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FAQ – Ansprüche von Eltern bei pandemiebedingter Kinderbetreuung

04/10/2022

Bitte beachten Sie, dass sich die Rechtslage in Hinblick auf die Corona-Pandemie regelmäßig ändert und nachfolgende Informationen lediglich den o.g. Stand abbilden. Es ist daher geboten, die Informationen auf eine ggf. geänderte Rechtslage zu überprüfen.

Berufstätige Eltern waren seit Beginn der Corona-Pandemie mit zahlreichen Betreuungsengpässen konfrontiert: Zunächst schlossen im Frühjahr 2020 Kitas und Schulen. Eltern mussten ihre Kinder größtenteils selbst betreuen. Nachdem die Einrichtungen wieder geöffnet wurden, wurde für mehr und mehr Kinder Quarantäne angeordnet, weil Lehrer, Erzieher oder ein anderes Kind aus der Klasse oder Gruppe positiv auf Corona getestet wurden. Wieder mussten die Eltern "ran". Im Dezember 2020 wurden dann aufgrund der hohen Fallzahlen die Weihnachtsferien vorgezogen und verlängert bzw. – abhängig vom Bundesland – nur die Präsenzpflicht an den Schulen ausgesetzt, damit Kinder daheimbleiben konnten. Als Anreiz wurde "bezahlter Urlaub" für die betroffenen Eltern in Aussicht gestellt. Anfang Januar 2021 entschieden sich die meisten Länder, Schulen wieder gänzlich zu schließen; in den übrigen Ländern blieb die Präsenzpflicht ausgesetzt. Die Kitas bleiben vielerorts (wenn auch nicht überall) geöffnet, jedoch wird an die Eltern appelliert, die Kinder zuhause zu betreuen. Zwischenzeitlich untersagte die sogenannte. Bundesnotbremse in § 28 b Abs. 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) den Präsenzunterricht bzw. verbot den regulären Betrieb in Kitas, wenn in einem Kreis oder in einer kreisfreien Stadt die Sieben-Tage-Inzidenz 165 drei Tage infolge überschritt. Wenn Eltern in diesen Situationen ihre Kinder betreuen mussten, konnten sie Einkommenseinbußen erleiden. Hierbei sollten zwei Instrumentarien gegensteuern. 

  • Zum einen wurde Eltern in Parallele zum Kurzarbeitergeld durch den (zu Beginn der Pandemie neu geschaffenen und dann kontinuierlich erweiterten) § 56 Abs. 1 a IfSG ein Anspruch auf 67 % ihres Nettoeinkommens eingeräumt. 
     
  • Um Eltern bei Betreuungsproblemen unter die Arme zu greifen, wurde außerdem rückwirkend zum 5. Januar 2021 ein neuer § 45 Abs. 2 a SGB V eingefügt. Durch ihn wurde das Kinderkrankengeld, umgangssprachlich als "Kind-krank-Tage" bezeichnet, zum einen von zehn auf 30 Tage (für Alleinerziehende doppelt so viel) erhöht und zum anderen festgelegt, dass dieses nicht nur dann zu zahlen ist, wenn ein Kind krank ist, sondern auch, wenn Eltern in der derzeitigen Corona-Phase ihre Kinder aufgrund geschlossener Schulen und Kitas oder Aussetzung des Präsenzunterrichts zu Hause betreuen müssen. 

Heute hat die Lage sich deutlich entspannt. Kita- und Schulschließungen schließen Politiker im Augenblick aus; die Präsenzpflicht gilt wieder. Quarantänen werden deutlich restriktiver verhängt als zu Beginn der Pandemie, sodass in der Regel nicht mehr ganze Schulklassen oder Kindergarten-Gruppen isoliert werden, wenn ein Kind Corona-positiv ist. Gleiches gilt, wenn Kinder ein "Playdate" mit einem Spielkameraden hatten, der sich später als infiziert entpuppt. Dadurch gibt es kaum noch Fälle, wo Kinder zuhause während einer Quarantäne betreut werden müssen, obwohl sie selbst gar nicht erkrankt sind. 

Wohl vor diesem Hintergrund lief der Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 a IfSG zum 23. September 2022 außerhalb einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite aus. Der Vollständigkeit halber haben wir die Informationen zum Entschädigungsanspruch in Kapitel II dieser FAQ dennoch beibehalten. 


Inhalt

I. Neues Kinderkrankengeld gemäß § 45 Abs. 2 a SGB V

  1. Was galt zuvor bei der Quarantäne, bei Schul- und Kitaschließungen und sonstigen "pandemiebedingten" Betreuungsbedarf?
  2. Was besagt der neue § 45 Abs. 2 a SGB V?
  3. Welche Voraussetzungen müssen für den Anspruch aus § 45 Abs. 2 a SGB V vorliegen?
  4. Wer kann das Kinderkrankengeld in Anspruch nehmen?
  5. Wann besteht ein "pandemiebedingter Betreuungsbedarf", der zur Inanspruchnahme von Kinderkrankengeld berechtigt?
  6. Kann Kinderkrankengeld auch bezogen werden, wenn eine anderweitige Betreuung des Kindes gesichert ist?
  7. Besteht der Anspruch der Arbeitnehmer trotz Homeoffice-Möglichkeit?
  8. Muss zunächst Resturlaub oder Überstundenausgleich genommen werden?
  9. Wie kann der Anspruch durch die Eltern nachgewiesen werden?
  10. Wie hoch ist der Anspruch für die Eltern?
  11. Für wie lange besteht der Anspruch auf Kinderkrankengeld maximal?
  12. Können die Eltern nur die neuen zusätzlichen "Kind-krank-Tage" für pandemiebedingten Betreuungsbedarf aufwenden?
  13.  Ab wann gilt die neue Reglung?
  14. Können Eltern wählen, ob sie eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz oder Kinderkrankengeld in Anspruch nehmen?
  15. Wie verhält sich das Kinderkrankengeld zu der Regelung des § 616 BGB?
  16. Ist es für Arbeitgeber günstiger, wenn Arbeitnehmer Kinderkrankengeld oder wenn sie die Entschädigung nach § 56 Abs. 1 a IfSG geltend machen?
  17. Was ist einem Unternehmen zu raten, wenn auf einmal ein Großteil der Belegschaft pandemiebedingte Kinderkrankentage einreicht?

II. Der Entschädigungsanspruch gemäß § 56 Abs. 1 a IfSG

  1. Welche Voraussetzungen müssen für den Entschädigungsanspruch vorliegen?
  2. Wie hoch ist der Entschädigungsanspruch?
  3. Können arbeitgeberseitige Aufstockungsleistungen / Zuschüsse gezahlt werden?
  4. Wie lange wird der Entschädigungsanspruch gewährt?
  5. Auf welcher Rechtsgrundlage muss die Betreuungsnotwendigkeit des Kindes entstehen?
  6. Wer ist Anspruchsberechtigter des Entschädigungsanspruches?
  7. Was bedeutet "keine anderweitig zumutbare Betreuungsmöglichkeit"?
  8. Stellt Homeoffice "eine anderweitig zumutbare Betreuungsmöglichkeit" dar?
  9. Kann der Arbeitgeber nachprüfen lassen, dass "keine anderweitig zumutbare Betreuungsmöglichkeit" besteht?
  10. Wann liegt ein "Verdienstausfall" des Arbeitnehmers vor?
  11. Was bedeutet der Ausschluss "nicht während der Schulferien"?
  12. Wer zahlt die Entschädigungsleistung aus?
  13. Nach welchem Verfahren werden dem Arbeitgeber die Entschädigungszahlungen erstattet?
  14. Besteht der Entschädigungsanspruch auch während des Bezugs von Kurzarbeitergeld bzw. der Durchführung von Kurzarbeit?
  15. Wie verhält sich § 56 Abs. 1 a IfSG zur Regelung des § 616 BGB?
  16. Besteht ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats?
  17. Was gilt, wenn aus betrieblichen Gründen die Arbeitskraft dringend gebraucht wird?
  18. Wann endet der Anspruch?

 

I. Neues Kinderkrankengeld gemäß § 45 Abs. 2 a SGB V

1. Was galt zuvor bei der Quarantäne, bei Schul- und Kitaschließungen und sonstigen "pandemiebedingten" Betreuungsbedarf?

Der Gesetzgeber reagierte mit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes und der Einführung von § 45 Abs. 2 a SGB V auf die Unsicherheiten im Umgang mit Arbeitnehmern, die wegen der pandemiebedingten Schließung von Schulen und Kinderbetreuungsstätten oder wegen der Quarantäne ihres nicht selbst an Covid-19 erkrankten Kindes nicht arbeiten können. Denn wer nicht arbeitet, bekommt grundsätzlich auch keine Vergütung von seinem Arbeitgeber, es sei denn, es besteht eine gesetzliche Entgeltfortzahlungspflicht. Eine solche war nicht für alle Fälle pandemiebedingter Betreuung zu finden.

Nach den erklärten Zielen des Gesetzgebers sollten diese Rechtsunsicherheit für erwerbstätige Eltern beseitigt und die zu erwartenden Verdienstausfälle abgemildert werden.

Für den Entgeltfortzahlungsanspruch eines Arbeitnehmers wegen der pandemiebedingt erforderlichen Betreuung eines Kindes kam bzw. kommt es darauf an, warum die Betreuung notwendig wird:

  • Wird ein Kind in Quarantäne geschickt, kann diese verhängt werden, weil das Kind selbst an Covid-19 erkrankt ist. In diesem Fall erhält der betreuende Elternteil grundsätzlich (wie üblich bei der Pflege eines kranken Kindes) Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber nach § 616 BGB, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen, oder Kinderkrankengeld gemäß § 45 SGB V, wenn eine gesetzliche Krankenversicherung besteht.
     
  • Die Quarantäne kann aber auch erfolgen, wenn das Kind nur eine sogenannte Kontaktperson ersten Grades (z. B. wegen der Erkrankung von Mitschülern oder Lehrern) und selbst gar nicht krank ist. Dann griff § 45 SGB V in seiner früheren Ausgestaltung (ohne § 45 Abs. 2a SGB V) nicht und es war unklar und umstritten, ob und wenn ja wie lange der Arbeitgeber in diesen Fällen zur Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB verpflichtet war. Dabei bestand Einigkeit, dass die Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB – wenn überhaupt – nur wenige Tage zu leisten wäre. Hinzu kam das Problem, dass § 616 BGB in vielen Fällen einzel- oder kollektivrechtlich ausgeschlossen war. Diese Lücken sollte durch die Einführung von § 56 Abs. 1a IfSG und später von § 45 Abs. 2 a SGB V geschlossen werden.
     
  • Das gleiche gilt auch in den Fällen der Schul- und Kitaschließungen sowie der (verlängerten) Ferien. Auch hier sollten § 56 Abs. 1a IfSG und § 45 Abs. 2 a SGB V die Lücke schließen.
     
  • Gar keine Entgeltfortzahlung gemäß § 616 BGB konnten Eltern verlangen, wenn lediglich die Präsenzpflicht in Schulen ausgesetzt war oder eine Empfehlung ausgesprochen wurde, Kita-Kinder daheim zu betreuen: Denn hier konnten die Kinder zur Schule oder Kita gehen; es wurde nur an die Eltern appelliert, die Kinder zuhause zu lassen. Den Eltern blieb somit eine Wahl, sodass eine Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB ausschied. Auch hier sollten § 56 Abs. 1a und § 45 Abs. 2 a SGB V IfSG die Lücke schließen.

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2. Was besagt der neue § 45 Abs. 2 a SGB V?

Nach § 45 Abs. 2 a Sozialgesetzbuch V (SGB V) wird die Anzahl der Tage, an denen Anspruch auf Kinderkrankengeld besteht, erhöht. Dabei können diese Tage entweder – wie schon immer – eingesetzt werden, um ein krankes Kind zu umsorgen. Oder sie können in Anspruch genommen werden, wenn Kinder aufgrund der Corona-Pandemie von ihren Eltern zuhause betreut werden. Dabei weist das Kinderkrankengeld aus Arbeitnehmersicht – aber auch für den Arbeitgeber – einige Vorteile gegenüber dem Entschädigungsanspruch aus § 56 Abs. 1 a IfSG auf.

In Bezug auf den Entschädigungsanspruch aus dem Infektionsschutzgesetz wurde von Eltern zum einen kritisiert, dass dieser – mit 67 % des Nettoeinkommens – nicht sehr hoch sei. Zum anderen monierte man, dass er diversen Beschränkungen unterliege. § 56 Abs. 1 a IfSG griff etwa ursprünglich nur ein, wenn Eltern den Appellen aus der Politik folgten und Schulkinder bei einer Aussetzung der Präsenzpflicht zuhause betreuten, nicht aber, wenn Eltern ihre Kinder – wegen einer entsprechenden Aufforderung – nicht in die Kita brachten. Diese und weitere Lücken wurden durch die Neuregelung in § 45 SGB V geschlossen. Durch den weiteren Anwendungsbereich von § 45 Abs. 2 a SGB V sollte also ein echter Anreiz geschaffen werden, dass Eltern ihre Kinder daheim betreuen, obwohl sie theoretisch Zugang zum (Not-)Betreuungsangebot in Kitas und Schulen gehabt hätten (zu den Einzelheiten siehe die nachfolgenden Fragen).

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3. Welche Voraussetzungen müssen für den Anspruch aus § 45 Abs. 2 a SGB V vorliegen?

Der Anspruch aus § 45 Abs. 2 a SGB V besteht bis zum 31. Dezember 2022, wenn: 

  • das zu betreuende Kind gesetzlich krankenversichert ist (s. Frage 3),
     
  • das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist (Frage 3),
     
  • der Antragssteller gesetzlich krankenversichert ist (s. Frage 3),
     
  • zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten aufgrund des Infektionsschutzgesetzes Maßnahmen ergriffen werden, die einen Betreuungsbedarf eines Kindes nach sich ziehen (hier als "pandemiebedingter Betreuungsbedarf" bezeichnet) (s. Frage 4),
     
  • keine andere im Haushalt lebende Person das Kind beaufsichtigen kann (Fragen 5 bis 7) und
     
  • der pandemiebedingte Betreuungsbedarf auf geeignete Weise nachgewiesen wurde (Frage 8).

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4. Wer kann das Kinderkrankengeld in Anspruch nehmen?

Aus § 45 Abs. 1 SGB V folgt: Der Anspruch besteht nur für erwerbstätige Eltern, die gesetzlich versichert sind. Außerdem gilt er nur, wenn das zu betreuende Kind unter zwölf Jahre alt oder behindert und selbst auch gesetzlich versichert ist.

Privat versicherte Eltern, Erziehungsberechtigte von privat versicherten Kindern oder Selbständige, die zwar gesetzlich versichert sind, aber das Kinderkrankengeld in ihren Versicherungsbedingungen ausgeschlossen haben, sind daher auf § 56 Abs. 1 a IfSG zu verweisen.

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5. Wann besteht ein "pandemiebedingter Betreuungsbedarf", der zur Inanspruchnahme von Kinderkrankengeld berechtigt?

Der Anspruch besteht in folgenden Fällen, die stets voraussetzen, dass sie zur "Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten aufgrund des Infektionsschutzgesetzes" erfolgen, wenn:

  1. Einrichtungen zur Betreuung von Kindern, Schulen oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen vorübergehend geschlossen werden,
     
  2. das Betreten von Einrichtungen zur Betreuung von Kindern, Schulen oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen generell untersagt wird,
     
  3. das Betreten von Einrichtungen zur Betreuung von Kindern, Schulen oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen einem Kind aufgrund einer Quarantäne (= Absonderung) untersagt wird,
     
  4. von der zuständigen Behörde aus Gründen des Infektionsschutzes Schul- oder Betriebsferien angeordnet oder verlängert werden,
     
  5. von der zuständigen Behörde die Präsenzpflicht in einer Schule aufgehoben wird,
     
  6. von der zuständigen Behörde der Zugang zum Kinderbetreuungsangebot eingeschränkt wird oder
     
  7. das Kind aufgrund einer behördlichen Empfehlung die Einrichtung nicht besucht.

In allen genannten Fällen bestand für Betreuungszeiten bis zum 23. September 2022 grundsätzlich auch ein Anspruch auf Entschädigung gemäß § 56 Abs. 1 a IfSG, sodass der Erwerbstätige wählen konnte, ob er Kinderkrankengeld oder die Entschädigung bevorzugt (s. Frage 13).

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6. Kann Kinderkrankengeld auch bezogen werden, wenn eine anderweitige Betreuung des Kindes gesichert ist?

Inwieweit die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer anderweitigen Betreuung dem Anspruch auf Kinderkrankengeld entgegensteht, hängt davon ab, welche anderweitige Möglichkeit hierfür besteht. Wenn das Kind durch eine andere im selben Haushalt lebende Person betreut werden kann, ist der Anspruch ausgeschlossen wie aus § 45 Abs. 1 SGB V folgt. Dies kann z. B. gelten, wenn ein älteres Geschwisterkind das jüngere betreuen kann. Darüber hinaus gilt dies sicher für einen Mitarbeiter, dessen Ehepartner derzeit nicht arbeitet oder dessen Arbeitsverhältnis z. B. aufgrund einer Elternzeit ruht.

Auf eine Notbetreuung in der Schule oder Kita muss sich der Arbeitnehmer hingegen wohl nicht verweisen lassen; dies ist durch verschiedene Äußerungen in der Tagespresse z. B. von der damaligen Familienministerin Giffey während des Gesetzgebungsverfahrens deutlich geworden.

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7. Besteht der Anspruch der Arbeitnehmer trotz Homeoffice-Möglichkeit?

Bei der Entschädigung nach § 56 Abs. 1 a IfSG wird davon ausgegangen, dass Eltern im Homeoffice in der Regel zugleich ihre Kinder betreuen können. Ob Homeoffice auch einem Anspruch aus § 45 Abs. 2 a SGB V entgegensteht, ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut von § 45 Abs. 2 a SGB V. Aber in der Gesetzbegründung (S. 124) wird klargestellt, dass der Anspruch unabhängig davon besteht, ob die geschuldete Arbeitsleistung nicht auch grundsätzlich im Homeoffice erbracht werden kann. Dies deckt sich auch mit dem erklärten Willen des ehemaligen Bundesgesundheitsministers Spahn und der ehemaligen Familienministerin Giffey, die sich in der Tagespresse und in den sozialen Medien entsprechend positionierten.

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8. Muss zunächst Resturlaub oder Überstundenausgleich genommen werden?

Der Anspruch auf Kinderkrankengeld besteht nach Bekundungen der ehemaligen Minister Spahn und Giffey sofort, auch wenn Resturlaub oder Überstundenausgleich offen sind. Das ist ein weiterer Vorteil für den Arbeitnehmer gegenüber dem Entschädigungsanspruch aus dem Infektionsschutzgesetz. Hier müssen Überstunden wohl zunächst abgebaut werden und Urlaub muss jedenfalls zeitanteilig genommen werden (vgl. FAQ des Bundesgesundheitsministeriums zu § 56 IfSG, Frage 36).

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9. Wie kann der Anspruch durch die Eltern nachgewiesen werden?

Wird ein Kind pandemiebedingt zu Hause betreut, genügt eine Bescheinigung der jeweiligen Einrichtung (Schule, Kita, Tagespflege). Laut Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen müssen in dem Nachweis die genauen Gründe, beispielsweise "pandemiebedingte Schließung" oder "Betretungsverbot" benannt werden. Das Familienministerium hat Kitas und Schulen bereits eine einfache Musterbescheinigung zur Verfügung gestellt, damit Eltern die Krankentage unbürokratisch bei ihrer Krankenkasse beantragen können.

Darüber hinaus bieten einige Krankenkassen, beispielsweise die Barmer, ein Musterformular an, mit dem Eltern einen entsprechenden Antrag bei ihrer Versicherung stellen können.

Ist das Kind hingegen krank, wird – wie immer – eine "Ärztliche Bescheinigung für den Bezug von Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes" benötigt.

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10. Wie hoch ist der Anspruch für die Eltern?

Die Berechnung des Kinderkrankengelds erfolgt wie immer: Der Arbeitnehmer erhält bis zu 100 % seines Nettolohns, höchstens jedoch EUR 112,88 je Kalendertag (im Jahr 2022). Von dem so ermittelten Kinderkrankengeld wird jedoch noch der Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen abgezogen.

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11. Für wie lange besteht der Anspruch auf Kinderkrankengeld maximal?

Der bisherige Anspruch erhöht sich in den Jahren 2021 und 2022 von 10 auf 30 Tage bzw. für Alleinerziehende von 20 auf 60 Tage je Kind, bei mehreren Kindern allerdings insgesamt auf nicht mehr als 65 bzw. 130 Tage.

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12. Können die Eltern nur die neuen zusätzlichen "Kind-krank-Tage" für pandemiebedingten Betreuungsbedarf aufwenden?

Die Eltern können alle "Kind-krank-Tage" für den pandemiebedingten Betreuungsbedarf verwenden. Dann steht ihnen jedoch kein Anspruch mehr zu, wenn zwar die Corona-bedingten Einschränkungen vorüber sind, aber ein Kind krank wird.

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13. Ab wann gilt die neue Reglung?

Die neue Reglung ist in einer Sondersitzung am 18. Januar 2021 vom Bundesrat beschlossen und dann unmittelbar vom Bundespräsidenten unterzeichnet und im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Sie ist rückwirkend zum 5. Januar 2021 in Kraft getreten und seitdem mehrfach modifiziert und verlängert worden. Das bedeutet, dass Eltern schon für die Zeit ab dem 5. Januar 2021 Kinderkrankengeld erhalten können, wenn sie ihre Kinder pandemiebedingt zuhause betreut haben und deswegen nicht arbeiten konnten.

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14. Können Eltern wählen, ob sie eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz oder Kinderkrankengeld in Anspruch nehmen?

Nach unserem Verständnis steht Eltern für Betreuungszeiten bis zum 23. September 2022 ein Wahlrecht zu, ob sie eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz oder Kinderkrankengeld in Anspruch nehmen. Zwar besteht kein Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 a IfSG, wenn der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Lohnfortzahlung hat, aber Kinderkrankengeld ist gerade kein Entgeltfortzahlungsanspruch. Dass zunächst Kinderkrankengeld-Möglichkeiten auszuschöpfen wären, ist bislang weder in § 56 Abs. 1 a IfSG bestimmt noch ergibt es sich aus den gesetzgeberischen Erwägungen. Beides kann aber nicht gleichzeitig bezogen werden. Denn für die Zeit des Bezugs von Krankengeld nach § 45 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 a S. 3 SGB V ruht für beide Elternteile der Anspruch nach § 56 Absatz 1 a des Infektionsschutzgesetzes, wie in § 45 Abs. 2 b IfSG klargestellt wird.

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15. Wie verhält sich das Kinderkrankengeld zu der Regelung des § 616 BGB?

Soweit individual- oder kollektivvertraglich § 616 BGB nicht ausgeschlossen ist, ist der Arbeitgeber zunächst gemäß § 616 BGB zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Erst danach besteht ein Anspruch auf Kinderkrankengeld.

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16. Ist es für Arbeitgeber günstiger, wenn Arbeitnehmer Kinderkrankengeld oder wenn sie die Entschädigung nach § 56 Abs. 1 a IfSG geltend machen?

Für Arbeitgeber ist es rechtssicherer, wenn ihre Mitarbeiter Kinderkrankengeld anstelle der Entschädigung nach § 56 Abs. 1 a IfSG in Anspruch nehmen. Denn das Kinderkrankengeld wird direkt von der Krankenkasse an den Mitarbeiter gezahlt. Die Entschädigung nach dem IfSG wird hingegen vom Arbeitgeber "vorgestreckt"; er muss sie sich von der zuständigen Behörde zurückerstatten lassen. Wenn es zwischen der zuständigen Behörde und dem Unternehmen zum Streit kommt, ob ein Entschädigungsanspruch besteht, trägt er also das Kostenrisiko. Solche Differenzen sind beispielsweise denkbar, weil der Arbeitgeber meint, dass dem Mitarbeiter Homeoffice parallel zur Betreuung oder gar Beschulung seiner Kinder nicht zumutbar sei, dies aber von der zuständigen Stelle anders bewertet wird.

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17. Was ist einem Unternehmen zu raten, wenn auf einmal ein Großteil der Belegschaft pandemiebedingte Kinderkrankentage einreicht?

Wie bei der Entschädigung nach § 56 Abs. 1 a IfSG hat der Arbeitgeber keine rechtliche Handhabe, wenn auf einmal ein Großteil der Belegschaft pandemiebedingte Kinderkrankentage einreicht. Anders als z. B. bei Teilzeitbegehren kann er dem nicht betriebliche Belange entgegenhalten. Er muss auf den Dialog und die Verständigung mit seinen Beschäftigten setzen und gemeinsam mit ihnen tragbare Lösungen erarbeiten. So könnte etwa diskutiert werden, ob die Möglichkeit besteht, dass ein Teil der Mitarbeiter in der ersten und ein Teil in der zweiten Wochenhälfte die Betreuung der Kinder anderweitig bewerkstelligt. Auch kann mit dem Arbeitnehmer besprochen werden, inwieweit der andere Elternteil "Kind-krank-Tage" in Anspruch nehmen kann.

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II. Der Entschädigungsanspruch gemäß § 56 Abs. 1 a IfSG

1. Welche Voraussetzungen müssen für den Entschädigungsanspruch vorliegen?

Der Entschädigungsanspruch besteht nach § 56 Abs. 1 a IfSG, wenn:

  1. es aufgrund des IfSG zur Schließung / zum Betretungsverbot von Einrichtungen zur Betreuung von Kindern oder Schulen oder einer Quarantäne des Kindes kommt oder wenn von der zuständigen Behörde aus Gründen des Infektionsschutzes Schul- oder Betriebsferien angeordnet oder verlängert werden oder die Präsenzpflicht in einer Schule aufgehoben oder der Zugang zum Kinderbetreuungsangebot eingeschränkt wird oder eine behördliche Empfehlung vorliegt, vom Besuch einer Einrichtung zur Betreuung von Kindern, einer Schule oder einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen abzusehen (dazu unten Ziff. 7),
     
  2. das betreuungspflichtige Kind nicht älter als zwölf Jahre ist oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist (dazu unten Ziff. 8),
     
  3. die Betreuung durch die erwerbstätigen Sorgeberechtigten oder Pflegeeltern erfolgt,
     
  4. keine anderweitige Betreuungsmöglichkeit durch Dritte besteht (dazu unten Ziff. 9 – 11),
     
  5. es wegen der Betreuung zu einem Verdienstausfall kommt (dazu unten Ziff. 12),
     
  6. die Schließung nicht ohnehin wegen der Schulferien erfolgt (dazu unten Ziff. 13) und
     
  7. eine epidemische Lage von nationaler Tragweite vom Bundestag festgestellt wurde oder – unabhängig davon – bis zum Ablauf des 23. September 2022.

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2. Wie hoch ist der Entschädigungsanspruch?

Der Entschädigungsanspruch umfasst nach dem in Absatz 2 neu eingefügten Satz 2 wie auch beim Kurzarbeitergeld 67 % des entstandenen Netto-Verdienstausfalles (erhöhter Leistungssatz nach § 105 Nr. 1 SGB III), ist aber monatlich auf einen Maximalertrag von EUR 2.016 begrenzt.

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3. Können arbeitgeberseitige Aufstockungsleistungen / Zuschüsse gezahlt werden?

Nach § 56 Abs. 8 Nr. 1 IfSG sind Zuschüsse des Arbeitgebers möglich, d. h. der Arbeitgeber kann die Entschädigungsleistung ähnlich wie beim Kurzarbeitergeld aufstocken. Allerdings erfolgt dann eine Anrechnung auf den Entschädigungsanspruch, wenn der Zuschuss und die Entschädigungsleistung mehr als den Verdienstausfall ausmachen.

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4. Wie lange wird der der Entschädigungsanspruch gewährt?

Der Entschädigungsanspruch wird für längstens 10 Wochen bzw. 20 Wochen für Alleinerziehende gewährt.
Kommt es zu einer Unterbrechung der Betreuungszeit, etwa durch eine (vorübergehende) Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit oder durch eine ferienbedingte Schließzeit, so tritt im Hinblick auf die Frist eine Ablaufhemmung ein.

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5. Auf welcher Rechtsgrundlage muss die Betreuungsnotwendigkeit des Kindes entstehen?

Damit ein Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 a S. 1 IfSG geltend gemacht werden kann, dürfen erwerbstätige Eltern ihrer beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen, weil Einrichtungen zur Betreuung von Kindern oder Schulen aufgrund der Vorgaben des IfSG vorübergehend geschlossen werden oder deren Betreten vorübergehend verboten ist. 

Gleiches gilt, wenn ein Kind eine solche Einrichtung wegen einer "Absonderung" i. S. v. § 30 IfSG, also einer Quarantäne, nicht betreten darf. In der Regel wird es sich bei der gesetzlichen Grundlage um §§ 28 Abs. 1, 28 a IfSG, 32 IfSG handeln (wie bei den bisherigen Allgemeinverfügungen und Rechtsverordnungen zu Schul- und Kitaschließungen auch).

Außerdem genügt auch, dass aufgrund der Pandemielage Ferien angeordnet oder verlängert wurden oder dass die Präsenzpflicht an Schulen aufgehoben wurde und die Kinder deshalb die Schule nicht besuchen. Gleiches gilt, wenn der Zugang zum Kinderbetreuungsangebot eingeschränkt wird oder eine behördliche Empfehlung vorliegt, vom Besuch einer Einrichtung zur Betreuung von Kindern, einer Schule oder einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen abzusehen.

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6. Wer ist Anspruchsberechtigter des Entschädigungsanspruches?

Anspruchsberechtigt sind erwerbstätige Sorgeberechtigte von Kindern, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder behindert und deshalb auf Hilfe angewiesen sind. Sorgeberechtigt ist, wem die Personensorge für ein Kind im vorgenannten Sinne nach § 1631 BGB zusteht. Im Fall, dass das Kind in Vollzeitpflege nach § 33 SGB XIII in den Haushalt aufgenommen wurde, steht anstelle der Sorgeberechtigten den Pflegeeltern der Anspruch auf Entschädigung zu.

Dass auch Selbständige von der Neuregelung erfasst werden, ergibt sich daraus, dass das Gesetz von "erwerbstätigen Sorgeberechtigten" spricht und auch die Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses Selbständige ausdrücklich mit einbezieht (Drucksachen-Nr. 19/18156, S. 3).

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7. Was bedeutet "keine anderweitig zumutbare Betreuungsmöglichkeit"?

Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 a S. 1 IfSG ist, dass im Zeitraum der Schließung oder des Betretungsverbots der Einrichtungen bzw. der Quarantäne des Kindes keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind sichergestellt werden kann.

Eine solche zumutbare Betreuungsmöglichkeit ist beispielsweise gegeben, wenn ein Anspruch auf eine sogenannte Notbetreuung in der Kindertagesstätte oder der Schule besteht, auf den anderen Elternteil zurückgegriffen werden kann oder andere hierzu bereite Familienmitglieder/Verwandte die Betreuung des Kindes oder – bei Geschwistern – mehrerer Kinder wahrnehmen können. Die Betreuung eines Kindes durch Geschwister dürfte nur dann zumutbar sein, wenn das betreuende Kind das 16. Lebensjahr vollendet hat. Personen, die einer Risikogruppe in Bezug auf die Infektion oder übertragbaren Krankheiten angehören, zu deren Verhinderung oder Verbreitung die Einrichtungen zur Betreuung von Kindern oder Schulen von der zuständigen Behörde vorübergehend geschlossen bzw. mit einem Betretungsverbot belegt wurden, gelten nicht als "zumutbare Betreuungsmöglichkeit" im Sinne dieser Regelung.

Ob während eines bereits verplanten Urlaubs des Arbeitnehmers anderweitig zumutbare Betreuungsmöglichkeiten bestehen, ist offen. Vieles spricht dafür, dass in diesem Zeitraum der (anteilige) Anspruch auf die Entschädigung nicht besteht, da eine Betreuung durch den Elternteil tatsächlich möglich ist. Auch das Bundesgesundheitsministerium spricht sich dafür aus, dass bereits geplanter Urlaub vorrangig zum Entschädigungsanspruch abzubauen ist (FAQ des Bundesgesundheitsministeriums zu § 56 IfSG, Frage 36). Vgl. zu Schulferien unten unter Ziff. 13.

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8. Stellt Homeoffice "eine anderweitig zumutbare Betreuungsmöglichkeit" dar?

Soweit die Beschäftigung des Mitarbeiters im Homeoffice möglich bzw. wie augenblicklich in § 28b Abs. 4 IfSG gesetzlich vorgeschrieben ist, besteht prinzipiell die Möglichkeit, das Kind zuhause zu betreuen. Jedoch schließt die Möglichkeit zum Homeoffice den Anspruch nach § 56 Abs. 1 a IfSG nicht automatisch aus, da zunächst geklärt werden muss, ob eine dem Arbeitnehmer zumutbare Betreuung oder Pflege im Homeoffice möglich ist. Das Bundesgesundheitsministerium stellt klar, dass dies einzelfallabhängig zu entscheiden ist und z. B. dann zu verneinen ist, wenn mehrere (kleine) Kinder oder ein Kind mit hohem Betreuungsbedarf (z. B. ein Kind mit Behinderungen) neben einer Tätigkeit im Homeoffice zu betreuen sind (FAQ des Bundesgesundheitsministeriums zu § 56 IfSG, Frage 35).

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9. Kann der Arbeitgeber nachprüfen lassen, dass "keine anderweitig zumutbare Betreuungsmöglichkeit" besteht?

Nach § 56 Abs. 1 a S. 2 IfSG haben Anspruchsberechtigte gegenüber der zuständigen Behörde bzw. auf Verlangen des Arbeitgebers auch diesem gegenüber darzulegen, dass eine zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind nicht besteht oder ggf. in welchem Umfang eine solche nicht besteht. Hierzu gehört beispielsweise die Darlegung, dass kein Anspruch auf eine sogenannte Notbetreuung besteht und anderweitige Betreuungspersonen (z. B. Freunde, Verwandte) nicht zur Verfügung stehen. Informationen zum Anspruch auf Kurzarbeitergeld oder zum Stand von Überstundenkonten sind dem antragstellenden Arbeitgeber selbst bekannt.

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10. Wann liegt ein "Verdienstausfall" des Arbeitnehmers vor?

Ein Entschädigungsanspruch greift nur dann, wenn allein die Schließung, das Betretungsverbot der Schulen oder Betreuungseinrichtungen bzw. die Quarantäne oder Aussetzung der Präsenzpflicht zu einem Verdienstausfall führen.

Das ist z. B. nicht der Fall, wenn und soweit der Erwerbstätige bereits nach anderen gesetzlichen, tariflichen, betrieblichen oder individualrechtlichen Grundlagen unter Fortzahlung des Entgelts oder einer der Höhe nach dem Entgelt entsprechenden Geldleistung der Arbeit fernbleiben kann. Soweit derartige rechtliche Möglichkeiten bestehen, sind diese zu nutzen. Dies ist z. B. der Fall, wenn dem sorgeberechtigten Erwerbstätigen noch ein Zeitguthaben zusteht. Dieses ist vorrangig abzubauen. Ebenso wie bei den Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld wird man also bestehende Guthaben auf Arbeitszeitkonten ("Überstunden") vorrangig abbauen müssen. Entsprechendes dürfte für noch bestehenden Resturlaub aus dem Vorjahr gelten. Andererseits dürften Sorgeberechtigte wohl nicht darauf verwiesen werden, ihren gesamten Jahresurlaub für das laufende Jahr für die Kinderbetreuung aufzuwenden, bevor ein Entschädigungsanspruch nach dem IfSG geltend gemacht wird (vgl. FAQ des Bundesgesundheitsministeriums zu § 56 IfSG, Frage 36).

Der Entschädigungsanspruch müsste nach dem Wortlaut des Gesetzes auch dann bestehen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der notwendigen Kinderbetreuung nur noch einen Teil seiner Arbeitsleistung erbringen kann. Für den ausfallenden Teil wäre dann die Entschädigungsleistung zu beanspruchen.

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11. Was bedeutet der Ausschluss "nicht während der Schulferien"?

Nach § 56 Abs. 1 a S. 3 IfSG besteht ein Entschädigungsanspruch nicht, soweit eine Schließung ohnehin während der durch Landesrecht festgelegten Schulferien erfolgen würde. Die ferienbedingte Schließzeit dürfte den Ablauf der maximalen Bezugsdauer von bis zu 20 Wochen hemmen. Laut Bundesgesundheitsministerium gelten jedoch die Zeiten, in denen ein Kind normalerweise in der Ferienbetreuung der Schule (z. B. Hortbetreuung, offener Ganztag o. Ä.) oder Kita betreut worden wäre, nicht als Ferien; für diese Zeiten greift der Ausschlusstatbestand des § 56 Abs. 1 a S. 3 IfSG also nicht (vgl. FAQ des Bundesgesundheitsministeriums zu § 56 IfSG, Frage 16).

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12. Wer zahlt die Entschädigungsleistung aus?

Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Entschädigungsleistung gegen den Staat. Jedoch agiert der Arbeitgeber als Auszahlungsstelle des Staates und geht mit der Auszahlung der Entschädigung in Vorleistung (§ 56 Abs. 5 S. 1 IfSG).
Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet (§ 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG). Die Erstattung erfolgt aber nur auf Antrag des Arbeitgebers bzw. des Arbeitnehmers, falls der Arbeitgeber nicht in Vorleistung getreten ist (§ 56 Abs. 5 S. 3 IfSG).

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13. Nach welchem Verfahren werden dem Arbeitgeber die Entschädigungszahlungen erstattet?

A. Zuständigkeit

Zuständig für die Gewährung der Entschädigung sind die nach Landesrecht zu bestimmenden Behörden (§ 54 IfSG). Die Bundesländer haben die Zuständigkeiten wie folgt geregelt:

Bundesland/RegionBehörde(n)
Baden-WürttembergRegierungspräsidien
BayernBezirksregierungen
BerlinSenatsverwaltung für Finanzen
BrandenburgLandesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit
BremenOrdnungsamt Bremen
BremerhavenBürger- und Ordnungsamt Bremerhaven
HamburgBezirksamt Altona
HessenGesundheitsämter
Mecklenburg-VorpommernLandesamt für Gesundheit und Soziales M-V
NiedersachsenLandkreis, kreisfreie Stadt oder die Region Hannover
Nordrhein-Westfalen – RheinlandLandschaftsverband Rheinland
Nordrhein-Westfalen – Westfalen-LippeLandschaftsverband Westfalen-Lippe
Rheinland-PfalzLandesamt für Soziales, Jugend und Versorgung
SaarlandMinisterium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie
SachsenLandesdirektion Sachsen
Sachsen-AnhaltLandesverwaltungsamt
Schleswig-HolsteinLandesamt für soziale Dienste
ThüringenLandesverwaltungsamt
 
B. Sind Erstattungsformulare verfügbar?

Grundsätzlich ist bei den zuständigen Behörden ein Antrag auf Erstattung zu stellen. Auf den Internetseiten der meisten Behörden wird ein entsprechendes Erstattungsformular angeboten.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, über die Internetseite https://ifsg-online.de zentral Erstattungsanträge zu stellen. An der Online-Antragsstellung nehmen die Länder Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen teil. 

In Nordrhein-Westfalen ist das Online-Verfahren verpflichtend; Anträge in Papierform werden nicht bearbeitet.

C. Ist der Antrag fristgebunden?

Gemäß § 56 Abs. 11 IfSG muss der Arbeitgeber innerhalb einer Frist von 24 Monaten nach dem Ende der Absonderung des Kindes oder nach dem Ende der vorübergehenden Schließung oder der Untersagung des Betretens der Einrichtungen den Antrag stellen.

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14. Besteht der Entschädigungsanspruch auch während des Bezugs von Kurzarbeitergeld bzw. der Durchführung von Kurzarbeit?

Ausweislich der Gesetzesbegründung besteht ein Anspruch auf Entschädigung nicht, soweit die Arbeitszeit von Sorgeberechtigten aufgrund der Anordnung von Kurzarbeit Null verkürzt ist. Denn Sorgeberechtigte, die keine Arbeitsleistung erbringen müssen, können ihre Kinder während dieser Zeit selbst betreuen. Soweit die Kurzarbeit lediglich zu einer Reduzierung der Arbeitszeit, nicht aber zur vollständigen Suspendierung der Arbeitspflicht geführt hat, greift die Legalzession nach § 56 Abs. 9 IfSG. Danach geht der Anspruch auf das Kurzarbeitergeld auf die Bundesagentur über. Es können somit nicht beide Leistungen (KuG und Entschädigung nach dem IfSG) parallel für denselben Ausfall beansprucht werden (vgl. zu der Thematik auch FAQ des Bundesgesundheitsministeriums zu § 56 IfSG, Frage 41)

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15. Wie verhält sich § 56 Abs. 1 a IfSG zur Regelung des § 616 BGB?

Es spricht vieles dafür, dass der Arbeitgeber nicht erst die ersten Tage den Lohn nach § 616 BGB fortzahlen muss und sich dann die bis zu 20-wöchige Dauer von § 56 Abs. 1 IfSG anschließt. Vielmehr müssten die Regelungen des § 56 Abs. 1 a IfSG direkt Anwendung finden, sobald eine Schule oder Betreuungsstätte geschlossen oder eine Quarantäne als Kontaktperson ersten Grades verhängt wird und der Betreuungsbedarf besteht. § 616 BGB würde somit insoweit durch § 56 Abs. 1 IfSG verdrängt. Dies wäre vor allem deshalb konsequent, weil nach der überwiegenden Meinung der Anspruch nach § 616 BGB bei zu langer Dauer (länger als fünf bis zehn Tage) der Arbeitsverhinderung vollständig entfällt. So hat sich auch das VG Bayreuth seiner Entscheidung vom 05.05.2021 (Az.: B 7 K 21.210) positioniert. Soweit erkennbar handelt es sich hierbei um die erste gerichtliche Entscheidung, die das Verhältnis von § 616 BGB und § 56 IfSG betrifft. Für diese Auflassung spräche im Übrigen auch der gesetzgeberische Wille, nach den Unsicherheiten im Umgang mit den pandemiebedingten Schließungen von Schulen und Kinderbetreuungsstätten nunmehr eine klare und einheitliche Rechtslage zu schaffen. Dies würde konterkariert, wenn man eine parallele Anwendung der Anspruchsnormen zulassen würde.

Auch das Bundesgesundheitsministerium, das lange Zeit vertrat, dass § 616 BGB – soweit er nicht arbeits- oder kollektivvertraglich ausgeschlossen ist – zunächst für die Dauer von bis zu fünf Tagen eingreifen und erst danach der Entschädigungsanspruch gemäß § 56 Abs. 1 a IfSG entstehen solle, scheint sich nunmehr dieser Auffassung angeschlossen zu haben (vgl. FAQ des Bundesgesundheitsministeriums zu § 56 IfSG, Frage 21). 

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16. Besteht ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats?

Ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats besteht nach unserer Bewertung nicht. Weder handelt es sich um eine Frage der Arbeitszeitverteilung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG noch ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG das Gehaltsgefüge an sich durch die Entschädigungsleistung betroffen. Letzteres ließe sich aus unserer Sicht selbst dann sehr gut vertreten, wenn sich der Arbeitgeber zu einer gleichmäßigen Aufstockung der Entschädigungsleistung entschließt – zu der keine Verpflichtung besteht.

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17. Was gilt, wenn aus betrieblichen Gründen die Arbeitskraft dringend gebraucht wird?

Das Gesetz enthält aus Arbeitgebersicht leider keine Regelung dazu, dass dringende betriebliche Gründe dem Begehren des Arbeitnehmers auf Kinderbetreuung entgegengehalten werden können. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen wird man die Neuregelung daher wohl so verstehen müssen, dass der Arbeitnehmer eine (unbezahlte) Freistellung zu Zwecken der Kinderbetreuung umsetzen kann, wenn eben keinerlei Alternativen zur Kinderbetreuung vorhanden sind. Die Praxis findet aber meist flexible Lösungen, da sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer in der Pandemie überwiegend sehr gut kooperieren und die jeweils anderen Interessen im Blick haben.

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18. Wann endet der Anspruch?

Endet der pandemiebedingte Betreuungsbedarf (s. Frage 7), so endet auch der Entschädigungsanspruch.

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