Home / Veröffentlichungen / Beschäftigung älterer Arbeitnehmer

Beschäftigung älterer Arbeitnehmer

Update Arbeitsrecht 06/2019

Juni 2019

Der demographische Wandel wird unsere Arbeitswelt und den Arbeitsmarkt in Zukunft stark verändern. Die Ausübung eines Berufs über das gesetzliche Regelrentenalter hinaus wird dann nicht mehr nur allein der Sicherung der Altersrente dienen, sondern muss in vielen Bereichen auch den Fachkräftemangel auffangen. Dies hat der Gesetzgeber erkannt und Arbeitgebern und Arbeitnehmern verschiedene Werkzeuge an die Hand gegeben, um den Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand flexibler zu gestalten.


Wichtig dabei ist zunächst zu wissen, dass das Erreichen der Regelaltersgrenze an sich nicht dazu führt, dass ein Arbeitsverhältnis endet. Dies geschieht in der Praxis aber häufig aufgrund arbeits- oder tarifvertraglicher bzw. betrieblicher Regelungen, die eine Befristung des Vertrags eben auf das Regelrentenalter vorsehen. Finden sich derartige Vereinbarungen in Arbeitsverträgen, unterliegen sie nach Auffassung des BAG der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle, dürfen mithin nicht ohne Sachgrund im Sinne des § 14 Abs. 1 TzBfG abgeschlossen werden. Jedoch erkennt die Rechtsprechung insoweit an, dass das Interesse des Arbeitgebers an einer berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung Vorrang vor dem Bestandsinteresse des Arbeitnehmers hat, wenn der Arbeitnehmer durch den Bezug einer Regelaltersgrenze (nicht ausreichend: bloße Ausgleichszahlung des Arbeitgebers oder betriebliche Altersversorgung) wirtschaftlich abgesichert ist. Unbedingt zu beachten ist aber das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG. Der Arbeitnehmer muss mithin vor Vertragsbeginn ein arbeitgeberseitig unterschriebenes Vertragsexemplar vorliegen haben. Andernfalls entsteht bei Vertragsbeginn ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, das auch über das Regelrentenalter hinaus bestehen bleibt und einer arbeitnehmerseitigen Kündigung oder eines Aufhebungsvertrags für seine Beendigung bedarf (siehe dazu BAG, Urteil vom 25. Oktober 2017 – 7 AZR 632/15). 

Das LAG Niedersachsen hat am 1. August 2018 übrigens entschieden, dass ein Arbeitgeber, für den eine zulässige tarifliche Altersgrenzenregelung gilt, gegen das Verbot der Altersdiskriminierung nach §§ 7 Abs. 1 AGG1 AGG verstößt, wenn er die Bewerbung eines Altersrentners auf eine ausgeschriebene Stelle unter Hinweis auf dessen Rentenstatus bereits im Bewerbungsverfahren zurückweist. Die mit der Altersgrenze verbundene unmittelbare Benachteiligung des Bewerbers wegen des Alters sei nicht durch § 10 S. 3 Nr. 5 AGG gerechtfertigt (LAG Niedersachsen, Urteil vom 1. August 2018 – 17 Sa 1302/17).


Möchten Unternehmen ältere Mitarbeiter gerne weiterbeschäftigen oder auch bislang betriebsfremde ältere Arbeitnehmer neu einstellen, sollten die nachstehenden rechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden:

I. Beschäftigung von Mitarbeitern, die das Regelrentenalter erreicht haben

1. Weiterbeschäftigung der eigenen Mitarbeiter unmittelbar nach Erreichen der Regelaltersgrenze

Sieht der Arbeitsvertrag eine Befristung auf das Regelrentenalter vor, können die Vertragsparteien seit dem 1. Juli 2014 „durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, gegebenenfalls auch mehrfach, hinausschieben“ (§ 41 S. 3 SGB VI). Der EuGH hat diese Regelung unlängst für europarechtskonform erklärt (EuGH, Urteil vom 28. Februar 2018 – C-46/17).

Voraussetzungen dieser gesetzlichen Vorschrift sind:

  • Bestehen einer Regelung, etwa in Arbeits- oder Tarifvertrag, nach der das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze endet
  • eine Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses
  • die nahtlose Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ohne jegliche zeitliche Unterbrechung   

Eines Sachgrundes bedarf es bei einer solchen Befristung nicht (BAG, Urteil vom 19. Dezember 2018 – 7 AZR 70/17).

In der Praxis stellen sich häufig zwei Fragen:

Zum einen nämlich, was geschieht, wenn ältere Arbeitsverträge noch einen Verweis auf die konkrete Regelaltersgrenze von 65 Jahren enthalten. In vielen Fällen wird es möglich sein, die Klauseln so auszulegen, dass die Grenze von 65 Jahren in die aktuelle gesetzliche Regelaltersgrenze umgedeutet wird. Das ist aber eine Einzelfallfrage und bedarf einer genaueren Prüfung.

Zum anderen ist unklar, ob im Rahmen einer solchen Vereinbarung zugleich auch Arbeitsbedingungen geändert werden können. In der Praxis besteht beispielsweise sehr häufig ein großes Interesse daran, die bisherige Vollzeittätigkeit nach der Rente in Teilzeit fortzusetzen. Legt man die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 14 Abs. 2 TzBfG als Maßstab zugrunde, kann die Verlängerung eines befristeten Vertrags nur ohne gleichzeitige Veränderung des Vertragsinhalts erfolgen (siehe etwa BAG, Urteil vom 4. Dezember 2013 – 7 AZR 468/12). Mit § 41 S. 3 SGB VI hat sich das BAG zwar in einer aktuellen Entscheidung befasst, aber noch nicht entschieden, inwieweit eine Änderung der Arbeitsbedingungen möglich ist (BAG, Urteil vom 19. Dezember 2018 – 7 AZR 70/17). Gleiches gilt für den EuGH: In einer Entscheidung vom 28. Februar 2018 ging der EuGH wegen des entsprechend formulierten Vorlagebeschlusses aus Deutschland davon aus, dass § 41 S. 3 SGB VI nur ein Hinausschieben ohne die sonstige Veränderung von Arbeitsbedingungen regelt, und entschied auf dieser Grundlage, dass die Norm unionsrechtskonform ist. Ob das auch der Fall wäre, wenn die Norm eine gleichzeitige Veränderung sonstiger Arbeitsbedingungen zuließe, entschieden die Richter nicht. Das Arbeitsgericht Köln hat in einem Urteil vom 23. August 2018 – 8 Ca 2755/18 (nicht veröffentlicht) – jedoch betont, dass § 41 S. 3 SGB VI schon nach dem Wortlaut keine solche Einschränkung enthält und dass auch weitere Auslegungskriterien nichts hierfür hergeben. Seiner Ansicht nach lassen Sinn und Zweck der Norm eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über das Erreichen der Altersgrenze hinaus bei gleichzeitiger Anpassung der Arbeitsbedingungen zu. Es handelt sich allerdings, soweit ersichtlich, um das bislang einzige Urteil in diese Richtung.

Bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung sollten gewünschte vertragliche Änderungen zeitlich vor oder nach dem Abschluss der Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungszeitraums – also völlig losgelöst von dieser – vereinbart werden. Nur so lässt sich der Abschluss eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses sicher vermeiden.

2. Beschäftigung ehemaliger eigener Mitarbeiter nach einem Unterbrechungszeitraum bzw. Beschäftigung „fremder“ Rentner

Ist die Wieder- oder Neueinstellung von Altersrentnern angedacht, hilft § 41 S. 3 SGB VI nicht. Es gelten dann vielmehr die Grundsätze des Befristungsrechts.

a) Sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG

Geht es um die Wiedereinstellung eines ehemaligen Mitarbeiters, dürfte die maximal zweijährige sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG in aller Regel ausscheiden. Denn das Gesetz verbietet an dieser Stelle eine sachgrundlose Befristung, wenn mit demselben Mitarbeiter bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Seit 2011 hatte das BAG die Auffassung vertreten, dass eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses – entgegen § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG – dann wieder zulässig sei, wenn das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurückliege (Urteil vom 6. April 2011 – 7 AZR 716/09). Diese Rechtsprechung hatte das BVerfG im Juni 2018 (Beschluss vom 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14) gekippt, nahm aber in Ausnahmefällen an, dass trotz einer Vorbeschäftigung eine erneute sachgrundlose Befristung zulässig sein könne, wenn die Vorbeschäftigung

  • sehr lang zurückliegt,
  • ganz anders geartet war oder
  • von sehr kurzer Dauer gewesen ist.

Im Zuge dessen hat das BAG seine Rechtsprechung geändert und bei einer acht Jahre zurückliegenden Vorbeschäftigung keine sachgrundlose Befristung mehr zugelassen (BAG, Urteil vom 23. Januar 2019 – 7 AZR 733/16).

Für Rentner, die bislang für den betreffenden Arbeitgeber noch nicht tätig waren, bietet § 14 Abs. 2 TzBfG jedoch eine geeignete Befristungsmöglichkeit bis zu einer Dauer von zwei Jahren mit höchstens dreimaliger Verlängerungsmöglichkeit innerhalb dieses Zeitraums.

b) Sachgrundbefristung nach § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG

Sowohl für ehemalige eigene Mitarbeiter als auch für „fremde“ Arbeitnehmer kommt eine Sachgrundbefristung nach § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG in Betracht, die nicht an die Zweijahresgrenze des § 14 Abs. 2 TzBfG gebunden ist.

Im Einzelnen sind folgende Befristungsgründe denkbar:

c) Befristung nach § 14 Abs. 3 TzBfG

Einen Sonderfall der sachgrundlosen Befristung stellt § 14 Abs. 3 TzBfG dar. Nach dieser Vorschrift ist die sachgrundlose Befristung bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III gewesen ist. Die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrags bis zu einer Gesamtdauer von fünf Jahren ist erlaubt.

Ob eine Person, die sich in Altersrente befindet, beschäftigungslos im Sinne des SGB III ist, ist bislang von der Rechtsprechung noch nicht entschieden worden. Von daher raten wir derzeit davon ab, eine Befristung auf diesem Tatbestand zu begründen.

3. Konsequenzen für die Sozialversicherungen

a) Rentenversicherung

Zunächst einmal können Personen, die die Regelaltersgrenze erreicht haben, unbeschränkt hinzuverdienen. Diese Arbeitnehmer müssen auch keine Rentenversicherungsbeiträge mehr bezahlen. Der Arbeitgeber jedoch bleibt rentenversicherungspflichtig. Denn die Beschäftigung eines Rentners soll für den Arbeitgeber nicht günstiger sein als die eines jüngeren Arbeitnehmers. Die Rente erhöht sich durch diese Arbeitgeberzahlung jedoch nicht.

Seit Inkrafttreten des so genannten „Flexirentengesetzes“ haben ab dem 1. Januar 2017 Bezieher einer Rente nach Erreichen der regulären Altersgrenze jedoch die Möglichkeit, während der Beschäftigung eigene Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen. Erforderlich ist hierfür eine Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber. Durch die eigenen und die vom Arbeitgeber gezahlten Rentenversicherungsbeiträge erhöht sich die Rente ab der Rentenanpassung im darauffolgenden Jahr.

Im Übrigen besteht aber auch die Möglichkeit, die Rentenzahlung bei Weiterarbeit nicht in Anspruch zu nehmen. Die spätere Rente steigt dann zum einen durch die weiteren Beiträge zur Rentenversicherung, zum anderen erhöht sich als Ausgleich für den späteren Rentenbeginn die Altersrente um 6 % für jedes Jahr des Verzichts (§ 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 b SGB VI).

In der Zeit vor Erreichen der regulären Altersgrenze ist eine Hinzuverdienstgrenze zu beachten. Seit dem 1. Juli 2017 können Rentner EUR 6.300 im Jahr hinzuverdienen, ohne dass die Rente reduziert wird. Ein über den Betrag von EUR 6.300 hinausgehender Verdienst wird zu 40 % auf die Rente angerechnet.

b) Arbeitslosenversicherung

Nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 SGB III sind Arbeitnehmer in der Arbeitslosenversicherung mit Ablauf des Monats, in dem sie das Lebensjahr für den Anspruch auf Regelaltersrente vollenden, versicherungsfrei. Es kommt nicht darauf an, ob sie tatsächlich eine Rente wegen Alters beziehen.

Der Arbeitgeber bleibt grundsätzlich beitragspflichtig. Allerdings greift aufgrund des Flexirentengesetzes derzeit § 346 Abs. 3 S. 3 SGB III: Danach ist für den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2021 die grundsätzliche Beitragspflicht für den Arbeitgeber ausgesetzt.

c) Krankenversicherung, Pflegeversicherung

Grundsätzlich bleibt es hier bei der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr. 1 SGB V, wobei unter bestimmten Umständen ein ermäßigter Beitragssatz gilt. Besteht eine private Krankenversicherung, hat der Arbeitgeber weiterhin eine Zuschusspflicht. Entsprechendes gilt für die Pflegeversicherung.

II. Beschäftigung von Mitarbeitern, die das Regelrentenalter noch nicht erreicht haben

Auch Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis bereits vor Erreichen der Regelaltersgrenze endet bzw. die vorzeitig Rente beziehen können, haben oft ein Interesse daran, unmittelbar im Anschluss daran oder auch nach einer Unterbrechung wieder bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber oder einem anderen Unternehmen tätig zu werden.

Eine vertraglich vereinbarte Altersgrenze vor Vollendung des Regelrentenalters ist jedoch nur beschränkt zulässig. Bei derartigen Fallkonstellationen muss § 41 S. 2 SGB VI beachtet werden: Nach dieser Vorschrift gilt eine Vereinbarung, die „die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der Arbeitnehmer vor Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen Alters beantragen kann, dem Arbeitnehmer gegenüber als auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen, es sei denn, dass die Vereinbarung innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen oder von dem Arbeitnehmer innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt bestätigt worden ist“.

Die Vereinbarung muss also, um wirksam zu sein,

  • entweder innerhalb der letzten drei Jahre vor dem vereinbarten Zeitpunkt des Ausscheidens abgeschlossen
  • oder – falls sie zu einem früheren Zeitpunkt vereinbart wurde – vom Arbeitnehmer in den drei Jahren vor Rentenbeginn nochmals bestätigt worden sein.

Ansonsten gilt sie dem Arbeitnehmer gegenüber als auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen. Hierdurch ergibt sich also unter Umständen aus dem Gesetz heraus eine Verlängerungsmöglichkeit, zumindest bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze.

Liegen die vorgenannten Voraussetzungen des § 41 S. 2 SGB VI vor, scheidet eine Befristung nach § 41 S. 3 SGB VI aus, weil die Voraussetzung fehlt, dass das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze endet. Es verbleiben für alle Personengruppen aber die unter I.2. aufgeführten Befristungsmöglichkeiten nebst Einschränkungen.

Grundsätzlich gilt hier, dass beschäftigte Rentner, die eine Rente wegen Alters vor ihrer persönlichen Regelaltersgrenze beziehen, umfassend sozialversicherungspflichtig sind. Unter Umständen sind Hinzuverdienstgrenzen zu beachten (s. o.).

Fazit:

Die Beschäftigungsmöglichkeiten für ältere Arbeitnehmer, insbesondere Rentner, sind von Rechtsprechung und Gesetzgebung in den letzten Jahren verbessert worden und können für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber eine echte Win-win-Situation darstellen, wenn die vorstehenden Rahmenbedingungen beachtet werden.


Dieser Artikel ist Teil des Update Arbeitsrecht, das Sie hier abonnieren können. Bei Fragen zum Artikel kontaktieren Sie gerne das Redaktionsteam Arbeitsrecht (Dr. Alexander Bissels, Lisa Gerdel, Dr. Nina Hartmann und Dr. Stefanie Klein-Jahns) unter: Update-Arbeitsrecht@cms-hs.com.