oder ein Spaziergang während der Arbeitszeit dürften allerdings die Grenze des Zulässigen überschreiten. Wenn der Mitarbeiter jedoch flexible Arbeitszeiten hat und solche Arbeiten aus der Arbeitszeit herausrechnet bzw. die Zeiterfassung stoppt, sollte im Grundsatz gegen solche Tätigkeiten nichts einzuwenden sein. Gleiches gilt bei Vertrauensarbeitszeit. Hier kommt ein Arbeitszeitbetrug praktisch gar nicht in Betracht.

Ein Arbeitszeitbetrug ist Pflichtverletzung und Vertrauensbruch in einem und berechtigt den Arbeitgeber – gegebenenfalls nach Abmahnung – zu einer ordentlichen verhaltensbedingten oder je nach Umständen auch zu einer fristlosen Kündigung. Das große Problem für Unternehmen ist, dass sie den Arbeitszeitbetrug nachweisen müssen. Dies gelingt aber meist nur dann ohne Schwierigkeiten, wenn die Arbeitszeiten ganz genau festgelegt sind. Das ist bei vielen Arbeitsplätzen aber nicht der Fall. Daher kann sich der Mitarbeiter oft leicht herausreden. Gelingt es dem Arbeitgeber aber, durch Kontrolle der erfassten Zeitdaten einen Betrug nachzuweisen, verstößt er damit nicht gegen Datenschutzrecht – so das LAG Köln in einem am 29. September 2014 entschiedenen Fall (2 Sa 181/14). Nach Auffassung der Richter dient der Datenschutz nicht dazu, Betrüger zu decken.

Hat der Arbeitgeber einen begründeten Verdacht, den er aber nicht konkret nachweisen kann, hilft ihm unter Umständen eine Verdachtskündigung. Anders als bei einer „normalen“ Kündigung muss der Arbeitgeber hier nicht lückenlos nachweisen, dass der Arbeitnehmer eine strafbare Handlung oder eine schwere Pflichtverletzung begangen hat. Er kann vielmehr bereits dann zur Verdachtskündigung greifen, wenn ein dringender Verdacht hierauf besteht, es aber an eindeutigen Beweisen fehlt. Eine ordentliche Kündigung kann dann zwar nicht ausgesprochen werden, unter bestimmten Umständen aber eine außerordentliche.

Außerhalb des Tatbestands des Arbeitszeitbetrugs bleibt das Problem, dass sogenannte Low Performer im Homeoffice noch bessere Chancen haben, sich gemütlich einzurichten. Der Arbeitgeber sollte bei solchen Personen versuchen, Homeoffice auszuschließen oder auf das absolut Notwendige zu beschränken.

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2. Muss der Arbeitnehmer in Corona-Zeiten ins Büro kommen?

Grundsätzlich gibt es kein allgemeines Recht des Arbeitnehmers, bei einem Infektionsgeschehen aus Angst vor Ansteckung der Arbeit fernzubleiben. Mitarbeiter müssen im Unternehmen erscheinen, soweit arbeitsvertraglich oder betriebsverfassungsrechtlich keine anderweitige Vereinbarung getroffen wurde.

Allerdings gilt nunmehr - befristet bis zum 30. Juni 2021 - § 28 b Abs. 7 IfSchG.  Er besagt, dass Arbeitgeber den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anbieten müssen, diese Tätigkeiten in ihrer Wohnung auszuführen, soweit keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Beschäftigten haben das Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. Ein korrespondierendes Recht auf Homeoffice für den Arbeitnehmer sieht die Schutzverordnung jedoch nicht vor. Der Mitarbeiter kann also gerichtlich keinen Anspruch auf Homeoffice durchsetzen. 

Zwingende betriebliche Gründe, die eine Ablehnung der Arbeit von zu Hause aus rechtfertigen, können etwa in der Nichtverfügbarkeit benötigter IT-Ausstattung oder unter Umständen auch in besonderen Anforderungen an den Datenschutz begründet sein. Arbeitgeber sind gut beraten, diese Gründe sorgfältig zu dokumentieren.

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3. Können Arbeitnehmer nach dem neuen § 28 b Abs. 7 IfSchG zum Homeoffice verpflichtet werden?

Seit dem 23. April 2021 nimmt der Gesetzgeber auch Arbeitnehmer in die Pflicht. Soweit keine Gründe entgegenstehen, müssen sie ins Homeoffice wechseln. Gründe, die dagegen sprechen, können z.B. räumliche Enge, schlechte Internetverbindung oder Störungen durch Dritte sein. Es reicht nach der Gesetzesbegründung aus, wenn der Arbeitnehmer dies seinem Arbeitgeber mitteilt. Für den Arbeitgeber gilt jedoch weiterhin, dass es selbst in der Pandemie nicht möglich ist, zwangsweise auf den privaten Wohnraum des Arbeitnehmers als Bürofläche zurückzugreifen. Eine Anweisung, im Homeoffice zu arbeiten, ist nur dann möglich, wenn eine entsprechende Vereinbarung im Arbeitsvertrag getroffen wurde.

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4. Welche Vorschriften gelten für Arbeitnehmer bei Präsenzarbeit? Gibt es einen Anspruch auf ein Einzelzimmer?

Für Mitarbeiter, die nicht im Homeoffice arbeiten können oder wollen, muss im Betrieb ein „gleichwertiger Schutz“ gewährleistet werden. Einzelbüros dürften diesem Anspruch genügen. Nach einer aktuellen Entscheidung des Arbeitsgerichts Augsburg hat der Arbeitnehmer während der Pandemie jedoch keinen Anspruch auf ein Einzelbüro. Das Gericht entschied, es obliege allein dem Arbeitgeber, wie er seinen Verpflichtungen aus § 618 BGB gerecht wird und wie er sie ermessensgerecht umsetzt. Soweit entsprechende Schutzvorkehrungen vorhanden seien, sei es dem Arbeitnehmer in der Regel auch zumutbar, in einem Büro mit mehreren Personen zu arbeiten.

Arbeiten mehrere Mitarbeiter im gleichen Raum, müssen jeder Person mindestens zehn Quadratmeter zur Verfügung stehen. Ist dies nicht möglich, hat der Arbeitgeber für geeignete Schutzmaßnahmen wie Lüften oder Abtrennungen zwischen den anwesenden Personen zu sorgen. Können auch diese Schutzmaßnahmen nicht umgesetzt werden oder kann der Mindestabstand von 1,5 Metern bei der Arbeit nicht eingehalten werden, müssen medizinische Schutzmasken oder FFP2-Masken getragen werden, die der Betrieb zur Verfügung stellen muss. Gleiches gilt auch dann, wenn bei den ausgeführten Tätigkeiten mit Gefährdung durch erhöhten Aerosolaustausch zu rechnen ist. 

Siehe zu der Thematik auch das FAQ des BMAS vom 25. Januar 2021.

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5. Kann der Arbeitgeber außerbetriebliches „coronagerechtes Verhalten“ von seinen Mitarbeitern verlangen und Fehlverhalten sanktionieren?

Ganz grundsätzlich gilt, dass der Arbeitnehmer seinen privaten Lebensbereich frei gestalten kann. Der Arbeitgeber darf diesen nicht beeinflussen. Selbst Straftaten außerhalb der Arbeit bleiben deshalb für das Arbeitsverhältnis in aller Regel ohne Konsequenz. Ausnahmen sind dann denkbar, wenn die Straftat das Arbeitsverhältnis konkret berührt, wenn also etwa durch die Straftat deutlich wird, dass der Arbeitnehmer für die von ihm geschuldete Arbeitsleistung untauglich ist. Denkbar wäre also beispielsweise, dass ein Bankangestellter gekündigt wird, der wegen außerdienstlicher Untreue verurteilt wurde. Ein Mitarbeiter könnte unter Umständen auch dann gekündigt werden, wenn er wegen Alkohols am Steuer seinen Führerschein verliert, den er für seinen Job aber dringend braucht, und im Unternehmen kein anderer Einsatzbereich für ihn existiert. Aber auch außerdienstliche Tätlichkeiten gegen Kollegen / Kunden können gegebenenfalls zu einer wirksamen Kündigung führen.

Außerhalb von Straftaten sind die Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers dagegen eingeschränkt. Zwar hat der Mitarbeiter auch außerhalb der Arbeitszeit allgemeine Rücksichtnahmepflichten gegenüber seinem Unternehmen und dieses wiederum ein berechtigtes Interesse an einem regelkonformen außerbetrieblichen Verhalten seiner Mitarbeiter, wenn sich aus dem Verhalten Gefahren und Risiken für andere Mitarbeiter oder Kunden ergeben. Allerdings muss sich dieses hier ebenfalls negativ auf das Arbeitsverhältnis und den Betrieb auswirken. Derartige Fallkonstellationen sind äußerst selten. Denkbar sind etwa außerdienstliche unternehmensschädigende Äußerungen eines Mitarbeiters.

Im Zusammenhang mit COVID-19 hatte das Arbeitsgericht Osnabrück kürzlich den Fall eines Arbeitnehmers zu verhandeln, der sich privat über staatliche Corona-Maßnahmen lustig gemacht hatte. Der Mitarbeiter hatte ein Selfie von sich und fünf weiteren Männern bei WhatsApp verschickt. Er und seine Gäste hatten auf dem Foto in enger Runde auf dem Boden zusammengesessen und Karten gespielt. Dem Foto hatte er die Bildunterschrift „Quarantäne bei mir“ zusammen mit einem Tränen lachenden Smiley hinzugefügt. Zum Zeitpunkt des Vorfalls galten umfangreiche Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung des Corona-Virus. Sein Arbeitgeber, der kurz vor diesem Vorfall noch eine Betriebsversammlung zu den COVID-19-Sicherheitsbestimmungen abgehalten hatte, um seine Mitarbeiter effektiv zu schützen, kündigte ihm daraufhin fristlos. „Leider“ wurde das Verfahren durch einen Vergleich mit Abfindung in Höhe von EUR 2.000 abgeschlossen, sodass sich hieraus keine weiteren Rückschlüsse ziehen lassen. Außerdem musste das Unternehmen ihm noch einige Wochen Lohn bei Freistellung bezahlen. 

Aus unserer Sicht dürfte eine außerordentliche Kündigung in solchen Fällen problematisch sein. Ob eine Abmahnung ausgesprochen werden kann, hängt – wie auch die Zulässigkeit einer ordentlichen Kündigung – davon ab, ob sich das außerdienstliche Verhalten auf die Berufstätigkeit auswirkt. Dies wird einzelfallabhängig zu beurteilen sein. 

An dieser Stelle drängt sich die Frage auf, inwieweit der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bei Infektionen mit SARS-CoV-2 durch bewusste Selbstgefährdung einstellen kann. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein Entgeltfortzahlungsanspruch dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstoßen hat (BAG vom 18. März 2015 – 10 AZR 99/14). Hält ein Arbeitnehmer geltende Schutzmaßnahmen nicht ein, wird dieser Verschuldensmaßstab in der Regel erfüllt sein. Hiervon ist nicht der Arbeitnehmer betroffen, der einmalig seine Schutzmaske beim Verlassen des Arbeitsplatzes vergisst. Maskenverweigerern oder Teilnehmern sogenannter Corona-Partys kann unseres Erachtens jedoch ein Verschulden vorgeworfen werden. Wie immer muss jedoch der konkrete Einzelfall betrachtet werden. Siehe zu weiteren Fragen in diesem Zusammenhang, insbesondere auch zum Verschulden bei willentlicher Reise in ein COVID-19-Risikogebiet zu rein touristischen Zwecken, unseren Blogbeitrag

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6. Kann die Teilnahme an einer Anti-Corona-Demonstration arbeitsrechtliche Konsequenzen haben?

Auch für die Teilnahme an Demonstrationen gilt: Was der Mitarbeiter in seiner Freizeit macht, geht den Arbeitgeber zunächst nichts an. Außerdem ist das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit verfassungsrechtlich geschützt. Dies gilt auch für Anti-Corona-Demonstrationen. Allein dann, wenn die Teilnahme an einer Demonstration für den Arbeitgeber oder andere Mitarbeiter Nachteile mit sich brächte, kann es zu einer Abwägung der widerstreitenden Interessen kommen. Ein denkbarer Fall könnte etwa sein, dass der Mitarbeiter Dienstkleidung auf einer Demonstration trägt.

Bei den aktuell stattfindenden Anti-Corona-Demonstrationen wurde immer wieder moniert, dass die gebotenen Mindestabstände nicht eingehalten wurden. Wird der Arbeitgeber dies im Hinblick auf seine teilnehmenden Mitarbeiter gewahr, dürfte das unter 3. Gesagte gelten: Arbeitsrechtliche Maßnahmen sind nur dann denkbar, wenn sich das außerdienstliche Verhalten auf das Arbeitsverhältnis und den Betrieb auswirkt. Und das ist eine Frage, die im Einzelfall zu beurteilen ist. 

Für viel Wirbel in der Presse hat in diesem Zusammenhang der Fall des Telekom-Basketballspielers Joshiko Saibou gesorgt, der gemeinsam mit seiner Freundin an der großen Berliner Anti-Corona-Demonstration im August teilgenommen hatte. Ihm war im Nachgang von seinem Verein fristlos wegen Verstoßes gegen Vorgaben des laufenden Arbeitsvertrages als Profisportler gekündigt worden. Er habe wiederholt auf Social-Media-Kanälen seine leugnerische Haltung zur Pandemie oder zum Virus an sich geäußert und bei dieser Großdemonstration auch praktiziert, indem er vorsätzlich gegen die bekannten Schutzregeln verstieß. In diesem Fall war also nicht die Demonstration alleiniger Aufhänger der Kündigung, sondern auch seine Äußerungen als Verschwörungstheoretiker. Dass eine außerordentliche Kündigung vor Gericht Bestand haben würde, hielten wir in diesem Fall für unwahrscheinlich. Letztlich werden wir es aber nicht erfahren, weil das Verfahren vor dem Arbeitsgericht Bonn durch Vergleich beendet wurde. Inwieweit eine Abmahnung und infolgedessen langfristig gegebenenfalls eine ordentliche Kündigung zulässig gewesen wäre, lässt sich nur schwer abschätzen, da nicht alle Umstände bekannt sind. Aspekte, die hier zum Tragen kommen könnten, sind die Gefährdung anderer Mitspieler, z. B. beim Training, oder der eigenen Gesundheit als Profisportler sowie die Tatsache, dass Herr Saibou als Person des öffentlichen Lebens als Repräsentant des renommierten Vereins wahrgenommen wird.

Ebenfalls durch die Medien ging der folgende Fall: Ein Senioren- und Pflegeheim in Itzstedt im Kreis Segeberg hatte einer Mitarbeiterin fristlos gekündigt, weil sie sich nach der Teilnahme an der Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen in Berlin wegen Erkältungssymptomen krankgemeldet und einen Corona-Test verweigert hatte. Das Heim argumentierte, in einem Pflegeheim seien besonders strenge Vorsichtsmaßnahmen erforderlich, an die sich alle Mitarbeiter halten müssten. Dazu gehöre unter anderem ein Corona-Test bei entsprechenden Krankheitssymptomen. Losgelöst von der Frage der Zulässigkeit verpflichtender Corona-Tests (siehe unten unter 8.) dürfte auch hier eine fristlose Kündigung vor Gericht kaum Bestand haben. Der Arbeitgeber hätte auch in Anbetracht der Besonderheiten in der Krankenpflege mutmaßlich das mildere Mittel der Abmahnung wählen können oder seine Mitarbeiterin jedenfalls bezahlt nach Hause schicken können. Da sich die Mitarbeiterin laut Medienberichten aber noch in der Probezeit befand, wird es wohl nicht zu einer gerichtlichen Entscheidung kommen.

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7. Was kann der Arbeitgeber tun, wenn Mitarbeiter Hygiene- und Abstandsregeln sowie Mund-Nasen-Schutz im Betrieb verweigern oder diese Maßnahmen sogar kontakarieren?

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, am Arbeitsplatz Schutzmaßnahmen für seine Mitarbeiter zu ergreifen (siehe § 618 BGB). Mit dem SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard vom 20. August 2020 wurden die Anforderungen an Regelungen am Arbeitsplatz konkretisiert. Der Arbeitgeber muss Arbeitsplätze so gestalten, dass der Sicherheitsabstand von 1,5 Metern gewahrt bleibt. Außerdem muss er für ausreichende Lüftungsmaßnahmen, Abtrennungen, Absperrungen und sichere Laufwege sorgen sowie Kontaktreduzierungen veranlassen. Helfen technische und organisatorische Maßnahmen nicht, die Gefährdung zu minimieren, sind Mund-Nasen-Bedeckungen zu tragen. Seit dem 1. Dezember 2020 gilt in Arbeits- und Betriebsstätten ohnehin eine Mund-Nasen-Schutz-Pflicht. Eine Ausnahme besteht für den eigentlichen Arbeitsplatz, sofern ein Abstand von 1,5 Metern zu weiteren Personen sicher eingehalten werden kann. Dies sieht der Beschluss der Bundeskanzlerin und der Regierungschefs der Länder vom 25. November 2020 vor.  Verweigert ein Mitarbeiter sich diesen Schutzmaßnahmen, kann er zunächst abgemahnt werden. Hilft auch das nicht, ist eine Kündigung möglich. Aufgrund der bestehenden Haftungsrisiken und der drohenden finanziellen Nachteile für den Arbeitgeber ist hier nach unserer Einschätzung unter Umständen sogar eine außerordentliche Kündigung denkbar.

Hetzt der Mitarbeiter darüber hinaus seine Kollegen gegen Hygienemaßnahmen des Arbeitgebers auf, wird dieser nach einer Abmahnung zum Instrument der Kündigung greifen dürfen. Dies erscheint verhältnismäßig, da er nicht zulassen kann, dass seine ergriffenen Hygienemaßnahmen und -konzepte, zu denen er rechtlich sogar verpflichtet ist, unterwandert werden.

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8. Ist Teilzeitarbeit eine Alternative zu Kurzarbeit?

Teilzeitarbeit mit entsprechenden Lohneinbußen kann ebenso wie Kurzarbeit zu Einsparungen im Unternehmen führen und damit den Erhalt von Arbeitsplätzen sichern. Im Gegensatz zur Kurzarbeit ist eine generelle Arbeitszeitverkürzung zeitlich nicht auf 24 Monate begrenzt. Außerdem entfällt die gesonderte Gehaltsabrechnung. Auch sonst ist ein Betrieb außerhalb der Kurzarbeit viel flexibler, wenn es darum geht, auf Auftragsschwankungen zu reagieren. Allerdings werden die Lohneinbußen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern außerhalb der Kurzarbeit nicht partiell durch Kurzarbeitergeld aufgefangen. Ob die generelle Arbeitszeitverkürzung deshalb die bessere Alternative zur Kurzarbeit ist, lässt sich nicht allgemein beantworten. 

Wer dauerhaft die Arbeitszeit absenken möchte, muss dies mit der zuständigen Gewerkschaft und / oder jedem einzelnen Mitarbeiter vereinbaren. Einseitig könnte der Arbeitgeber nur im Wege der Änderungskündigung vorgehen. Eine derartige Kündigung dürfte außerhalb einer Insolvenznähe jedoch so gut wie ausgeschlossen sein. Außerdem benötigt sie eine gewisse Vorlaufzeit, da darin eine interessenausgleichs- und sozialplanpflichtige Betriebsänderung liegen würde, wenn eine Vielzahl von Änderungskündigungen ausgesprochen werden soll. 

Bei der Einführung von Teilzeitarbeit sollte der Betriebsrat in jedem Fall einbezogen werden – unabhängig davon, ob ein Mitbestimmungsrecht besteht. Denn solche Modelle haben nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Außerdem bedarf es einer sorgfältigen Analyse im Vorfeld, welche Kosteneinsparungen erforderlich sind und wie viel die Mitarbeiter realistischerweise beitragen könnten. Kann die Maßnahme befristet werden, findet sie möglicherweise größere Akzeptanz als eine unbefristete Absenkung der Arbeitszeit. Aber auch das hängt vom jeweiligen Betrieb und den Interessenlagen ab: Je besser verdient wird und / oder je höher die Freizeitpräferenz ist, desto eher wird die Absenkung der Arbeitszeit auch über einen längeren oder unbefristeten Zeitraum gelingen.

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9. Wie verhalten sich Kurzarbeit und betriebsbedingte Kündigung zueinander?

Das Verhältnis von Kurzarbeit einerseits und betriebsbedingter Kündigung andererseits weist einige Tücken auf: Arbeitnehmer könnten den für die Wirksamkeit der Kündigung erforderlichen „dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs“ anzweifeln oder in der Kurzarbeit ein milderes Mittel zur Kündigung sehen. Umgekehrt könnte die Agentur für Arbeit argumentieren, dass nicht nur ein vorübergehender, sondern ein von Anfang an dauerhafter Arbeitsausfall vorlag und somit die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld nicht bestanden. 

Grundsätzlich gilt: Auch während der Kurzarbeit sind Arbeitgeber zum Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen berechtigt. Eine Sperrwirkung entfaltet die Kurzarbeit also nicht (BAG vom 29. August 2013 – 2 AZR 721/12 –; BAG vom 23. Februar 2012 – 2 AZR 548/10). In Hinblick auf das „Ultima-Ratio-Prinzip“ bestehen aber (stark) erhöhte Anforderungen an die Darlegung dringender betrieblicher Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG. Denn im Falle von Kündigungen wird eine neue Prognose (dauerhafter Wegfall von Beschäftigungsbedarf vs. vorübergehende Situation) erforderlich, die im Hinblick auf die Beweislast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess schriftlich verfasst werden sollte. Eine betriebsbedingte Kündigung während der Kurzarbeit ist daher nur möglich, wenn neue Faktoren vorliegen, die über die Gründe für die Kurzarbeit hinausgehen. Es muss also in tatsächlicher Hinsicht eine Verschlechterung eingetreten sein.

In Hinblick auf das Kurzarbeitergeld gilt Folgendes: Gekündigte Mitarbeiter erfüllen die persönlichen Voraussetzungen zum Bezug von Kurzarbeitergeld nicht mehr. Wenn nur einem Teil der Belegschaft gekündigt wird, bleibt dies ohne Auswirkungen auf den Anspruch auf Kurzarbeitergeld im Übrigen, sofern die Schwellenwerte des § 96 Abs. 1 Nr. 4 SGB III nicht unterschritten werden. 

Kommt die Agentur für Arbeit im Zusammenhang mit den Entlassungen zu dem Ergebnis, dass die Angaben im Rahmen der Anzeige des Arbeitsausfalls unzutreffend waren, drohen dem Arbeitgeber Rückerstattungspflichten hinsichtlich des ihm gewährten Kurzarbeitergelds, gegebenenfalls gar weitergehende Schadensersatzansprüche sowie Ermittlungen wegen Strafbarkeit bzw. Ordnungswidrigkeit. Um dies zu vermeiden, empfiehlt sich eine exakte Dokumentation der wirtschaftlichen Lage bei der Beantragung der Kurzarbeit und zu dem Zeitpunkt, zu dem Kündigungen erfolgen sollen. 

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10. Kann der Arbeitgeber seine Mitarbeiter zu einem Corona-Test verpflichten?

Verlangt der Arbeitgeber von seinem Mitarbeiter einen rein präventiven Corona-Test, ohne dass weitere konkrete Umstände vorliegen, wird er damit mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben. Denn ein anlassloser Eingriff in gesundheitliche Belange erscheint im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht unverhältnismäßig. Aber auch dann, wenn ein Mitarbeiter konkrete Symptome hat und damit am Arbeitsplatz erscheint, kann der Arbeitgeber nicht ohne Weiteres einen Test verlangen. Denn endgültig entscheiden Ärzte und Gesundheitsämter in letzter Instanz, bei welchen Symptomen wirklich getestet werden soll. Allein in bestimmten Risikoberufen, also etwa in Krankenhäusern oder Pflegeheimen, dürften Corona-Tests präventiv und in regelmäßigen Abständen gerechtfertigt sein.

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11. Kann der Arbeitgeber von seinen Mitarbeitern verlangen, dass sie sich impfen lassen? Ist die Verweigerung der Impfung ein Kündigungsgrund?

In Deutschland gibt es derzeit keine gesetzliche Pflicht, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. 

Auch im Arbeitsverhältnis ist die Corona-Schutzimpfung daher freiwillig und kann vom Arbeitgeber nicht angeordnet werden. Eine Impfung stellt einen Eingriff in die körperliche Integrität des Einzelnen dar und kann von daher nicht im Wege des Direktionsrechts durchgesetzt werden. Dies gilt auch für Mitarbeiter in Krankenhäusern und Arztpraxen.

Selbstverständlich darf der Arbeitgeber seine Mitarbeiter weder zu einer Impfung nötigen noch Drohungen aussprechen. Damit käme er in den strafrechtlich relevanten Bereich. Er kann grundsätzlich auch keine Kündigung aufgrund einer verweigerten Impfung aussprechen. Dies ist nur ganz ausnahmsweise denkbar, wenn im Unternehmen keine Möglichkeit besteht, ungeimpfte Mitarbeiter auftragsgemäß zu beschäftigen. Es darf dann aber auch keine alternative zumutbare Einsatzmöglichkeit geben. 

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12. Welche Anreize kann der Arbeitgeber setzen, damit seine Mitarbeiter sich impfen lassen?

Selbstverständlich können Arbeitgeber positive Anreize setzen, um die Impfbereitschaft ihrer Mitarbeiter zu erhöhen. So wäre etwa denkbar, die Angestellten bezahlt freizustellen, damit sie sich impfen lassen können. In manchen Fällen greift hier zwar schon § 616 BGB, aber eben nicht immer. Außerdem könnte man impfwilligen Arbeitnehmern zusätzlichen Urlaub gewähren. Auch die Zahlung einer Impfprämie ist möglich. Ist eine Videoüberwachung der Einhaltung der AHA-Regeln erlaubt?

Eine Kameraüberwachung am Arbeitsplatz ist nicht per se verboten. Zulässig ist die offene Videoüberwachung, wenn sie einen legitimen Zweck verfolgt und im Einzelfall verhältnismäßig ist. Die heimliche Videoüberwachung unterliegt strengeren Anforderungen. Sie kann lediglich gerechtfertigt sein, wenn der konkrete Verdacht einer Straftat oder einer anderen schweren Vertragsverletzung eines Mitarbeiters am Arbeitsplatz besteht und die Überwachung die einzige Möglichkeit zur Aufklärung ist.

Entsprechend diesen Grundsätzen dürfte der offene Einsatz von Videotechnik zur Überprüfung der Einhaltung der AHA-Regeln (Abstand wahren, auf Hygiene achten und eine Alltagsmaske tragen) grundsätzlich zulässig sein. Denn der Arbeitgeber ist arbeitsschutzrechtlich verpflichtet, ein Hygienekonzept aufzustellen und dessen Umsetzung auch durchzusetzen. Eine Kontrolle der Mitarbeiter ist mithin – nicht zuletzt im Hinblick auf den Gesundheitsschutz der Kollegen – legitim. Der verdeckte Einsatz würde hingegen in aller Regel ausscheiden. 

Jedoch ist der Einsatz von Kameras in allen Betrieben mit Betriebsrat mitbestimmungspflichtig. Dies folgt aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, da Videotechnik als technische Einrichtung zu qualifizieren ist, die dazu bestimmt ist, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Aber Obacht: Selbst wenn schon eine Betriebsvereinbarung existiert, die den Einsatz von Videoüberwachung im Grundsatz erlaubt, wird sie für die Überwachung der Einhaltung der AHA-Regeln generell noch erweitert werden müssen. Dies hat kürzlich das Arbeitsgericht Wesel (Beschluss vom 24. April 2020 – 2 BVGa 4/20) klargestellt. In dem entschiedenen Fall existierte zwar bereits seit dem Jahr 2013 eine Betriebsvereinbarung zum Einsatz von Kameratechnik. Diese legte allerdings nur bestimmte Einsatzgebiete fest. Selbstverständlich war die Überwachung der Einhaltung der AHA-Regeln bei dem Abschluss der Betriebsvereinbarung nicht bedacht und daher auch nicht geregelt worden. Sie hätte daher nach Auffassung des Gerichts einer Ergänzung bedurft. 

In Hinblick auf die Überwachung der Umsetzung der AHA-Regeln sei der Betriebsrat im Zweifel aber auch nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG einzubeziehen, weil es sich um Regelungen über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften handele – so das Arbeitsgericht Wesel in dem zuvor genannten Beschluss. Denn die Auswertung von Kameraaufnahmen stelle eine Maßnahme der Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 ArbSchG dar, weil sie gerade der Feststellung diene, ob überhaupt entsprechende Gefahren bestünden.

Die Mitbestimmung durch den Betriebsrat war nach Auffassung des Gerichts auch nicht etwa wegen der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Gefahr für die Gesundheit von Mitarbeitern entbehrlich. Zwar könne in Notfällen ausnahmsweise das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entfallen. Dies sei aber nur in plötzlich auftretenden Extremfällen möglich, wenn zwingende Entscheidungen zuvor nicht mehr mit dem Betriebsrat abgestimmt werden könnten. Dies verneinte das Arbeitsgericht hier.

Arbeitgeber sind daher gut beraten, mit dem Betriebsrat in Verhandlung zu treten – selbst wenn eine grundsätzliche Einigung zum Einsatz von Kameratechnik bereits existiert.

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13. Hat der Betriebsrat ein Recht auf Präsenzbetriebsversammlungen sowie auf Präsenzsitzungen?

Bei Präsenzbetriebsversammlungen sowie Präsenzsitzungen des Betriebsrats hängt die Beantwortung dieser Frage zunächst einmal von der Größe der Versammlung und von den jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen ab. Wenn danach die Teilnehmerzahl der Betriebsversammlung im Rahmen der zulässigen Größe für Veranstaltungen liegt und wie sonst auch ein Hygienekonzept existiert, spricht vieles dafür, dass für eine solche betriebsinterne Veranstaltung keine strengeren Vorgaben als für ein Zusammenkommen von Fremden gelten kann.

Im Hinblick auf Präsenzsitzungen des Betriebsrats gibt es inzwischen zwei aktuelle Entscheidungen aus Berlin. Das LAG Berlin-Brandenburg hat im August dieses Jahres entschieden, dass § 129 BetrVG keinen grundsätzlichen Vorrang der Durchführung von Sitzungen als Telefon- oder Videokonferenz enthält. Wenn die nötigen Schutzmaßnahmen getroffen würden, könne die Sitzung als Präsenzveranstaltung durchgeführt werden. Da es in der konkret anstehenden Sitzung um geheime Wahlen ging, die über Video- oder Telefonkonferenzen nicht möglich waren, konnte nach Einschätzung der Richter in diesem Einzelfall nicht auf die Online-Lösung verwiesen werden. Offen ließ das Gericht jedoch, ob in anderen (Einzel-)Fällen und unter außergewöhnlichen Umständen der Betriebsrat zu einer Sitzungsdurchführung unter Nutzung der Teilnahmemöglichkeiten mittels Telefon- und Videokonferenz verpflichtet werden könne. Aufgrund der inzwischen stark gestiegenen Corona-Zahlen und der damit einhergehenden geänderten landesrechtlichen Versammlungsregelungen würde das Gericht nun wahrscheinlich zu einem anderen Ergebnis kommen.

Im Oktober entschied das Arbeitsgericht Berlin, dass im konkreten Fall die Durchführung einer Präsenzsitzung nach der am Veranstaltungsort derzeit geltenden Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung zulässig sei. Das verbleibende gesundheitliche Restrisiko sei in Kauf zu nehmen. Auch hier dürfte sich die Sachlage inzwischen geändert haben, sodass eine andere Entscheidung zu erwarten wäre.

Übrigens: Die bisher auf den 31. Dezember 2020 befristeten Sonderregelungen zur virtuellen Beschlussfassung des Betriebsrats, zu virtuellen Betriebsversammlungen sowie zu virtuellen Einigungsstellen werden durch das Gesetz zur Beschäftigungssicherung infolge der COVID-19-Pandemie (Beschäftigungssicherungsgesetz), das am 1. Januar 2021 in Kraft tritt, bis zum 30. Juni 2021 verlängert. 

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14. Erhalten COVID-19-positive Mitarbeiter ohne (schwere) Symptome Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz?

Wer aufgrund des Infektionsschutzgesetzes unter Quarantäne gestellt wird oder mit einem Tätigkeitsverbot belegt wurde und einen Verdienstausfall erleidet, ohne krank zu sein, erhält grundsätzlich eine Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG – so informiert der Landschaftsverband Rheinland auf seiner Homepage. Diese Entschädigung hat zunächst der Arbeitgeber an den Mitarbeiter für die Dauer von maximal sechs Wochen auszuzahlen, also „vorzustrecken“. Er kann sie sich dann bei der für ihn zuständigen Stelle zurückerstatten lassen. Die zuständigen Stellen finden Sie hier.

In unserer Beraterpraxis wurde uns aber zugetragen, dass dies häufig nicht gelingt und der Arbeitgeber auf der Vorleistung „sitzen bleibt“, wohl teilweise mit dem Argument, er habe Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu leisten. Knackpunkt dabei dürfte die Frage sein: Wann ist man arbeitsunfähig erkrankt und wann einfach nur „abgesondert“? 

Wird der Mitarbeiter unter Quarantäne gestellt und ist zugleich arbeitsunfähig, greift nach herrschender Meinung vorrangig der Entgeltfortzahlungsanspruch gemäß § 3 EFZG. Die Vorschrift setzt allerdings voraus, dass der Mitarbeiter „infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert“ ist, also arbeitsunfähig erkrankt ist. Viele Menschen, die positiv auf COVID-19 getestet wurden, merken aber keinerlei oder nur leichte Symptome wie ein Halskratzen oder Geruchsverlust. Hat ein Arbeitnehmer also gar keine Symptome, käme § 3 EFZG wahrscheinlich nicht in Betracht. Aber auch bei leichten Symptomen, also einer gewissen Beeinträchtigung der physischen Gesundheit, wird dieser nicht immer greifen. Denn die Arbeitsunfähigkeit ist vom behandelnden Arzt abhängig vom Arbeitsplatz und der jeweiligen Tätigkeit zu bewerten. Daher führt nicht jede Erkrankung zu einer Arbeitsunfähigkeit. Ein „gelber Schein“ wegen eines Geruchsverlusts dürfte beispielsweise bei den meisten Jobs ausscheiden. Aus unserer Sicht müsste ein Anspruch auf Erstattung der Entschädigung also immer dann bestehen, wenn der Mitarbeiter keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) von seinem behandelnden Arzt erhält. Als praktische Handhabe empfehlen wir das folgende Vorgehen:  

  • Teilt ein Mitarbeiter mit, dass er positiv auf das Corona-Virus getestet wurde, und legt zugleich eine AUB vor, so sollten Arbeitgeber Entgeltfortzahlung gemäß § 3 EFZG leisten.
  • Teilt ein Arbeitnehmer sein positives Testergebnis mit, ohne eine AUB vorlegen zu können, was vor allem vorkommen wird, wenn der Test nicht bei einem Arzt, sondern z. B. in einem Testzentrum durchgeführt wurde, sollte unterschieden werden:
    • Berichtet der Arbeitnehmer, dass er sich schlecht fühlt und sich nicht im Stande sieht zu arbeiten, sollte ebenfalls Entgeltfortzahlung gemäß § 3 EFZG geleistet werden und der Mitarbeiter aufgefordert werden, eine AUB vorzulegen.
    • Teilt der Beschäftigte mit, dass er keine Symptome aufweist, oder schildert er nur leichte Symptome, die ihn aber grundsätzlich nicht davon abhalten, seiner Tätigkeit weiterhin nachzugehen, ist zu unterscheiden: Mitarbeiter, die ihre Arbeit im Homeoffice erledigen können, sollten aufgefordert werden, dies auch zu tun. Ihnen steht dann natürlich der normale Vergütungsanspruch zu. Scheidet Homeoffice aus, besteht in diesen Fällen eigentlich kein Entgeltfortzahlungsanspruch gemäß § 3 EFZG. Dafür hat der Arbeitnehmer theoretisch aber einen Anspruch auf Entschädigung gemäß § 56 Abs. 1 IfSG. In der Praxis sieht es jedoch so aus, dass Ärzte auch in solchen Fällen häufig eine AUB ausstellen. 

Bitte beachten Sie außerdem noch den Sonderfall, dass nicht nur einzelne Beschäftigte unter Quarantäne gestellt werden, sondern der gesamte Betrieb aufgrund einer behördlichen Anweisung geschlossen wird. Diese Fälle dürften nach der sogenannten „Betriebsrisikolehre“ zu lösen sein. Danach trägt der Arbeitgeber das Risiko von Betriebsstörungen und muss daher in allen Fällen, in denen er die zur Arbeit bereiten Arbeitnehmer aufgrund von Betriebsstörungen nicht beschäftigen kann, Lohn und Gehalt weiterzahlen.

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15. Wie gehe ich als Arbeitgeber mit Reiserückkehrern um? 

Reisende, die aus einem Risikogebiet zurückkehren, müssen sich für zehn Tage in Quarantäne begeben. Sie können sich ab dem fünften Tag der Reiserückkehr testen lassen und bei einem negativen Befund die Quarantäne abbrechen. Für deren Dauer sind sie nach § 56 Abs. 1 IfSG grundsätzlich entschädigungsberechtigt. Die Zahlung einer Entschädigung scheint jedoch unbillig, wenn der Beschäftigte die Reise antritt, wohlwissend, dass er in ein Risikogebiet aufbricht und sich danach absondern muss, getreu dem Motto „Ab nach Barcelona und dann Urlaub auf Staatskosten“. Dieses Problem wurde nunmehr auch vom Gesetzgeber erkannt und gelöst: Nach dem am 19. November 2020 in Kraft getretenen „Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ in Verbindung mit der „Muster-Verordnung zu Quarantänemaßnahmen“ des Bundes wird bundeseinheitlich keine Entschädigung für den Einkommensausfall gewährt, wenn eine „Absonderung“ infolge einer vermeidbaren Reise in eine bereits bei Reiseantritt als Risikogebiet ausgewiesene Gegend erforderlich wird. Als vermeidbar gilt eine Reise dann,  wenn zum Zeitpunkt der Abreise keine zwingenden und unaufschiebbaren Gründe für die Reise vorlagen. 

Unseres Erachtens gilt Entsprechendes für den Entgeltfortzahlungsanspruch des Mitarbeiters im Falle einer tatsächlichen Erkrankung: Nach einer vermeidbaren Reise in ein Risikogebiet zu rein touristischen Zwecken darf der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verweigern. 

Mehr zu diesem Thema finden Sie in unserem Blogbeitrag.

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16. Entgeltfortzahlung oder Entschädigung nach § 56 Abs. 1 a IfSG für Eltern bei Kindern in vorsorglicher Quarantäne?

Wenn für ein Kind Quarantäne angeordnet wird, weil es an COVID-19 erkrankt ist, und ein Elternteil wegen der Betreuung des Kindes seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann, so erhält der betreuende Elternteil gemäß § 45 SGB V Pflegekrankengeld, soweit eine gesetzliche Krankenversicherung besteht. Unter Umständen kommt zunächst § 616 BGB zur Anwendung, soweit dieser nicht individual- oder kollektivrechtlich ausgeschlossen ist.  Insofern ist die Rechtslage eindeutig. Unklar war bislang aber, ob der Elternteil Entgelt oder eine Entschädigung enthält, wenn das Kind selbst nicht erkrankt ist und nur als Kontaktperson ersten Grades gilt. 

Sicherlich greift auch hier im Grundsatz § 616 BGB. Danach erhält der Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung, wenn er für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird“. Wie lange danach die Vergütung fortzuzahlen wäre, kann nicht klar beantwortet werden, aber wohl maximal fünf Tage lang. Nach § 616 BGB wird der betreuende Elternteil also im Zweifel nicht für den gesamten Zeitraum der Quarantäne von 14 Tagen Entgeltfortzahlung erhalten. Hinzu kommt, dass § 616 BGB häufig individual- oder kollektivrechtlich abbedungen wird; der Beschäftigte würde dann leer ausgehen.

Dies hat offenbar auch der Gesetzgeber erkannt und den während des ersten Shutdowns im März neu eingeführten § 56 Abs. 1 a IfSG erweitert. Er enthielt bislang eine Regelung zu Entschädigungszahlungen für Eltern nur für den Fall, dass die Schule oder Betreuungseinrichtung aus Gründen des Infektionsschutzes geschlossen wurde bzw. nicht betreten werden durfte. Nach dem „Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ ist § 56 Abs. 1 a IfSG nunmehr dahingehend ergänzt worden, dass diese Entschädigung auch gezahlt wird, wenn ein Elternteil wegen der „Absonderung“ eines Kindes (wie die Quarantäne im Infektionsschutzgesetz heißt) einen Verdienstausfall erleidet. Zu beachten ist jedoch Folgendes: Soweit § 616 BGB nicht arbeits- oder kollektivvertraglich ausgeschlossen ist, soll er zunächst für die Dauer von bis zu fünf Tagen eingreifen und erst danach soll der Entschädigungsanspruch gemäß § 56 Abs. 1 a IfSG entstehen (vgl. FAQ des Bundesgesundheitsministeriums zu § 56 IfSG, Frage 19).

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Weitere FAQs zu arbeitsrechtlichen COVID-19-Themen


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